Fürstenfeldbrucks Oberbürgermeister:"Ich will unbedingt weitermachen!"

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Klaus Pleil schildert nach seinem Herzinfarkt erstmals öffentlich den schwierigen Weg zurück in den Alltag. Er lässt keinen Zweifel an seinem Willen, ins Rathaus zurückzukehren

Interview von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Ende August erreichte die Hiobsbotschaft Fürstenfeldbruck: Oberbürgermeister Klaus Pleil hatte im Urlaub am Neusiedler See in Österreich einen Herzinfarkt erlitten. Nach der Reanimation wurde der BBV-Politiker, der sich ein Jahr zuvor in der Stichwahl gegen seinen CSU-Kontrahenten Andreas Lohde durchgesetzt hatte, zunächst ins künstliche Koma versetzt. Dem Krankenhaus folgte die Reha. Pleil kämpfte sich zurück ins Leben. Doch bis heute hat er die Nachwirkungen noch nicht vollends verkraftet. Der 52 Jahre alte gelernte Orthopädie-Schuhmachermeister wirkt hager und gezeichnet von dem, was er durchgemacht hat. Im Exklusiv-Interview mit der SZ lässt er aber keinen Zweifel daran, dass er zurückkehren will an die Spitze der Stadt. Er tritt damit den in Bruck kursierenden Gerüchten entgegen, es deute viel auf eine Neuwahl hin. Seine Frau Claudia, für die die vergangenen Monate gleichfalls eine harte Erfahrung waren, weicht nicht von seiner Seite und springt auch bei dem Gespräch ein, wenn Klaus Pleil sich einmal nicht an ein Detail erinnern kann. Sie warnt vor einem übereilten Wiedereinstieg in die politische Arbeit.

SZ: Herr Pleil, Ostern steht im Zeichen von Leiden und Tod einerseits, aber auch von Erlösung und Freude. Sind an solchen Feiertagen die Erlebnisse des vergangenen Augusts besonders präsent?

Klaus Pleil: So würde ich das nicht sagen.

Claudia Pleil: Man muss auch wissen, dass mein Mann sich an die Vorkommnisse selbst ja überhaupt nicht erinnern kann.

Klaus Pleil: Ich war damals, Ende August, beim Surfen. Aber mir fehlt die Erinnerung daran ebenso wie an den gesamten Urlaub in Österreich. Die Gedächtnislücke schließt sich erst wieder kurz vor Weihnachten beim Klinikaufenthalt.

Claudia Pleil: Die Ärzte sagen, dass die Erinnerung an den Sommer und Herbst 2015 wahrscheinlich nie mehr zurückkommen wird. Das ist komplett gelöscht. Ich weiß auch nicht, ob es meinem Mann damals schon beim Surfen schlecht gegangen ist oder erst danach. Er ist am Morgen noch recht munter zum Neusiedler See runtergegangen.

Für Ihren Mann ist das alles nicht mehr präsent, aber für Sie ganz gewiss.

Claudia Pleil: Ja, natürlich, und das war alles wirklich furchtbar. Es war ein Schock. Damit rechnet man nicht. Ich kam gerade selbst vom Schwimmen zurück, da saß er neben dem Wohnmobil und klagte über Schmerzen. Er hatte so etwas ähnliches ja schon einmal ein Dreivierteljahr zuvor beim Langlaufen gehabt. Da gab es Gesundheitschecks, auch eine komplette Herzuntersuchung, aber ohne Befund. Es hieß, dass das wohl muskuläre Probleme gewesen seien. Alles schien okay.

Es kam also wie ein Blitz aus heiterem Himmel.

Claudia Pleil: Exakt. Es war Sonntag. Ich habe mich schnell umgezogen, wir haben noch geredet, dann rief er plötzlich meinen Namen und wurde bewusstlos. Das war schlimm. Aber wir hatten ja noch Glück, dass unsere Freunde in der Nähe waren.

