Geothermie:Ein Restrisiko bleibt

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Wissenschaftler halten das Projekt in Puchheim für machbar. Sie sind sich aber einig, dass dadurch Erdbeben ausgelöst werden können

Von Peter Bierl, Puchheim

Prinzipiell kann eine Geothermie-Anlage in Puchheim Erdbeben auslösen. Darin sind sich die Experten einig. Der Untergrund ist genauso beschaffen wie in Poing. Die Mikrobeben dort im Sommer haben Anwohner in Puchheim alarmiert, die um ihre Häuser fürchten. Die Geophysiker Inga Moeck vom Leibniz-Institut für Angewandte Geophysik in Hannover und Joachim Wassermann vom Geophysikalischen Observatorium in Fürstenfeldbruck fordern ein Netz von Messstellen, das von einer neutralen Stelle betrieben werden muss. Einig sind sich beide Wissenschaftler auch darin, dass kein Eingriff in den Untergrund ohne Folgen bleibt. Über Wahrscheinlichkeit und Ausmaß von Beben sowie die Gefahr von Schäden sind sie jedoch unterschiedlicher Auffassung.

In Bayern kommen pro Jahr etwa 200 Beben vor, die meisten sind nicht zu spüren. Erschütterungen einer Stärke von 0,5 bis eins auf der Richterskala treten sowohl natürlich auf als auch an Geothermie-Standorten auf, sie richteten in Bayern aber bislang keine Schäden an, sagt Wassermann. In Unterhaching habe man fünf Beben jenseits der Stärke 2 registriert, in einem Fall sogar 2,4, aber es sei keine Schadensmeldung eingetroffen. In Poing lag die Stärke zweimal jenseits von zwei, es gab einen extrem lauten Knall und Fenster klirrten, berichtet er.

Inga Moeck vom Leibniz-Institut für Angewandte Geophysik in Hannover. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Für beide Experten ist der Zusammenhang in Poing zwischen Geothermie und Erdbeben evident, wobei Moeck betont: "Es gibt keine Kausalkette, aber die Vermutung liegt nahe." Wassermann verweist darauf, dass die Störungszone in Puchheim anders gelagert sei als in Poing, weshalb die Gefahr, ein Beben auszulösen, geringer einzustufen sei. Gemeint sind Brüche in der Kalksteinschicht, die bei Geothermieprojekten angezapft werden. Die Firma Exorka, die in Puchheim bohren will, nimmt an, dass der Bruch in Puchheim steil, der in Poing dagegen flach ist. "Das ist deutlich günstiger als in Poing", sagt Wassermann. Dennoch sei ein Beben nicht ausgeschlossen. Moeck hält dagegen, dass die Brüche in Unterhaching auch "ziemlich steil" seien. "Wir wissen nicht, wieso an einigen Standorten Beben auftreten und an anderen nicht", warnt Moeck. Niemand habe vorher in Poing ein Beben erwartet, zumal die Anlage seit Jahren in Betrieb ist. "Das sagt mir, es laufen Prozesse ab, die wir nicht kennen und erst einmal untersuchen müssen", sagt sie. Diese Prozesse seien komplex, die Beschaffenheit des Untergrunds, die vorhandene Spannung dort, aber auch die Chemie und Temperatur des Wassers sowie der Druck, mit dem es wieder nach unten gepumpt wird, spielen eine Rolle.

Wassermann schlägt ein Ampelsystem vor. Solange es nur kleine Beben gibt, sei alles im grünen Bereich, ab etwa 1,3 müsse man Erschütterungen melden und wenn Beben der Stärke 2 auftreten, das Volumen der Anlage runterfahren. Wird es heftiger, schaltet die Ampel auf Rot und der Betrieb wird eingestellt.

Bei vernünftiger Überwachung und Planung sei Geothermie akzeptabel, sagt Wassermann. Zwar bleibe ein Restrisiko, aber dieses sei "relativ gering und kalkulierbar". Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Beben der Stärke 2,5 auftritt, hält er für "klein", selbst dann würden noch keine Schäden an den Wannen auftreten. Beben in einer Stärke, bei der in Gebäudewannen, in denen viele Häuser in Puchheim stehen, Risse entstehen, hält Wassermann für unwahrscheinlich. Moeck ist sich da nicht so sicher. Ihrer Ansicht nach wäre es falsch, nur die Magnitude zu berücksichtigen. In Puchheim war früher ein Moor, der Boden ist weich. "Das kann Beben verstärken", warnt sie. Das Ziel müsse sein, "spürbare Beben" zu vermeiden.

Moeck fordert Untersuchungen des Bodens und eine Gefährdungsanalyse, die den Besonderheiten des Puchheimer Untergrunds gerecht werden. Damit könne man ermitteln, was bei einem Beben einer bestimmter Stärke und Tiefe an der Oberfläche passiert.

Die Geophysikerin kritisiert den Umgang der Stadt mit den Ängsten der Anwohner. Als "Kommunikationsdesaster" bezeichnet Moeck die Informationsveranstaltung der Kommune, auf der Bürger kein Rederecht hatten und nur Fragen auf Zetteln einreichen konnten. Ihrer Ansicht nach müssen Veranstaltungen mit den Bürgern zusammen gestaltet werden, sinnvoll wäre ein runder Tisch. Auch die Nutzung erneuerbarer Energien habe Folgen und berge Risiken. Mit den Folgen dürfe man die Betroffenen nicht allein lassen.

Eine Informationsveranstaltung der Bürgerinitiative findet am Montag, 26. Februar, von m 20 Uhr an in Takis Taverne, Bürgermeister-Ertl-Straße 7a in Puchheim statt.

© SZ vom 26.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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