Vortrag:Alles relativ

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Zum 100. Geburtstag Einsteins berühmtester Theorie spricht Astrophysiker Günther Hasinger am Max-Born-Gymnasium über Galaxien und GPS

Von Christoph Kaindl, Germering

Um Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie zu erklären, greift Günther Hasinger zu einem Gedankenexperiment: Zwei Personen lassen in einem geschlossenem Raum einen Ball auf den Boden fallen. Die eine Person befindet sich auf der Erde, die andere an Bord einer beschleunigenden Rakete. Bei beiden fällt der Ball auf den Boden. "Physikalisch lässt sich in einem geschlossenem System nicht unterscheiden, ob eine Beschleunigung wirkt oder die Anziehungskraft einer großen Masse", zieht Hasinger den Schluss. Dieser ist als "Äquivalenzprinzip" bekannt. Es ist Mittwoch Abend. Die Halle 4 des Max-Born-Gymnasiums ist voll besetzt: Etwa 200 Menschen sind gekommen. Sie wollen Günther Hasinger über die Allgemeine Relativitätstheorie sprechen hören. In seinem Grußwort wies Direktor Robert Christoph auf die lebenslange Freundschaft zwischen Max Born und Albert Einstein hin. Es sei eine große Ehre, dass Günther Hasinger einen Vortrag hier halte.

Der Astrophysiker Hasinger ist Direktor des "Institute of Astronomy" in Hawaii. Dieses besitzt im weltweiten Vergleich ausgezeichnete Geräte. Zuvor leitete er unter anderem das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik. Dies sei eine sehr große Auszeichnung für einen Physiker, betonte Physiklehrer Eckart Werner-Forster. Vor Kurzem reiste Günther Hasinger extra von Hawaii nach Deutschland, um Vorträge wegen des 100. Geburtstags der Allgemeinen Relativitätstheorie zu halten.

Eineinhalb Stunden lang führte Hasinger seine Zuhörer anspruchsvoll, abwechslungsreich und ansprechend durch Einsteins Theorie und deren Auswirkungen auf die heutige Welt.

Hasinger begann mit einem kurzen Einblick in die Spezielle Relativitätstheorie und stellte dar, dass Zeit nicht überall gleich schnell verläuft: Je schneller sich ein System bewegt, desto langsamer vergeht in ihm die Zeit. Anschließend erklärte er den Zuschauern das Äquivalenzprinzip der Allgemeinen Relativitätstheorie. Dieses gilt auch für Licht: Fällt ein waagrechter Lichtstrahl durch einen schmalen Spalt in eine beschleunigende Rakete, so wird der Lichtstrahl gekrümmt. Denn die Rakete hat sich bereits weiterbewegt, während der Lichtstrahl noch in ihr unterwegs war. "Das gleiche ist bei einem festen Raum auf der Erde mit schmalem Lichtschlitz der Fall", führte Hasinger aus. Denn laut Äquivalenzprinzip rufen Beschleunigung und Erdanziehungskraft die gleichen Effekte hervor.

Die Krümmung des Lichts durch Objekte mit großer Masse lässt Astronomen interessante Beobachtungen machen: "Bei einer Sonnenfinsternis kann man deswegen Sterne erkennen, die eigentlich hinter der Sonne sind", so Hasinger aus. Diesen Effekt sagte Einstein voraus. Gezeigt wurde er erstmals 1919 durch den Engländer Sir Arthur Stanley Eddison. Dieser sei Kriegsdienstverweigerer gewesen. Statt in den Krieg wurde er auf Sonnenbeobachtung geschickt. Die Engländer wollten die ersten sein, die einen Beweis für Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie brachten.

Gravitation entsteht laut Einstein durch eine Krümmung der sogenannten Raumzeit durch sehr schwere Objekte. Die Schwarzschild'sche Gleichung für die Raumzeit brachte Hasinger anschließend ins Spiel. Diese spielt bei der Betrachtung von Schwarzen Löchern eine große Rolle: So lässt sich aus ihr folgern, dass innerhalb eines Schwarzen Lochs die Zeit raumartig und der Raum zeitartig wird. "Was das genau bedeutet, weiß ich allerdings auch noch nicht", fügte Hasinger lächelnd hinzu. Anschließend erzählte er von einem weiteren interessanten Effekt von Schwarzen Löchern: Näherte sich zum Beispiel ein Astronaut einem Schwarzen Loch, dann würde er immer röter erscheinen, da sich das Farbspektrum in der Nähe von Schwarzen Löchern verändert. Gleichzeitig würden die Bewegungen des Astronauten immer langsamer werden.

Doch wie erkennt man Schwarze Löcher eigentlich? Hilfreich sind Doppelsternsysteme mit einem Schwarzen Loch. Um dieses bewegt sich viel Masse mit hoher Geschwindigkeit. Durch die Geschwindigkeit entsteht Hitze, Hitze wiederum bringt die Materie zum Leuchten. Dieses Licht kann dann von Astronomen aufgefangen werden. Später ging Hasinger noch auf einen Spezialfall ein: Stoßen zwei Galaxien mit schwarzen Löchern im Zentrum zusammen, können die schwarzen Löcher beginnen, umeinander zu kreisen. Treffen die beiden Schwarzen Löcher irgendwann aufeinander, wird die Raumzeit erschüttert und sogenannte Gravitationswellen werden freigesetzt. Der Nachweis von diesen steht allerdings noch aus.

Auch für die genaue Positionsbestimmung per GPS ist die Allgemeine Relativitätstheorie unerlässlich. Denn für die Positionsbestimmung senden mehrere Satelliten ihre momentane Uhrzeit. Dafür ist es allerdings notwendig, alle Uhrzeiten exakt anzugleichen. Dies kann nur mithilfe der Relativitätstheorie geschehen, die mithilfe der Schwerkraft und Geschwindigkeit der Satelliten das unterschiedlich schnelle Vergehen der Zeit erklärt. Und so wird klar, die Relativitätstheorie betrifft uns alle ganz unmittelbar.

© SZ vom 27.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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