Das Glück war, dass zwei erfahrene Krankenschwestern die Reanimation übernehmen konnten. Der Herzinfarkt war also sicher ein Unglück. Aber das Überleben doch auch ein Glücksfall.

Claudia Pleil: Es hat in der Tat zwei Seiten. Unglück und Glück. Es hat zunächst einmal das Leben der ganzen Familie auf einen Schlag geändert. Ich habe damals noch am selben Abend unsere Tochter Franziska und unseren Sohn Sebastian informiert. Für Sebastian ist das alles auch noch besonders belastend, weil er nach der OB-Wahl das Geschäft übernommen hat und im Dezember nun auch noch mit der Meisterschule begonnen hat. Damals jedenfalls kamen die Kinder sofort und waren auch völlig geschockt. Glück im Unglück war natürlich, wie mein Mann da rausgekommen ist. Eine solche Herzattacke überleben nur ein paar Prozent der betroffenen Patienten. Die Ärzte haben auch gesagt, Mensch, Herr Pleil, Sie haben Riesenglück gehabt. Andere gehen zudem mit viel größeren Spätfolgen aus so einer Situation heraus.

Empfinden Sie das also auch als glückliche Fügung?

Klaus Pleil: Ja, das ist schon Glück, das ist mir sehr wohl bewusst.

Claudia Pleil: Wenn man so etwas durchgestanden hat, dann bekommt man schon einen anderen Blick aufs Leben und erinnert sich an Sprüche wie Carpe Diem - pflücke den Tag. Allerdings sind wir immer noch auf dem beschwerlichen Weg zurück zum gewohnten Alltag. Das ist noch nicht geschafft.

Was war die Ursache? War es der Stress? Sie hatten Zwölfstundentage, kein freies Wochenende.

Klaus Pleil: Ach was, für mich war die Arbeit im Rathaus doch kein Stress. Das war erfüllend. Das Leben als Oberbürgermeister war für mich nie anstrengend. Im Geschäft habe ich zuvor ja auch zwölf Stunden gearbeitet.

Claudia Pleil: Das ist richtig, aber dennoch hatte ich schon das Gefühl, dass die Arbeit im Rathaus für meinen Mann sehr anstrengend war. Er hat mit Leidenschaft gearbeitet und seine ganze Energie in das Bürgermeisteramt gelegt, hatte aber kaum Ruhephasen. Er selbst hat dies nicht so als anstrengend empfunden. Damals im Sommer hat uns das Flüchtlingsthema sehr beschäftigt, in Fürstenfeldbruck, aber auch ganz aktuell in Österreich. Kurz vorher war diese Sache mit den 71 toten Flüchtlingen in einem Kühltransporter bei Eisenstadt, ganz in der Nähe von unserem Campingplatz. Das haben wir auch mitbekommen und es hat uns schon belastet. Aber die Ärzte haben auch gesagt, Stress alleine löst keinen Herzinfarkt aus.

Wie wichtig ist da die Familie?

Klaus Pleil: Natürlich sehr wichtig, wir haben eine intakte Familie. Die Unterstützung ist sehr wichtig.

Waren Sie mittlerweile wieder im Orthopädie-Geschäft im Vordergebäude?

Klaus Pleil: Nur ein einziges Mal war ich vorne.

Hält Ihr Bruder Dieter, der ja dem Stadtrat angehört, den Kontakt zur Politik?

Klaus Pleil: Ja, vor allem informiere ich mich aber aus der Zeitung. Es stört mich schon, dass ich draußen bin. Gerade in den ersten Amtsjahren wäre es doch so wichtig, präsent zu sein.

Mit der Wahl zum Oberbürgermeister erfüllt sich für den damals 50-Jährigen 2014 ein Lebenstraum. (Foto: Johannes Simon)

Claudia Pleil: Für meinen Mann ist der OB-Posten der Job seines Lebens.

Klaus Pleil: Ich will unbedingt weitermachen! Ich arbeite ja auch sehr gerne mit all den Mitarbeitern im Rathaus zusammen. Wobei meine Stellvertreter Erich Raff und Karin Geißler es gut machen und das auch ganz in meinem Sinne. Den Erich Raff kenne ich ja gut vom Handball.

