Germering:Oper auf der Leinwand

Cineplex

Vorgegaukelte Liebe: Madama Butterfly (Ermonela Jaho) und Pinkerton (Marcelo Puente) in der Inszenierung in Covent Garden.

(Foto: Günther Reger)

Madama Butterfly zeigt: Übertragungen im Cineplex haben sich etabliert

Von Karl-Wilhelm Götte, Germering

Für diesen Opernbesuch braucht es keine Ferngläser. Auch in den hinteren Reihen des Germeringer Cineplex-Kinos sehen die Besucher die Akteure ganz deutlich, vor allem wenn die Kamera ganz nah an den Gesichtern dran ist. Fast ausverkauft war der 200-Plätze-Saal bei "Madama Butterfly". Live-Oper und Live-Ballett aus dem Royal Opera House in London haben sich in Germering fest etabliert. Die Opernfreunde kommen auch aus München, Starnberg, Planegg, Fürstenfeldbruck oder Geretsried angereist und genießen drei Stunden lang Opernkino.

25 bis 35 Euro kostet die Opernkarte. Neben dem Cineplex sind weitere 1029 Kinos in aller Welt an die Liveübertragung aus London angeschlossen. Für das zum Teil elegant gekleidete Publikum beginnt das Opernerlebnis mit einem Glas Sekt im Kino-Foyer. "Das ist ein schönes Opernerlebnis hier", sagt Ilka Wodarkiewicz aus Geretsried, die zusammen mit ihrer Germeringer Freundin am Sekt nippt und schon das dritte Mal da ist. Die Übertragung aus London beginnt mit einem spektakulären Blick von oben auf die britische Hauptstadt und das Opernhaus im Stadtteil Covent Garden. "Das ist wie Coming Home", schwärmt Ludwig Mundt in der Pause. Mit seiner Ehefrau Brigitte hat er in London gelebt und sie haben dort auch die Royal Opera besucht.

Eine Moderatorin begrüßt die Kinozuschauer. Sie übergibt an die Regisseure und den energiegeladenen Dirigenten Antonio Pappano, die die Handlung des Stücks erläutern. Sie sprechen von einem "Zusammenstoß der Kulturen": der japanischen mit der US-amerikanischen. In der Pause folgen weitere Informationen rund um das Werk, das 1904 uraufgeführt wurde und mit deutschen Untertiteln versehen ist. "Haben sie ihr Taschentuch zur Hand?", sagt die Moderatorin noch; dann öffnet sich der Vorhang. Das Bühnenbild gibt einen Panorama-Blick auf den Hafen von Nagasaki frei. Dort liegt das Schiff des Marineoffiziers Benjamin Franklin Pinkerton. Er hat ein Haus erworben, und die Geisha Cio-Cio-San, Madama Butterfly, gleich mit. Leutnant Pinkerton betrachtet seine erst 15-jährige Braut als "Spielzeug". Der Bräutigam nimmt die Hochzeit wenig ernst, weiß er doch, dass nach japanischem Recht die Ehe geschieden wird, wenn der Ehemann die Frau verlässt. Butterfly dagegen ist Pinkerton völlig verfallen und bekommt ein Kind von ihm, wovon er nichts weiß. Der Leutnant kehrt in die USA zurück, heiratet dort Kate und will drei Jahre später seinen Sohn aus Nagasaki abholen. Butterfly erdolcht sich aus Verzweiflung.

Gesungen wird auf Italienisch. Die Kino-Großleinwand macht es möglich, dass gestische und mimische Feinheiten im Detail zu sehen sind. Darstellerische Augen-Blicke, eine Geste, ein Zucken des Mundwinkels unterstreichen eindrucksvoll die Musik. Andererseits stellen diese Nahaufnahmen die Sänger und Sängerinnen vor große Herausforderungen. Nicht nur die Stimme zählt, der optische Eindruck wiegt genauso schwer und ist auch entlarvend. Die albanische Sopranistin Ermonela Jaho, die Madama Butterfly, ist 42 Jahre alt und muss zur Hochzeit ein 15-jähriges Mädchen darstellen. Jaho verfügt über eine Wunderstimme, elfenzart in den Höhen, schicksalswuchtig im Schmerz. Leider wurde es ausgerechnet ihr von Maske, Beleuchtung und Großleinwand schwer gemacht: ihr kalkweiß geschminktes Gesicht mit roter Wangen- und Augenpartie, umrahmt von pechschwarzem, hochfrisierten Haar, ist streckenweise so ungünstig beleuchtet, dass die ungeschminkt höchst attraktive Frau gegen die fremdverschuldete Optik ansingen muss.

Sonst kann nichts diesen großartigen Abend trüben. Der argentinische Tenor Marcelo Puente als skrupelloser Pinkerton ist ein stattlicher Herzensbrecher mit betörender Stimme, Elizabeth Deshong als Zofe Suzuki berührend in ihrer Empathie, Scott Hendricks als amerikanischer Konsul und als Pinkertons Mahner von ergreifender Wahrhaftigkeit. Dirigent Pappano vereint alle Mitwirkenden zu einem großen, magischen Ritual von höchster musikalischer Perfektion. So sahen es auch die Besucher. "An den ständigen Perspektivwechsel im Kino musste ich mich gewöhnen", kommentierte der Starnberger Ludwig Mundt zu den Close-ups. Mittlerweile sind die Mundts Stammgäste der Opernübertragungen im Cineplex. Für sie ist das Kino eine echte Alternative zur Oper in München. "Die Akustik ist sehr gut und die Sessel sind auch bequemer als in der Staatsoper." Auch zwei Freundinnen aus Planegg und Starnberg schwärmen übereinstimmend: "So nah dran, das ist fantastisch."

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