Gauting:Musikalische Coups

Lesezeit: 3 min

Ein Faible fürs Überraschungsmoment: Veranstalter Manfred Frei. (Foto: Georgine Treybal)

Der Gautinger Manfred Frei plant eine Jazzreihe in Starnberg

Von Gerhard Summer, Gauting

Ach ja. Peter Shukat, der Manager von Miles Davis, machte eine kleine Pause. "By the way", dieser Deutsche sei gerade in seinem Büro. Ja, dieser Manfred Frei, der Mann, der auch den schönen Konzertfilm produziert habe. Ob Miles mit ihm sprechen wolle?

Manfred Frei spielt die Szene nach. Er sitzt auf der ockerfarbenen Couch im altmodisch wirkenden Wohnzimmer seines Gautinger Hauses mit Kamin, großer Stereoanlage, CD-Stapeln und Blick in den gepflegten Garten und hält die linke Hand hoch, so wie man einen Telefonhörer hochhält. Ein schmaler älterer Herr mit grauen Haaren, an dem als erstes die ungemein wachen, dunkelbraunen Augen auffallen. Frei imitiert Miles: Was machst Du gerade? Hast du Zeit, auf einen Kaffee vorbeizukommen? Er lässt seine Hand zittern, als wäre er ein ehrfürchtig bibbernder Teenager, der gerade zur Geburtstagsparty seiner Angebeteten eingeladen wird. Denn damit hatte er nicht gerechnet: dass der große Miles ihn zu sich nach Hause bitten würde. Er antwortet: "I can come." Central Park South, das ist die Adresse. Yes, sagt er, und noch einmal, fast ungläubig: Yes. Seine Stimme klingt heißer und rau, fast so heißer und rau wie die von Miles Davis.

Die Begegnung zwischen dem Besucher aus Deutschland und dem Trompeter, Bandleader und Komponisten aus Illinois, dem wohl innovativsten unter den Jazz-Giganten des 20. Jahrhunderts, ist 27 Jahre her. Sie begann mit einem kurzen Telefonat und endete mit einem fünfstündigen Gespräch in Davis' 200-Quadratmeter-Wohnung. Und sie erklärt vielleicht auch, warum es Frei und seiner Firma Loft Music GmbH über zweieinhalb Jahrzehnte gelungen ist, die besten Jazz-Musiker dieses Planeten und viele Klassik-Stars in München zusammenzutrommeln.

Denn Frei und sein Team waren und sind keine Abkassierer. Nein, da waren Musikliebhaber am Werk, die ihre Platten von Errol Garner, Charlie Parker, Dizzy Gillespie, Benny Goodman, Teddy Wilson und Lionel Hampton wie Schätze hüteten, die sich selbst nicht so wichtig nahmen und dafür ihre Künstler auf Händen trugen. Der 74-Jährige, der nun mit der Eventmanagerin Irina Frühwirth eine Jazzreihe aus der Taufe hebt, diesmal in Starnberg, sagt es so: "Wir haben sie geehrt und geliebt, und wir waren geschmeichelt, wenn sie sich privat mit uns einließen."

Frei war auch zu Hause bei Chick Corea in Florida, und in der Posthaus-Wohnung des Enfant terrible Friedrich Gulda am Attersee. Er gilt als Grandseigneur und Ausnahmeerscheinung unter den Konzertveranstaltern. Schließlich hat er den legendären Münchner Klaviersommer erfunden und war Mitveranstalter der Richard-Strauss-Tage in Garmisch, Koproduzent von Konzerten der Salzburger Festspiele und der Münchner Opernfestspiele.

Doch mehr noch als auf Weltgewandtheit kam es ihm immer auf die überraschende Kombination an, auf den Coup. In München brachte er zusammen, was bis dato getrennt war: Jazz und Klassik, die Improvisations- und die Interpretationsgenies, die Abenteurer des Bebop, Cool-, Acid- und Modern Jazz und die Gralshüter von Suite und Sonate. Beim Klaviersommer spielte Gulda mit Chick Corea, Carlos Santana mit Wayne Shorter und Oscar Peterson mit Ray Brown. 2500 bis 3000 Konzerte dürfte Frei in den vergangenen 35 Jahren veranstaltet haben, die Clubgigs und die Auftritte junger Stars auf Bühnen in Gauting, Fürstenfeldbruck, Pullach, Landsberg und München eingerechnet. In dieser Zeit entstanden auch 300 Konzertfilme, Fernseh- und Videoproduktionen mit Überlänge, gemessen am heutigen Trend zum Schnipsel. Dabei kommt Frei, der Mann des musikalischen Brückenschlags, aus der Wirtschaftsbranche. Der gebürtige Berliner, der mit acht Jahren Klavier lernte und einst in kleinen Jazzclubs auftrat, hatte in München Volkswirtschaft und Soziologie studiert. 1970 heuerte er bei einer Baustoff- und Agrarfirma an, bald war er Marketing-Chef. Zehn Jahre hielt er es bei dem Unternehmen aus. Dann hatte er genug von der modernen Kriegsführung ,die sich Marktwirtschaft nennt: "Ich musste Dinge tun, die dem eigenen Haus nutzten und der Konkurrenz brutal schadeten."

An einem seiner künstlerischen Grundsätze will Frei bei seiner neuen Reihe "All That Jazz" in Starnberg festhalten: die Zuhörer immer wieder zu überraschen. Gut, der Auftakt mit Klaus Doldingers Passport, Barbara Dennerlein & Bebap, dem Ex-Drummer der Spencer Davis Group, Pete York, und den "Gospel People" aus New York, zwingt einen noch nicht vor Staunen in die Knie. Auch wenn da natürlich ausgezeichnete Musiker aufmarschieren und Pete York mit seinem neuen Septett zu hören ist. Frei sagt dazu: Die etablierten Namen sollten "Sicherheit für Veranstalter und Publikum bringen".

Aber im nächsten Jahr werde er aufdrehen, "da geht es ganz anders los", nämlich mit den Schweizern "Hildegard lernt fliegen" und einem Georg Ringsgwandl, der ein pures Musikprogramm mit Jazz-Anleihen geben werde. Ist das die Fortsetzung des Klaviersommers mit anderen Mitteln? Könnte man so sagen. Yes.

"All That Jazz", Schlossberghalle Starnberg. Dienstag, 30. Juni, Klaus Doldingers Passport, 27. Juli: Barbara Dennerlein & Bebap, 16. Oktober: Peter York Septett, 10. Dezember: The Gospel People, Beginn jeweils 20 Uhr. Karten zu 21 und 18 Euro oder Abo für 84 und 72 Euro unter 08151/772-136 oder -170 und München Ticket.

© SZ vom 24.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: