Modelleisenbahnen in Germering:Unterwegs auf kleinen Schienen

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Auch wenn sie noch durch viele Keller fahren, so richtig angesagt sind Modelleisenbahnen nicht mehr. Bei einer Ausstellung in Germering zeigen die Anhänger, dass sie mit der technischen Entwicklung mithalten können - dabei kommt so manch skurriles Detail zum Vorschein.

Von Julia Bergmann, Germering

Auf dem Dach des Rathauses steht eine kleine Frau. Sie rührt sich nicht. Was sie dort macht, ist ihr Geheimnis. Ob sie dort oben versucht, einen besseren Blick auf das Szenario zu erhaschen, dass sich nur wenige Straßen weiter zeigt? Dort nämlich, nicht weit entfernt von den Bahngleisen, ist etwas ganz und gar aus dem Ruder gelaufen geraten. Ein Autofahrer hat offenbar die Kontrolle über seinen Wagen verloren und ist ungebremst auf eines der kleinen Häuschen des beschaulichen Dorfes zugerast. Die Fassade des blauen Gebäudes ist hinüber. Bodo Pietsch schmunzelt. "Da haben die Kinder ihrer Phantasie freien Lauf gelassen", sagt er und zeigt auf die Landschaft, die von den winzigen Schienen einer Modelleisenbahn durchschnitten wird.

Bodo Pietsch ist Vorsitzender der Modellbahngemeinschaft-Germering und damit Veranstalter der Ausstellung, die am Wochenende in der Stadthalle Germering stattfand. Das Modell, vor dem er gerade steht, ist das Ergebnis des Ferienprogramms mit sechs Acht- bis Elfjährigen vom vergangenen Jahr. "Es gibt natürlich viele Modellbauer, die so etwas nie machen würden", deutet Pietsch die kindliche Phantasie, mit der das Modelldorf gestaltet wurde. Was jedoch nicht heißt, dass "seriöse" Modellbauer nicht auch ein paar skurrile Momente in ihren Landschaften verstecken würden.

Die liebevollen kleinen Details basteln die Hobby-Eisenbahner aus hauchdünnen Messingblättchen (Foto: Günther Reger)

Vor Pietschs Dioramen angekommen, zeigen sich auf den ersten Blick kleine detailverliebte Landschaften, idyllische Szenen gebannt in Kunststoff, Holz und Styropor. Doch mitten auf einem der Äcker ist gerade einer der Miniaturmänner dabei, eine Moorleiche freizulegen. Ungewöhnlich ist so etwas wohl nicht. Manch ein Bastler verstecke auch gerne einmal ein nacktes Liebespaar im Gebüsch neben den Eisenbahnschienen, erklärt Pietsch. Sie sind eben ein humorvolles Völkchen, die Modellbauer.

Mit einem Knopfdruck setzt sich die Feuerwehr in Bewegung

Nicht nur Wälder und Städte dienen den Modellbauern als Motiv, auch kleine Hafenanlagen sind zu sehen. (Foto: Günther Reger)

Detailverliebt geht es auch bei Jörg Strencioch von den Freunden der Modellbahn Puchheim zu. Abgesehen von der obligatorischen Bahn findet sich auf einer seiner Arbeiten auch ein kleiner Biergarten, in dem sich ein rustikales Toilettenhäuschen aus Holz verbirgt. Strencioch hält ein hauchdünnes Messingblättchen mit winzigen Perforationen in die Luft. "Sehen Sie, daraus werden die Tische und Stühle gebaut. Die kleinen Teile hier werden gebogen", erklärt er. Man möchte Strencioch fast der Lüge bezichtigen, so filigran ist das Blättchen. Kann man diesen Hauch von Nichts tatsächlich in ein Miniaturmöbelstück verwandeln? Mann kann. Er deutet auf ein Tischchen im mikroskopisch kleinen Biergarten, an dem eine ältere Dame Platz genommen hat. "So sieht es dann aus", sagt er.

Während Strencioch noch spricht, schiebt er die Kanüle einer gefüllten Spritze in eines der Fachwerkhäuser auf der Anlage. In den Festern des Häuschens flackert feuerrote Glut, aus dem eingefallenen Dach steigt eine kleine Rauchschwade in die Höhe. "Dafür gibt es extra Rauchgeneratoren", erzählt der "Brandstifter". Der Dampf entsteht durch die Erhitzung eines bestimmten Öls. Keine zehn Meter entfernt zieht ebenfalls Qualm auf. Dort steht die Firma "Carl Simon & Söhne" in Brand. Mit einem Knopfdruck gibt Armin Holzhäuser vom DC-Car Stammtisch Germering den Startschuss für ein ganz besonderes Schauspiel. Ein Alarm geht los, die Garagentüren der Feuerwehr öffnen sich und vier signalrote Einsatzfahrzeuge setzen sich unter lautem Sirenengeheul in Bewegung.

