Fürstenfeldbruck:Zur Erholung nach Bruck

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entdecken Einwohner Münchens den Marktflecken als Ausflugsort. Der Verschönerungsverein wirbt damit, ein Aufenthalt an der Amper stärke die Gesundheit von Körper und Seele

Von Anna Landefeld-haamann, Fürstenfeldbruck

Einen Weltgästeführertag, um Touristen nach Fürstenfeldbruck zu locken, benötigte man im 19. und frühen 20.Jahrhundert noch nicht. Ganz auf Werbung verzichtete man aber schon damals nicht. Der Marktflecken mit seinen mehr als 5000 Einwohnern sei einer der schönsten Bayerns. "Beweis, daß sich hier gut leben läßt, ist eine Reihe alljährig in Treue wiederkehrender Sommergäste", las man 1930 in einer Broschüre des hiesigen Verschönerungsvereins, in der Bruck als attraktiver Erholungsort angepriesen wurde. Erinnert wurde an die "guten alten Zeiten", als der Markt noch als Ausflugsziel für nervöse Münchner hochgeschätzt wurde.

Weiherhaus,  Sommerfrische in FFB

Beliebtes Ausflugsziel vor dem Ersten Weltkrieg: sonntägliche Kaffeerunde auf der Terrasse des unteren Weiherhauses. Repro: Robert Weinzierl

Notwendig waren die Werbemaßnahmen allemal. Denn diese "guten alten Zeiten", so gestand auch der Verschönerungsverein ein, lagen bereits damals "fünfzig oder mehrere Jahre" zurück. Statt in den Gottesdienst strömten die Tagesausflügler damals lieber nach Fürstenfeldbruck. Am Pfingstsonntag des Jahres 1897 seien 15 000 von ihnen am Brucker Bahnhof angekommen, so berichtete das Fürstenfeldbrucker Wochenblatt. Nachdem am 1. Mai 1873 die erste Bahnstrecke nach Bruck eröffnet wurde, erlebte auch der Fremdenverkehr einen noch nie da gewesenen Aufschwung. 40 Minuten dauerte die Fahrt. Am Sonntag, dem einzigen arbeitsfreien Tag, waren die Billetts günstiger als unter der Woche. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges kam aber auch der Fremdenverkehr zum Erliegen. Für immer vorbei waren die prosperierenden Zeiten, in denen es Sommer- und, man mag es heute kaum noch für möglich halten, Winterfrischler in Scharen in "eine der ältesten und freundlichsten Erholungs-Stätten der näheren Heimat" gezogen hatte.

Werbeprospekt Sommerfrische an der Amper

Im Jahr 1930 versuchte der Verschönerungsverein Fürstenfeldbruck mit einer Werbebroschüre wieder mehr Gäste in die Stadt zu holen. Repro: Robert Weinzierl

Mitte des 19. Jahrhunderts hatten begüterte Münchner Bürger damit begonnen, dem Schmutz und der Hektik des städtischen Molochs zu entfliehen. Rasch erkannte die Landbevölkerung, dass mit solchen Gästen gutes Geld zu verdienen war - sie mussten nur noch angelockt werden. Die Werbeprospekte dieser Zeit überschlagen sich förmlich. Sie heben nicht nur den "gastfreundlichen Markt" und die "würzige Waldluft" hervor, sondern preisen vor allem die "Heilkraft des Amperwassers".

Rodelbahn FFB

Die Rodelbahn an der Gegenpoint-Leite wurde im Winter gerne besucht. Repro: Robert Weinzierl

Mit seiner vorzüglichen Weichheit fühle es sich seifenartig, beinahe ölig an und umgebe die Haut des Badenden mit schlüpfriger Milde. Allen voran der Polizeifunktionär Karl Geiger, der im Jahr 1890 Fürstenfeldbruck nicht nur als idyllischen Ort beschreibt, an dem man gern den Sommer verbringt, sondern ihn gleich zum inoffiziellen Kurort stilisiert. Es gebe zahlreiche bewiesene Erfolge und das Flusswasser lasse sogar manche Mineralquelle hinter sich. Gleich ob körperliche Gebrechen wie chronischer Rheumatismus, Gicht, offene Wunden oder seelische Leiden wie Neurosen, Hypochondrie, Melancholie: "Die Amper hat schon vielen Tausenden die Gesundheit erhalten, vielen Hunderten die verlorene wiedergegeben." Die Badenden sittsam nach Geschlechtern getrennt, so forderte es die Gemeindeverwaltung. Männern war es unter Strafandrohung verboten, den Frauenbereich zu betreten. Irgendetwas muss an Geigers Abhandlungen wohl dran gewesen sein. Immerhin wollte hier Sebastian Kneipp eine Kaltwasserheilanstalt errichten. Das Vorhaben wurde allerdings gemeinsam mit Kneipp im Jahr 1897 begraben.

Neben Wasser in seinem flüssigen Zustand erkannte der Verschönerungsverein auch das touristische Potenzial von Schnee und Eis. In einem Prospekt von 1908 bewarb man den Markt Fürstenfeldbruck als Wintersportort, der sich zu einer ungeahnten Höhe emporgeschwungen habe. Der Andrang der Münchner muss so enorm gewesen sein, dass Sonderzüge eingesetzt werden mussten. Mit heutigen Wintersportzentren hatte der Wintersportort Fürstenfeldbruck um die Jahrhundertwende freilich nichts gemein. Wintersport, das bedeutete zu dieser Zeit: zaghafte Gleitversuche auf Holzbrettern, Schlittschuhlaufen und Eisstockschießen auf dem Weiher beim Weiherhaus und natürlich Rodeln. Der Deutsche Touring-Club präparierte an der Gegenpoint-Leite Rodelbahnen und Skipisten. Seinen unhandlichen Schlitten mitschleppen musste niemand. Über 400 Leihschlitten wurden für die Wintersportgäste bereit gestellt. Versorgt wurden die Rodler mit heißem Tee am Fuße des Burgberges in einer Holzhütte. Sie brannte 1916 nieder. Stattdessen wurde neben der Straße zum Torwerk das Restaurant Rodelbahn eröffnet.

Es überstand die Zeit des wintersportlichen Niedergangs von Fürstenfeldbruck, der mit dem Ersten Weltkrieg einsetzte. Zu Beginn der Zwanzigerjahre war es dann endgültig aus mit der Vision eines Wintersportzentrums. Zu groß war die Konkurrenz im Voralpenland und im Gebirge geworden. Dagegen konnte Fürstenfeldbruck nicht mehr bestehen.

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