Germering:Mit Kelle und Warnweste

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"Ich habe nur freundliche Kinder": Heike Erbe (gelbe Jacke) hilft beim Überqueren der Straße vor dem Rathaus. (Foto: Günther Reger)

Seit fünfzehn Jahren hat die Germeringerin Heike Erbe ein Auge auf Schulkinder und Verkehrsgeschehen

Von Henning Vetter, Germering

Es ist 7.30 Uhr. Heike Erbe steht an der Kreuzung Hörweg-/Untere Bahnhofstraße, direkt vor dem Rathaus. Sie trägt eine neongelbe Jacke, auf dem Rücken ist "Verkehrshelfer" zu lesen. In der Hand hält sie eine Kelle. Die Ampel-Kreuzung liegt auf dem Weg zur Grundschule an der Kirchenstraße und ist eine von vier Stellen, an denen Schulweghelfer stehen. In einer halben Stunde beginnt der Unterricht, die ersten Kinder kommen die Straße entlang. Die Ampel zeigt Rot, die Schüler bleiben stehen und grüßen die 54-Jährige. Als das Licht grün aufleuchtet, geht Heike Erbe auf die Straße und leitet die Kinder an sich vorbei auf die andere Seite. Dann kommt sie wieder zurück. "Ich habe nur freundliche Kinder", sagt sie lächelnd. Die Kinder freuen sich, die Schulweghelferin zu sehen. Einige unterhalten sich kurz mit ihr. Sie sind ein eingespieltes Team, immerhin hat man auch vier Jahre Zeit, um sich aufeinander einzustellen. Ein Mädchen kommt auf einem Roller. "Bitte absteigen und schieben", sagt Erbe zu der Schülerin. "Das war eine neue", ist sie sich sicher. Tatsächlich steigen sonst alle Kinder von allein ab, wenn sie sich mit dem Rad oder Rollen der Kreuzung nähern.

Ein Polizeiwagen hält neben Erbe. Normalerweise werden die Schulweghelfer an den ersten Tagen zur Unterstützung von Polizisten begleitet. Heute geht das nicht, denn der Polizist, der an der Kreuzung Dienst tun sollte, ist krank. Deshalb muss nun ein Kollege auf die Querung in einigen Hundert Metern Entfernung aufpassen. Es gibt nicht mehr viele Helfer für die Schulwege in Germering. Fällt jemand aus, so fehlt an einer Stelle ein Helfer der Kinder. Umso mehr ist die Stadt angewiesen auf Ehrenamtliche wie Heike Erbe.

Seit fünfzehn Jahren hilft Erbe Grundschulkindern, sicher die Straße überqueren können. Darauf gekommen ist die 54-Jährige durch ihren eigenen Nachwuchs. Es war der erste Schultag, ihre Kinder wollten zum Unterricht, als die Ampel ausfiel. Keines der Autos hielt an, um die jungen Verkehrsteilnehmer die Straße überqueren zu lassen. Weinend, erinnert sich Erbe, seien ihre Kinder nach Hause zurückgekommen. Also fuhr sie sie mit dem Auto zum Unterricht. "Da habe ich mir gedacht: Wenn es eine Möglichkeit gibt, den Schülern auf dem Weg zur Schule zu helfen, dann möchte ich das machen." Nachdem sie wegen der Kinder ihren Beruf als Versicherungsangestellte niedergelegt hatte, suchte sie ohnehin nach einer Aufgabe. Nun steht sie jeden Tag hier. Früh von halb acht bis kurz vor um acht und mittags von halb zwölf bis um eins. Zwischendurch schwingt sie sich auf ihr Fahrrad und dreht eine Runde. "Ich bin gern draußen. Aber man steht hier nicht nur bei Sonnenschein, sondern auch bei Regen und Kälte." Die Kinder danken es ihr, und auch in der Stadt hat sie einen gewissen Bekanntheitsgrad erworben. "Wenn ich Einkaufen gehe oder zum Arzt, dann gibt es viele, die mich erkennen und ansprechen." Auch die Gemeinde ist dankbar und lädt die Helfer einmal im Jahr zum gemeinsamen Frühstück ein. Dort tauschen sie sich dann über ihre Erfahrungen aus.

Die Erfahrungen, die Erbe macht, sind positiv. Weder mit den Kindern noch mit den Autofahrern gibt es Probleme. Es kommt sehr selten vor, dass einer noch bei "Rot" fährt, etwas öfter sind es die Fahrradfahrer, die sich unachtsam verhalten. Da hält sie dann auch schon mal die Kelle raus. Aber schlimme Vorkommnisse gebe es keine. Sie passt auf, und die Kinder folgen. "Zum Ende der Ferien hin freut man sich dann auch schon wieder auf das neue Schuljahr", gibt sie schmunzelnd zu. Ihre Ferien kommen allerdings erst noch, dann ist sie einige Zeit nicht da, um die Kinder über die Straße zu begleiten. Während dieser Zeit bleibt ihre Stelle unbesetzt - denn Ersatz gibt es keinen.

© SZ vom 19.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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