Fürstenfeldbruck:Zwei Brucker Rüstungsbetriebe

Fürstenfeldbruck: Jürgen Schulz 2017 bei einem Zeitgespräch zu Waffenexporten in der Brucker Erlöserkirche.

Jürgen Schulz 2017 bei einem Zeitgespräch zu Waffenexporten in der Brucker Erlöserkirche.

(Foto: Günther Reger)

In einem Vortrag spricht Jürgen Schulz über die Rolle von ESG und Schleifring

Von Johanna Kiermaier, Fürstenfeldbruck

Der Großraum München als Rüstungsstandort ist eines der Themen von Jürgen Schulz. "Sogar in unserer Stadt gibt es zwei Unternehmen, die einen nicht unerheblichen Anteil ihres Umsatzes mit militärischer Produktion machen", verrät der Wahl-Brucker gleich zu Beginn seines Vortrags zum Thema "Das Geschäft mit den Waffen - Rüstungsexporte aus Deutschland". Vielen Besuchern ist nicht bewusst, dass die Firmen ESG und Schleifring einen Beitrag zu den deutschen Rüstungsexporten leisten.

Als Schulz erklärt, dass Schleifring seinen Recherchen zufolge etwa zehn Prozent des Jahresumsatzes mit Rüstungsprodukten macht, geht ein Raunen durch den Gemeindesaal der Erlöserkirche. "Das Unternehmen stellt unter anderem Rotationsmechanik für den Turm des Panzers Leopard 2 her - einen der deutschen Exportschlager", sagt der 76-Jährige. Die Firma weise in ihrem Portfolio nicht auf diesen Tätigkeitsbereich hin. "Mit ESG ist ein kompetenter Rüstungsproduzent in der Stadt. Etwa 64 Prozent des Umsatzes macht die Firma mit militärischen Projekten", erklärt Schulz. ESG und Schleifring gehören zu zehn Brucker Unternehmen mit den höchsten Gewerbesteuereinnahmen. "Schleifring sogar zu den Top 3-Steuerzahlern", ergänzt Willi Dräxler (BBV), der auch im Publikum sitzt.

Das Dilemma, vor dem auch einige Stadträte stehen, kristallisiert sich in der Diskussion heraus - die Gewerbesteuer steht der Moral gegenüber. Die Stadt nehme von den beiden Firmen etwa zwei bis drei Millionen Euro Steuern ein, so der Referent. Neben Dräxler betont auch Irene Weinberg (BBV), wie wichtig die Steuereinnahmen für Bruck seien. Man dürfe nicht vergessen, dass die städtischen Einrichtungen und Projekte darüber finanziert werden, so die Stadträte. Trotzdem fällt auch das Stichwort "global denken, lokal handeln". Man ist sich einig, dass mehr Waffen auch mehr bewaffnete Konflikte bedeuten. Wenn man Zulieferer der Rüstungsindustrie ist, sollte man sich dieser Verantwortung auch bewusst sein, so der Konsens in der Diskussion.

Die Erweiterung der Firma Schleifring, die vor wenigen Wochen beschlossen wurde, steht nach diesem Vortrag für viele im Publikum in einem anderen Licht. Möglicherweise gibt es neben dem ökologischen Aspekt weitere Faktoren, die kritisch zu betrachten sind. "Das ist in irgendeiner Art Korruption von uns allen. Das Unternehmen ist ein wichtiger Arbeitgeber und Steuerzahler und die Stadt geht schon Kompromisse ein, damit das Unternehmen weiterhin in Bruck bleibt", sagt Dräxler.

Der Vortrag stößt im Publikum auf viel Zuspruch. Einige, die auch seit mehreren Jahrzehnten schon in der Friedensbewegung engagiert sind, bedanken sich beim Referenten für seine Recherchearbeit. Das Thema sei komplex und die Industrie intransparent, was die Recherche erschwert habe, erzählt Schulz. Die Informationen über die lokalen Firmen erschloss er sich zu einem Großteil über den Vorbericht über den Brucker Haushalt des vergangenen Jahres. "Ein Jahr habe ich an dem Vortrag gearbeitet", sagt der gebürtige Berliner, der bis zu seinem Ruhestand als Chemieingenieur tätig war.

Im begrenzten Rahmen des Zeitgespräche-Abends kommt man zu keiner Lösung. Es ist deutlich, dass noch Redebedarf zu dem Thema besteht. Der Vortrag stößt bei den Besuchern auf jeden Fall eine Diskussion darüber an, inwieweit die Stadt aufgrund moralischer Überzeugungen auf Steuereinnahmen verzichtet. Die beiden Stadträte wollen die Anregungen mit in den Stadtrat nehmen. Wenn die Nachfrage bestehe, würde er den Vortrag gerne wieder halten und die Diskussion weiterführen, so der Referent.

Der Moderator Dieter John vom Zeitgespräche-Team weist zum Abschluss noch darauf hin, dass der Referent sein Honorar an die ökumenische Organisation "Ohne Rüstung leben" spendet, die in der Friedensbewegung der Siebzigerjahre gegründet wurde. Das unterstreicht symbolisch die Motivation von Jürgen Schulz, der seit seiner Jugend in der Entwicklungshilfe tätig ist.

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