Germering:Komplexes Zusammenspiel

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Fein austariertes Duett: Die Geigerin Midori Goto und der Pianist Özgür Aydin überspielen die ungenügende Akustik des Orlandosaals. (Foto: Günther Reger)

Gastspiel der Geigerin Midori Goto und des Pianisten Özgür Aydin

Von KLAUS MOHR, Germering

Auf der großen, leeren Bühne des Orlandosaals in der Stadthalle standen ein Flügel samt Pianist sowie davor eine kleine, zierliche Geigerin. Die äußeren Kennzeichen des Duoabends mit Midori, der bekannten Geigerin, die mit vollem Namen Midori Gotō heißt und 1971 in Japan geboren wurde, und des Pianisten Özgür Aydin waren recht unspektakulär. Von der Saalakustik her blieb die Situation den ganzen Abend unbefriedigend: Die Weite des Raums bot dem Klang wenig Möglichkeiten, sich darin zu entfalten. Insofern waren die Flüchtigkeit des Klangs und der minimale Nachhall die größten Feinde musikalischer Bögen. Rechnet man diese Umstände ein, dann muss die Interpretationskraft der beiden Künstler noch mehr beeindrucken. Hinzu kommt, dass sie sich kein ganz einfaches Programm gewählt hatten, das den Hörerwartungen unmittelbar entgegengekommen wäre. Das Publikum jedoch verfolgte das Konzert mit größtem Interesse und hoch konzentriert. Und anders als sonst waren auffallend viele junge Zuhörer da.

Das erste Stück war quasi eine Komposition von drei Musikern: Franz Schubert schrieb Walzer für Klavier, Franz Liszt bearbeitete einzelne seiner Stücke im Hinblick auf eine paraphrasierende Virtuosität, und der Geiger David Oistrach formte daraus effektvolle Duostücke für Violine und Klavier. Die zuletzt genannte Fassung, die hier zu hören war, lebte durchgängig von Schuberts unendlichen Melodien und seinen vorsichtigen Anklängen an den Wiener Schmäh. Hinzu kamen variierend hinzugefügte, wie fein ziseliert wirkende Erweiterungen in der Geige. Aus der harmonischen Stütze des Klaviers wurde ein mitunter glitzerndes Tastenspiel als Erbe aus Liszts Bearbeitung.

Edward Elgars Sonate für Klavier und Violine in e-Moll op. 82 lässt in ihrem freundlichen Grundton nichts spüren vom bedrückenden Weltgeschehen des Entstehungsjahrs 1918. Der Kopfsatz (Allegro) geriet charakterlich in den unterschiedlichen Passagen ganz differenziert und reichte von gefällig schmeichelndem Ton bis zum vehementen Zugriff mit deutlichem Körpereinsatz bei der Geigerin. In Feinabstimmung beider Musiker gelangen auch fulminante Steigerungen. Die Romance wurde ihrem Titel mehr als gerecht durch den sinnlichen, variabel vibrierten Ton bei der Geigerin und die fast harfenartig perlende Begleitung im Klavier. Arnold Schönbergs Phantasie für Violine mit Klavierbegleitung op. 47 aus dem Jahr 1949 war hier eine sorgsam austarierte Kammermusikkomposition, in der immer wieder Impulse von einem Partner gesetzt und vom anderen aufgenommen wurden. Im komplexen Zusammenspiel dominierte der Ausdruck, und aus der Zwölftönigkeit der Anlage erhob sich öfter ein deutlich tänzerisches Moment.

Von Richard Strauss gibt es nur wenige Kammermusikwerke, darunter seine Sonate für Violine und Klavier op. 18. Dieser Geniestreich des 23-jährigen Strauss erfuhr hier eine Art klanglicher Weitung: Die Musiker zauberten mit ihrer Interpretation im Eingangssatz die Farben eines ganzen Orchesters, so dass man fast meinte, Ausschnitte aus seinen späteren Opern zu hören. Der spätromantische Gestus der Improvisation steigerte sich im Finale zur fast hymnischen Melodienseligkeit. Mit Edward Elgars "Salut d'amour" als Zugabe kehrten die beiden Musiker zu einem Komponisten aus der ersten Konzerthälfte zurück, überzeugten aber mit diesem oft als Schmachtfetzen interpretierten Stück insbesondere durch ihr feinsinniges Musizieren.

© SZ vom 12.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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