Gemeinsam sind wir stark:Wohnraum als Gemeinschaftsaufgabe

Damit in naher Zukunft mehr bezahlbare Wohnungen zur Verfügung stehen, sollen Kommunen, Bauunternehmen, Genossenschaften und Privatinvestoren besser kooperieren. Eine Tagung in Fürstenfeld versucht, Wege aufzuzeigen

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Eine Henne verkauft keine Eier mehr, weil die Nachfrage gesunken ist. Also tut sie sich mit einem Schwein zusammen, um "Ham and Eggs" anzubieten. Als Mario Dalla Torre das erzählt, sind im Auditorium die ersten Lacher zu hören. Das Schwein aber riecht den Braten und damit die Gefahr, dass es als Schinken nicht überleben wird. Daraufhin sagt die Henne: So ist das bei Kooperationen, einer bleibt auf der Strecke! Amüsiert verabschieden sich knapp 300 Vertreter von Städten und Gemeinden, Wohnungsunternehmen und Baugenossenschaften, die im kleinen Saal des Fürstenfelder Veranstaltungsforums zu einer Fachtagung zum Thema Wohnraumförderung zusammengekommen sind, in die Pause.

Bei der Tagung geht es um die Möglichkeit, durch Kooperationen von Wohnungsunternehmen, Genossenschaften und Privatinvestoren zu mehr Wohnraum in Bayern zu kommen. Das Fazit von Dalla Torre, seit 19 Jahren Vorstand bei der Bau- und Siedlungsgenossenschaft (BSG) Allgäu, fällt dann auch weit positiver aus als in seiner tierischen Erzählung. So wie in der Anekdote dürfe es natürlich nicht sein, wenn sich verschiedene Akteure aus der Wohnungswirtschaft zusammenschlössen, sagt er: "Wir aber haben nur gute Erfahrungen mit unseren Partnern gemacht."

Bruck: SOZIALER WOHNUNGSBAU / GWB-Siedlung Ettenhofer Strasse

Auch im Landkreis fehlen Wohnungen mit günstigen Mieten. Unser Bild zeigt die GBW-Wohnungen an der Ettenhofer Straße in Fürstenfeldbruck.

(Foto: Johannes Simon)

Ohne entsprechende Zusammenarbeit wird der große Bedarf an bezahlbarem Wohnraum nicht zu bewältigen sein, das war die Botschaft der von den Regierungen von Oberbayern und Schwaben gemeinsam ausgerichteten Tagung. Der Zuzugsdruck auf Südbayern und vor allem auf den Großraum München ist riesig und wird Fachleuten zufolge weiter anhalten. Allein die Stadt Fürstenfeldbruck wird ihre Einwohnerzahl von 2014 bis 2021 laut Prognose um zehn Prozent gesteigert haben. Gleichzeitig wird die Zahl der Sozialwohnungen zurückgehen - von 920 im Jahr 2006 auf gerade mal 295 im Jahr 2023, rechnet Stadtbaurat Martin Kornacher vor. 2015 wurden an Brucker Bürger insgesamt 255 Wohnberechtigungsscheine ausgegeben, mit deren Hilfe sie nachweisen können, für den Bezug einer Sozialwohnung berechtigt zu sein. Lediglich 25 Personen davon - zehn Prozent - bekamen im Anschluss tatsächlich eine Sozialwohnung. "Für die anderen war es umsonst", sagt Kornacher, "obwohl sie die Wohnung genau so dringend bräuchten". Zwei Drittel von ihnen lebten in Ein- oder Zwei-Personen-Haushalten. "Bei den Baustrukturen müssen wir darauf Rücksicht nehmen", sagt Kornacher: "Das klassische Einfamilienhaus ist da nicht die richtige Lösung."

Das Problem des Wohnungsmangels ist bekannt, doch auf herkömmlichen Wegen nicht zu bewältigen. "Der Mangel an geeigneten Grundstücken ist das größte Hindernis", sagt Brigitta Brunner, Regierungspräsidentin von Oberbayern. Städte und Gemeinden hätten aber durchaus Handlungsspielräume, um die richtigen Rahmenbedingungen für bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, betont Brunners Kollege aus Schwaben, Wolfgang Pazdior. Welche das sein können, erläutert Martin Kornacher. Die Stadt Fürstenfeldbruck hat sich demnach darauf verständigt, dass bei der Schaffung von Baurecht ein Anteil von 40 Prozent dem öffentlich geförderten Wohnraum vorbehalten werden muss. Außerdem wolle die Stadt selbst Belegungsrechte ankaufen, Anreize geben für alternative Wohnkonzepte und selbst günstige Mietwohnungen vor allem für städtische Bedienstete errichten. Die entsprechende finanzielle Unterstützung aus dem Förderprogramm "Wohnungspakt Bayern" abzurufen, das rät Roman Dienersberger, Leiter Sachgebiet Wohnungswesen bei der Regierung von Oberbayern, den Anwesenden.

Fachtagung Wohnbau

Viele Bürgermeister aus dem Landkreis sind gekommen, darunter die von Emmering und Fürstenfeldbruck, Michael Schanderl (vorne links) und Erich Raff (Vierter von links), sowie Brucks Stadtbaurat Martin Kornacher (Zweiter von links).

(Foto: Johannes Simon)

Zu möglichen Maßnahmen zählt Kornacher auch die Gründung einer städtischen Wohnbaugesellschaft, was aber mangels Bodenbevorratung in der Vergangenheit nun schwierig sei. Und so warnt er davor, "darauf allein alle Hoffnungen zu setzen". Auch ein Einheimischenmodell werde geprüft, allerdings würden die dafür notwendigen kleinen Parzellen dem großen Bedarf an Wohnraum widersprechen. Kornacher nennt auch die Möglichkeit, mit bauwilligen Partnern städtebauliche Vereinbarungen abzuschließen. Er fügt aber auch an: "Damit wir uns nicht missverstehen: Der Stadtrat hat auch dabei sehr wohl eine hoheitliche Vorstellung davon, wie sich die Stadt entwickeln soll."

Kooperationen, erklärt Irmhild Saake, Soziologin an der Ludwig-Maximilians-Universität München, den Zuhörern in einem Exkurs, seien dazu da, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Im Alltag aber "scheitern wir am Ideal der Kooperation". Die Wissenschaftlerin plädiert dafür, sich "vom Ideal der gelungenen Kooperation zu emanzipieren" und stattdessen "pragmatische Lösungen schätzen zu lernen".

Wie diese aussehen können, zeigen dann einige Beispiele aus der Praxis. Etwa die der BSG Allgäu. Mario Dalla Torre rechnet vor, wie es dem Unternehmen gelang, bei zuletzt 98 Wohnungen in drei Neubauprojekten die Kaltmiete bei 6,50 Euro zu belassen. Dies sei möglich, weil man zu finanzierendes Fremdkapital durch günstiges öffentliche Baudarlehen ersetzt und sieben Millionen Euro an Eigenmitteln eingesetzt habe. Es sei deshalb ein Unterschied, sagt Della Torre unter dem Applaus der Tagungsteilnehmer, ob eine Kommune den Auftrag an eine sozial orientierte Genossenschaft vergebe oder an einen Bauträger. BSG arbeitet Dalla Torre zufolge mit verschiedenen Partnern zusammen - anderen Baugenossenschaften, privaten Bauherren, Kommunen. Mit der Stadt Kempten schloss die BSG zudem einen Vertrag über die Betreuung aller dezentral belegten Asylunterkünfte in der Stadt.

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