Gauting:München sur Seine

Gauting Bosco Ausstellung Hess

Damit München auch personell original Pariser Flair bekommt, hat sich Leon, der Sohn von Catherina Hess, in Schale geworfen.

(Foto: Gerogine Treyball)

SZ-Fotografin Catherina Hess hat die bayerische Hauptstadt wie Paris inszeniert. Das Ergebnis ist im Gautinger Bosco zu sehen

Von Katja Sebald, Gauting

Ob es eine Last gewesen sei, als Kind zweier berühmter Journalisten aufgewachsen zu sein und immer an deren Leistungen gemessen zu werden, fragt Hans-Georg Krause vom Gautinger Bosco die Fotografin Catherina Hess bei der Vernissage ihrer Ausstellung. Sie sei nicht die einzige, die sich bei der Süddeutschen Zeitung gegen die großen Namen der Eltern behaupten musste, antwortet die 52-jährige Tochter von Karin Friedrich und Ernst Hess - und schließlich habe sie ja erst die Fotografie und viel später den Bildjournalismus als Beruf gewählt. Eine Geschichtenerzählerin aber ist auch sie geworden, das stellt sie in Gauting mit der Ausstellung "Savoir Vivre" sehr eindrucksvoll unter Beweis.

Jeder Fotograf sollte eine ganze Seite mit München füllen, so lautete der Auftrag der SZ-Redaktion im Juli 2016 - typisch fürs "Sommerloch". Catherina Hess war zunächst gar nicht begeistert von dieser Idee. Vielleicht war sie auch in Gedanken schon in Frankreich, ihrer zweiten Heimat. Jedenfalls beschloss sie, München so zu fotografieren, dass es aussieht wie Paris: Nicht das der Terroranschläge unserer Tage, sondern das Paris der großen Schwarzweißbilder, so wie es im kollektiven Gedächtnis mehrerer Generationen als Sehnsuchtsort gespeichert ist. Paris, wie es bei Henri Cartier Bresson zu sehen ist oder auf jenem berühmten Bild von Willy Ronis, das zum Impulsgeber für die Fotoserie wurde: Es zeigt einen Jungen mit einem Baguette unter dem Arm, der vor Lebensglück platzend über seinen Schatten springt.

"Ein Bild muss im Betrachter etwas bewirken, und wenn es nur ein gutes Gefühl ist", sagt Hess über ihre Arbeit. Anders als ein Text, in den man sich nach und nach hineinlesen kann, muss es seine Betrachter "sofort erwischen". Sich Zeit nehmen, auf ein Thema einlassen und mit Bildern Emotionen zu transportieren, das komme bei der Arbeit für die Zeitung oft zu kurz, erzählt sie bei der Vernissage. Mit den stimmungsvollen und aufreizend "langsamen" Schwarzweißaufnahmen vom französischen München, die wie aus der Zeit gefallen wirken, ist es ihr jedenfalls gelungen. Es sind Bilder, in denen der Mariahilfplatz zum Quartier der kleinen Leute im Paris von anno dazumal wird, die Isar aussieht wie die Seine und die Maximilianskirche im abendlichen Zwielicht wie Notre Dame.

Der Junge, den Hess als Hauptdarsteller für ihre Geschichte brauchte, war schnell gefunden, sein bezaubernd altmodisches Kostüm aus Knickerbockers und Baskenmütze ebenso. Ein halbes Jahr später in Gauting erzählt er: "Bei dem Bild mit dem Schatten, da hätte ich die Mama beinahe mit dem Baguette geprügelt." Hess zog für die wunderbar inszenierte Serie mit ihrem achtjährigen Sohn Leon durch die Stadt. Sie fotografierte ihn im "Café Marais" im Westend und vor der "Boulangerie Dompierre" in Schwabing. Mal tunkt er ein Croissant in die Tasse, mal blickt er in den Laden einer Hutmacherin, mal bestaunt er Abendkleider in einer Boutique. Er mischt sich unter die Boule-Spieler im Hofgarten und läuft mit dem Baguette an der Treppe der Luitpoldbrücke entlang - immer wieder. Als die Mutter mit dem "Springschatten" endlich zufrieden war, ist das Baguette schon in der Mitte durchgebrochen und mit einem Bleistift geflickt, wie Leon im Gespräch mit Hans-Georg Krause verrät. Kennt man dieses Making-Of, wird man die Bilder mit ganz anderen Augen anschauen: Man kann sich vorstellen, dass das Croissant eine dringend benötigte Stärkung während des anstrengenden Foto-Shootings war und man sieht am Rand eines Bildes die Hand des französischen Bäckers, der Leon auf dem viel zu großen Fahrrad festhalten musste. Und man weiß auch, warum das Baguette für das romantische Picknick auf dem Brückengeländer schon in zwei Hälften gebrochen ist.

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