Fürstenfeldbruck/Starnberg:Wenn die Seele streikt

Lesezeit: 2 min

Der neue Krisendienst Psychiatrie soll Betroffenen schnell helfen

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Fürstenfeldbruck/Starnberg

Eine neue Einrichtung soll Menschen in seelischer Not schnell und kompetent helfen: der Krisendienst Psychiatrie. Seine Notfallnummer 0180/655 30 00 wird in den Landkreisen Starnberg und Fürstenfeldbruck von 1. Dezember an freigeschaltet. In München gibt es das Angebot bereits, das vom Bezirk finanziert wird. Nach und nach sollen nun auch die Landkreise in Oberbayern davon profitieren.

Das Angebot für die Landkreise Starnberg und Fürstenfeldbruck übernehmen federführend die Mitarbeiter des Sozialpsychiatrischen Dienstes unter der Trägerschaft des Diakonievereins. Bei seelischen Krisen können die Fachkräfte wohnortnah und schnell helfen. Dafür stockte der Diakonieverein nach Angaben seines Vorsitzenden Hans-Rainer Schuchmann das Personal auf, schaffte ein eigenes Einsatzfahrzeug an und richtete zusätzliche Büroräume ein. Die Verantwortlichen rechnen mit etwa 20 000 Anrufen pro Jahr. Dafür wurden 88 neue Stellen geschaffen. Das lässt sich der Bezirk 7,4 Millionen Euro pro Jahr kosten. "Der große Wermutstropfen ist, dass sich die Krankenkassen nicht an den Kosten beteiligen", erklärte Bezirkstagspräsident Josef Mederer bei der Vorstellung des neuen Krisendienstes am Donnerstag in den Räumen des Diakonievereins Starnberg. Das Pilotprojekt ist zunächst für fünf Jahre geplant, es soll aber zur Dauereinrichtung werden.

Wenn Menschen in akuten seelischen Krisen nicht mehr weiter wussten, rückten bislang die Einsatzfahrzeuge von Notarzt und Polizei an. Dadurch fühlten sich die Betroffenen zusätzlich stigmatisiert. Wie Mederer betonte, sollen diese Einsätze, bei denen die Patienten manchmal sogar zwangsweise ruhig gestellt wurden, der Vergangenheit angehören. Mederer sagte: "Die Einweisung in eine Klinik muss die Ausnahme von den Ausnahmen bleiben."

Die Gesprächspartner am Telefon des Krisendienstes hören zu, deeskalieren, zeigen Verständnis und beraten. Darüber hinaus können sie bei Bedarf einen zeitnahen Termin in einer ambulanten Einrichtung oder eine Therapie vermitteln. Falls ein Gespräch nicht genügt, um eine Eskalation zu verhindern, steht der mobile Einsatzdienst bereit, der in maximal einer Stunde an Ort und Stelle sein kann. Nach den Erfahrungen der Gebietskoordinatorin Andrea Kreppold-Roth ist ein solcher Einsatz bei etwa sieben Prozent der Anrufer nötig.

Mederer hofft, dass mit dem neuen Hilfsdienst der Anstieg der psychischen Erkrankungen gestoppt werden kann und vielleicht sogar rückläufig wird. Nach Angaben des ärztlichen Krisendienst-Leiters Michael Welschehold sind seelische Krisen häufig, die Zahl der Erkrankungen steigt seit Jahren an. Laut Statistik gerät jeder Dritte mindestens einmal im Leben in eine seelische Notlage, bei der die eigenen Bewältigungsstrategien nicht mehr funktionieren. Da sich Krisen an keine Urzeit halten, muss der Hilfsdienst direkt und ohne Anmeldung erreichbar sein. Auch an eine Vernetzung mit Partnern an Ort und Stelle ist gedacht.

Wie Beate Sommer, Vorsitzende der Selbsthilfegruppe für psychisch Kranke im Landkreis (Pelstar), erklärte, werde durch die zentrale Telefonnummer die Hemmschwelle geringer, Unterstützung anzunehmen. Zumal man wisse, dass keine Polizei komme. Für Gerald Lux von der Angehörigen-Selbsthilfegruppe ist der Krisendienst für Partner und Freunde ebenfalls eine große Erleichterung. "Die meisten können sich nicht vorstellen, was eine Krise für die Angehörigen bedeutet", sagte er.

Krisendienst Psychiatrie, Telefon 0180/6553000, von 1. Dezember an, täglich 9 bis 24 Uhr.

© SZ vom 26.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: