Germering:Mit Humor gegen Hass und Vorurteile

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Die Prostituierte Babsi (Daniela Ackermann) soll Tom Fröhlich (Alexander Schleißinger) und seinen Lebensgefährten auf "den rechten Weg bringen". (Foto: Carmen Voxbrunner)

Das Theater im Roßstall inszeniert den Konflikt eines Homosexuellen mit seinem Vater

Von Anna Landefeld-Haamann, Germering

Es sei ein Desaster. Eine mittelschwere Katastrophe und unglaublich blöd gelaufen. "In meinen ganzen Jahren als Theatermensch - und es sind im Roßstall beinahe 30 - musste noch nie, noch nie, eine Premiere ausfallen", erzählt der sichtlich aufgebrachte Theaterleiter Willi Hörmann und haut mit der flachen Hand auf einen der langen Wirtshaustische im Zuschauerraum. Eigentlich sollte die Komödie "Norman, bist du es?" von Ron Clark und Sam Bobrick bereits am vergangenen Freitag zum ersten Mal im Germeringer Roßstall aufgeführt werden. Daraus wurde nichts. Ausgerechnet der Hauptdarsteller Daniel dell Aquia erkrankte ein paar Tage vorher, und Hörmann sagte die Premiere schweren Herzens ab. "Was soll's", brummt er und zuckt mit den Schultern. Wahrscheinlich ahnt er schon, dass bis zum neuen Termin an diesem Samstag noch lange Abende auf die elfköpfige Roßstall-Truppe zukommen.

Vor allem für einen könnte es besonders intensiv werden. Erst am Montag erhielt Rene Prock den Anruf seines Schwiegervaters Willi Hörmann. ("Ob er sich nicht vorstellen könne und so weiter. So ganz spontan. Nur für die ersten beiden Abende, erst einmal.") Gelegenheit, einen Blick in das Textbuch des knapp 90-minütigen Zweiakters zu werfen, hatte Prock bislang noch nicht. "Ich werde lernen und das Buch nachts unters Kopfkissen legen", scherzt Prock, außerhalb der Roßstall-Bühne Lehrer und langjähriges Ensemblemitglied des Resistenz Theaters Germering. "Wahrscheinlich bin ich aber selbst dann für die anderen nichts weiter als jemand, den man halt irgendwie anspielt und der Stichwörter gibt", sagt er und ist damit vielleicht eine Spur zu bescheiden. Denn was er in den ersten Minuten der Probe abliefert, lässt deutlich erkennen, dass der Samstag, allen Widrigkeiten zum Trotz, auf keinen Fall das heraufbeschworene Desaster werden wird.

Schon jetzt nimmt man Prock diesen Norman Wolters ab, der gerade zu Beginn des Stückes, leicht hyperventilierend und nach Worten und einem Ausweg aus der vermeintlich ausweglosen Situation ringend, über die Bühne läuft. Norman Wolters, der sich vor Jahren von seinen provinziellen Spießereltern mit der Reinigungsfirma lossagte und seitdem mit seinem Lebensgefährten Tom Fröhlich (Alexander Schleißinger) in der hippen Großstadt in einer noch hipperen Wohnung lebt - bis zu jenem Morgen, um halb acht: Denn da steht plötzlich sein Vater Bernhard Wolters (Willi Hörmann) vor der Tür - in vollem Ornat des alternden Kleinbürgers: Schwarze Schnürschuhe zur senfgelben Stoffhose, psychedelischer Bill-Cosby-Pullover, darunter steckt der Hemdskragen natürlich nicht drinnen, sondern draußen, Trenchcoat, Opahut und Rollkoffer. Seine Frau Betina (Gabriele Misch) hat ihn verlassen, noch dazu für seinem Bruder Julius, und Bernhard Wolters versteht nicht warum: "Glaubst du, wenn ich sie nicht geliebt habe, hätte ich sie an die Registrierkasse gelassen?" Frauen seien hinterlistige Sirenen, man solle weg von ihnen bleiben, rät er seinem Sohn. Das nennt man dann wohl Ironie, denn der alte Wolters hat keinen blassen Schimmer von der Liebesbeziehung seines Sohnes Norman zu einem Mann. Wenn es nach Norman geht, soll das auch so bleiben. "Es ist nicht der richtige Zeitpunkt. Nicht noch eine schlimme Nachricht für meinen Vater", stammelt er. Tom ist entsetzt und wird darauf hin auch noch wie ein heikler Liebhaber ins Badezimmer bugsiert. Angeblich nur kurz, denn der Vater verschwinde hoffentlich bald. Nichts da, denn Bernhard Wolters sortiert schon mal seine Hemden und Hosen in den Schrank ein und hat die Miniatur von Michelangelos nackten David angeekelt aus seinem Blickfeld entfernt. So nimmt ein boulevardeskes Schauspiel seinen Lauf, in dem das chauvinistisch-homophobe Weltbild des Bernhard Wolters gehörig bereinigt wird.

"Wir leben in einer vermeintlich offenen Gesellschaft", sagt Hörmann und erklärt, weshalb er sich für die Komödie entschieden hat, die bereits 1970 in New York uraufgeführt wurde. Es gebe immer noch genug Menschen, die mit Homosexualität ein Problem hätten. Und gegen Hass und Vorurteile käme man am besten mit Humor an.

Der neue Premierentermin für "Norman, bist du es?" ist Samstag, 29. Oktober. Beginn ist um 20 Uhr, im Roßstall Germering. Danach bis zum 11. Dezember jeweils samstags (20 Uhr) und sonntags (19 Uhr) sowie am Freitag, 2. Dezember, um 20 Uhr. Weitere Termine im Januar werden noch bekanntgegeben.

© SZ vom 27.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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