Germering:Berührende Aktion

Germering: "Hug me" - Berühr mich!, so lautet die Aufforderung auf den T-Shirts, die der Hautarzt Claus Jung und sein Team am Donnerstag tragen werden.

"Hug me" - Berühr mich!, so lautet die Aufforderung auf den T-Shirts, die der Hautarzt Claus Jung und sein Team am Donnerstag tragen werden.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Warum der Germeringer Dermatologe Claus Jung an diesem Donnerstag wildfremde Menschen auf der Straße umarmen will

Von Christian Hufnagel, Germering

Würde auf der Straße ein Mensch jeden, der ihm begegnet, umarmen wollen, dauert es wohl nicht lange, bis er als Erregung öffentlichen Ärgernisses aus dem (Fußgänger-)Verkehr gezogen wird. Claus Jung hat nun nicht gerade vor, als verhaltensauffällig eingestuft zu werden. Und trotzdem wird der Germeringer am Donnerstag, 21. Januar, genau auf diese Weise die Nähe zu wildfremden Passanten suchen. Dem nicht genug, kündigt der Hautarzt die Aktion auch noch an und nimmt sein ganzes Team in gleichgesinnter Einstellung dazu mit. Wer also zwischen 12:30 und 14:30 Uhr zufällig vor seiner Praxis in der Unteren Bahnhofstraße 42 vorbeikommt, kann sich einer unerwarteten Umarmung schon so gut wie sicher sein.

Nun hat sich der Dermatologe nicht eine öffentlichkeitswirksame Aktion einfallen lassen, um zu mehr Patienten zu gelangen. Bei seinem Fach und Renommée bräuchte er das wohl auch nicht. Nein, der 54-Jährige nimmt nur den alljährlichen Internationalen Tag der Umarmung, der am 21. Januar wieder weltweit abgehalten wird, zum Anlass, um "eine emotionale Aufklärungskampagne" über die Schuppenflechte zu starten, wie die Pressemitteilung seines Berufsverbandes formuliert. Und weiter: Hautärzte und Selbsthilfeorganisationen wollten damit in den nächsten zwölf Monaten unter dem Motto "Bitte berühren" Zeichen setzen: gegen Distanzierung für mehr Nähe.

Dass sich der Germeringer Hausarzt als einziger seiner Kollegen im Landkreis daran beteiligt, hat einen Hintergrund: "Wir sind eine Schwerpunktpraxis, was die Schuppenflechte betrifft", sagt er und schätzt den Anteil dieser Patienten auf 15 Prozent. Aus seinen Erfahrungen weiß Jung eben, dass Menschen mit dieser Hauterkrankung auch in aufgeklärten Zeiten mit vielen Vorurteilen der Mitmenschen zu kämpfen haben: "Was auf der Haut unschön aussieht, wird schnell als gefährlich und ansteckend eingestuft." Die Folge: Wer unter Schuppenflechte leide, werde stigmatisiert und müsse sich oft alleine fühlen. Den Internationalen Tag der Umarmung findet er deshalb sehr passend, schließlich macht dieser auf ein Problem der Wohlstandsgesellschaft aufmerksam: "Die sozialen Kontakte verarmen immer mehr", benennt es Jung. Und was die Schuppenflechte angeht, will der Dermatologe Betroffenen Mut machen, Körperkontakt wieder zulassen zu können und den Hautarzt aufzusuchen: "Dank moderner, nebenwirksamarmer Therapien können selbst schwere Fälle innerhalb weniger Wochen eine sichtbare Besserung der Krankheitszeichen erwarten", ermutigt Klaus Strömer, Präsident des Berufsverbandes der Deutschen Dermatologen.

Der Germeringer Kollege und sein Team sind dabei buchstäblich Hoffnungsträger. Jung hat für die Aktion extra weiße T-Shirts mit dem Aufdruck "Hug me" anfertigen lassen. Die Aufforderung zur Umarmung allein mag am Donnerstag in der Unteren Bahnhofstraße schon für Aufsehen sorgen und die Passanten in eine Ahnung versetzen, was da auf sie zukommt. Hinterrücks überfallen soll auch niemand werden: "Wir sprechen die Menschen natürlich vorher an", versichert der Hautarzt, der auf die Reaktionen des Knuddelangebots schon sehr gespannt ist. In jedem Fall wird es eine berührende Aktion.

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