Nur beim Lichtspielhaus gibt es unter schiedliche Meinungen.

Klaus Pleil (lacht): Ja, aber das läuft trotzdem gut.

Claudia Pleil: Der Kontakt zum Rathaus ist immer da, aber dosiert, weil es ja anstrengend ist.

Einen ersten kurzen öffentlichen Auftritt gab es beim Neujahrsempfang der Stadt. Wie reagieren die Brucker seitdem?

Claudia Pleil: Die Leute waren sehr herzlich, beim Neujahrsempfang wurde deutlich, dass man sich freut. Auch wenn die Leute, die wir bei Spaziergängen treffen, oft sehr vorsichtig und zurückhaltend sind.

Klaus Pleil: Ein paar Mitarbeiter aus dem Rathaus treffe ich schon ab und zu.

Sie sind zunächst bis Ende Mai krank geschrieben. Wie geht es weiter?

Klaus Pleil: Ich werde bald mit einer weiteren Reha in Pasing beginnen, voraussichtlich zwölf Wochen wird das dauern.

Erich Raff rechnet etwa von Oktober an mit einem schrittweisen Wiedereinstieg. Ist das realistisch?

Claudia Pleil: Nach den Erfahrungen der vergangenen Monate legen wir uns da jetzt gar nicht mehr fest. Mein Mann wollte ja schon im Januar langsam wieder einsteigen, aber das war viel zu früh.

Aber Sie wollen diesen Einstieg, wann auch immer, schaffen?

Klaus Pleil: Ja, auf jeden Fall. Das ist mein Ziel.

Ist es eine Überraschung für Sie, dass die Stadträte auch der anderen Fraktionen bislang sehr gelassen bleiben angesichts der langen Krankheit?

Klaus Pleil: Ich habe schon registriert, dass es da kaum Probleme gibt. Auch nicht von der CSU.

Claudia Pleil: Natürlich stellt die CSU jetzt auch den Bürgermeister. Trotzdem bin ich positiv überrascht, dass es keine Quertreiber gibt. So etwas wäre natürlich auch ungut fürs politische Klima.

Spüren Sie die Fortschritte?

Klaus Pleil: Es sind kleine Schritte. Das ist nicht immer leicht.

Claudia Pleil: Es sind auch immer wieder Täler zu bewältigen.

Klaus Pleil: Deswegen wäre ein langsamer, schrittweiser Einstieg wohl besser, auch wenn mir nicht wohl ist bei dem Gedanken, von den Mitarbeitern als halbe Kraft wahrgenommen zu werden. Fürs Selbstwertgefühl ist es nicht so gut, nach ein paar Stunden schon wieder zu gehen.

Claudia Pleil: Aber in diesem Job ist die Belastung sehr groß, deswegen ist ein Einstieg Schritt für Schritt besser.

Kann man der freien Zeit und Ruhe auch eine gute Seite abgewinnen?

Klaus Pleil: Ehrlich gesagt nein, genießen kann ich das nicht, mir macht die Tätigkeit als Oberbürgermeister Spaß. Man will ja auch was machen und etwas bewegen in der Stadt.

Bei den großen Projekten wie dem Viehmarktplatz oder Fliegerhorst ist seit vergangenen Sommer wenig passiert. Das Lichtspielhaus scheint auf dem Weg zu sein.

Klaus Pleil: Das meiste konnte ich ja noch auf den Weg bringen. An Gesprächen übers Lichtspielhaus habe ich bereits ab und an teilgenommen.

Das heißt, Sie könnten relativ nahtlos wieder einsteigen.

Claudia Pleil: Aber er muss natürlich erst einmal wieder richtig fit werden. Da hoffe ich jetzt auch auf die anstehende Reha. Ermutigend ist durchaus, dass mein Mann wieder die Sportschule Puch besucht, außerdem waren wir Radfahren und letztens sogar beim Skifahren.

© SZ vom 26.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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