Germering:Lauwarmes Wiener Blut

Wiener Blut

In den ersten beiden Akten vermittelt das Bühnenbild noch eine angenehme Spielatmosphäre, im Schlussakt gleichen die Lauben mit simplen Vorhängen eher schamhaft versteckten Abstellkammern.

(Foto: Günther Reger)

Zum Jahresausklang vermag es die Strauß-Operette nicht, die Besucher der Stadthalle in eine ausgelassene Stimmung zu versetzen. Das Ensemble des Thalia Theaters erntet wohlwollenden Applaus

Von Karl-Wilhelm Götte, Germering

Mit der Operette in der Germeringer Stadthalle beginnt der Silvesterabend - oder er endet dort sogar kurz vor Mitternacht. Dieses "Vorspiel" vor der Jahreswende hat sich in Germering fest eingebürgert, fast schon so wie der Fernsehsketch "Dinner for One". Erneut war zum beschwingten Jahresausklang das Ensemble des Wiener Thalia-Theaters angereist; zusammen mit der Kammeroper Prag. Präsentiert wurde diesmal "Wiener Blut" in der gewohnten Doppelvorstellung. Schon die Nachmittagsaufführung ist gut besucht gewesen, die am Abend ist dann restlos ausverkauft. Leider verspricht der Titel der Operette mehr, als die Geschichte des Stücks halten kann. Die eher fade Verwechslungsposse blieb lauwarm und brachte das Wiener Blut in Germering nicht zum Kochen.

Historischer Hintergrund der Operette ist der Wiener Kongress von 1814/15, der angeblich kaum tagte, dafür umso mehr tanzte. Und genau bei diesem Tanzen soll angeblich der Walzer erfunden worden sein. Hauptakteur des Stücks ist Balduin Graf Zedlau, der als Wiener den Schlawiner gibt, der jedem weiblichen Rock hinterher rennt. Ehefrau Gabriele drückt bei seinen Affären offenbar alle Augen zu. Auch wer "Wiener Blut" nie gesehen hat, dem kommt die Stück bekannt vor. Kein Wunder, denn die Musik ging dem Bühnenwerk voraus.

Johann Strauß junior (auch oft mit doppeltem S geschrieben), der Komponist der beschwingten Operette, war bei der Fertigstellung des Bühnenwerks nur beratend tätig. Das Libretto stammt von Victor Léon und Leo Stein. Die Texte wurden den eingängigen Melodien nachträglich unterlegt, weshalb sie oft recht simpel ausfallen mussten. Für die Zusammenstellung und Bearbeitung war Adolf Müller junior zuständig, seines Zeichens Kapellmeister; dabei verwendete er geschickt rund drei Dutzend Straußsche Werke, darunter längst bekannte Walzer und Märsche.

Strauß erlebte die Uraufführung im Jahr 1899 nicht mehr; deren Misserfolg trieb den Direktor des Wiener Carltheaters in den Selbstmord - hatte sich doch seine Hoffnung zerschlagen, den drohenden Konkurs mit der Verwechslungskomödie abwenden zu können. Erst später trat "Wiener Blut" seinen Siegeszug in der Welt der Operette an. Die Verwirrungen und Verwechslungen rund um die amourösen Abenteuer des Grafen Zedlau, Gesandter von Reuß-Schleiz-Greiz, mussten ja ebenfalls zur vorliegenden Musik im Nachhinein erfunden werden; da gab es kaum Spielraum für außergewöhnliche Einfälle.

Statt der verworrenen Handlung zu folgen, gaben sich am Silvesternachmittag in der Germeringer Stadthalle einige Zuschauer mit geschlossenen Augen lieber dem Musikgenuss hin. Auch wenn Regisseur Wilhelm Schupp und Ausstatter Andreas Las sich um optische Genüsse bemüht haben und Dirigent Norbert Baxa seinen Beitrag zur fröhlichen Silvesterstimmung leistete.

Noch dem ersten Akt gab es wohlwollenden Applaus des Publikums. "Aber so richtig springt der Funke nicht über", sagte eine Zuschauerin in der Pause. "Ja, a bissl lätschert is' scho", fügte ihre Sitznachbarin hinzu. Die Operette nahm nach der Pause etwas Fahrt auf, besonders für die schwungvoll vorgetragene Titelarie sind die Besucher dankbar. Trotzdem stellt sich Ausgelassenheit nicht ein. Michael Kurz in der Casanova-Rolle des Grafen Zedlau hinterließ als Tenor keinen bleibenden Eindruck. Seine Frau Gabriele, Elena Schreiber, überzeugte mit schönem, vollem und klarem Sopran sowie beachtlicher Bühnenpräsenz. Kerstin Grotrian als Tänzerin Franziska Cagliari kam in den Gesangs- und Sprechpassagen gelegentlich etwas zu schrill rüber. Grenzwertig waren einige platte Witze und mitunter der Text, wenn die "Probiermamsell" als "Probierpuppe" bezeichnet oder erotisches Werben mit "fest einheizen, dem Braten" angefeuert wird. Das Bühnenbild schuf in den ersten beiden Akten eine schöne Spielatmosphäre. Die Lauben im Hietzinger Casinogarten im dritten Akt gleichen mit ihren simplen Vorhängen schamhaft versteckten Abstellkammern, die nicht zum Turteln einluden.

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