Ein Spektakel der Extraklasse für die vielen Kinder, die sich jetzt aufgeregt vor der Anlage drängen. Die Fahrzeuge bewegen sich wie von Zauberhand auf den asphaltgrauen Fahrbahnen. Die ausgeklügelte Technik des Systems der Firma Faller macht es möglich. Unter den Straßen verläuft ein feiner Draht, der die Fahrzeuge mittels Magnet auf Spur hält. "Die Fahrzeuge werden von unseren Modellbauern massiv umgebaut", erklärt Pietsch. Wenn sie fertig sind, sind sie nicht nur mit Lichtanlagen und Sirenen, sondern unter anderm auch mit automatischer Abstandsteuerung und Infrarotsensoren ausgestattet.

Einer, der ganz besonders großen Wert auf den originalgetreuen Umbau der Fahrzeuge legt, ist Thomas Pongratz, der bei der BMW-Werksfeuerwehr arbeitet. Jedes noch so kleine Detail der echten Fahrzeuge findet sich in seinen Miniaturen wieder. Die Modelle werden sogar in der Originalfarbe der großen Vorbilder lackiert.

"Die Modelleisenbahn ist ein Hobby mit einer wahnsinnigen Bandbreite", sagt Pietsch, der - wie früher durchaus üblich - mit fünf Jahren zu seiner Leidenschaft fand. "Da gibt es den technischen Aspekt, das Gestalterische und Planerische oder auch das Patinieren der Häuser", beginnt er seine Aufzählung. Die Liebe manch eines Tüftlers gehe mitunter so weit, dass er auch alte Fahrkarten sammle oder sich tiefes Wissen über die Geschichte und Entstehung der Eisenbahn aneigne. Und natürlich ist jeder der Modellbahn-Liebhaber in seinen Vorlieben und in seiner Arbeitsweise ganz eigen.

Viele Aussteller blicken mit Sorgen auf die Zukunft des Hobbys. Die 300 bis 400 Besucher am ersten Tag gelten da als gutes Zeichen. (Foto: Günther Reger)

Die Welt des Modellbaus unterscheidet aktuell zwischen sechs Epochen. Von den ersten Schritten bis hin ins Heute. "Es gibt Modellbauer, die sich ganz streng daran halten und sagen, ich habe eine Epoche-3-Anlage, darauf kann ich keine Epoche-6-Lok fahren lassen", erklärt Pietsch und Bernhard Rodewald, der zu einer Gruppe von Modelleisenbahn-Freunden aus Krailling gehört, stimmt ihm zu. Die Kraillinger Gruppe hat eines der prägnantesten Exponate im Gepäck. Eine Modellbahn mit einer Länge von etwa 18 Metern, die sich aus mehreren Einzelabschnitten zusammensetzt. "Wir haben ein paar Dinge daran überarbeitet", erzählt Rodewald. Am Bahnhof etwa, dort standen ursprünglich die klassischen Pilzlampen, die man vor allem aus der ehemaligen DDR kennt. Die wurden durch modernere Leuchten ersetzt. Immerhin will auch ein Modellbahnhof von Zeit zu Zeit modernisiert und saniert werden.

Die neusten Loks haben sogar eine engebaute Kamera

Eigentlich wollte Rodewald auf einer seiner Anlagen auch einen modernen ICE fahren lassen. "Das sind schließlich die Züge, die die Kinder heute kennen und die sie faszinieren." Was Rodewald sagt, mag stimmen, aber auch die älteren Modelle erfreuen sich bei den Kindern großer Beliebtheit. Da wird gestaunt, geklatscht und die Mama herbeigerufen: "Schau! Schau schnell, da kommt er wieder!", ruft ein Sechsjähriger seiner Mutter zu, die erklärt, der Sohn habe wohl die Leidenschaft seines Großvaters geerbt.

So scheint es doch noch eine Hoffnung auf ausreichend begeisterungsfähigen Nachwuchs zu geben, auch wenn viele der Aussteller mit Sorge in die Zukunft ihres Hobbys blicken. Auch die 300 bis 400 Besucher allein am ersten Tag der Ausstellung dürfen da als gutes Zeichen gewertet werden.

Und dann gibt es da schließlich auch noch die Hersteller, die den Nachwuchs mit den herrlichsten Neuerungen locken. Bernhard Linden, der gemeinsam mit seiner Frau Andrea die Auto-Modellbahn-Welt Germering führt, wird von großen Kinderaugen dabei beobachtet, wie er die über eine App gesteuerte Modellbahn von Roco-Fleischmann vorführt. Auf einem Tablet können unter anderem Lok und Fahrgeschwindigkeit ausgewählt und gesteuert werden.

Natürlich kann man der Lok per Klick auch ihr charakteristisches Pfeifen entlocken. "Aber das ist noch nicht alles", setzt Linden an. Mit wenigen Fingerbewegungen lässt er den Führerstand einer Lok auf dem Tabletbildschirm auftauchen. Und tatsächlich kann man Lenkrad, Bremse und Co. mit den Fingern auf dem Bildschirm steuern. "Die neuesten Loks haben sogar kleine Kameras eingebaut. So kann man auf dem Tablet sehen, wo sie gerade entlangfährt", sagt Linden. Ein älterer Herr, der noch eine Dampflok in Betrieb gesehen haben mag, schüttelt ungläubig lachend seinen Kopf. "Was es nicht alles gibt", sagt er. Verrückte neue Welt.

© SZ vom 17.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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