Vorsitzende der Bürgerstiftung für den Landkreis:"Wir möchten alle Armen bedienen"

Anders als im Nachbarlandkreis Dachau weisen die von der Bürgerstiftung für den Landkreis betriebenen Tafeln keine Asylsuchenden ab. Sie praktizieren die Gleichbehandlung aller und warnen vor Verteilungskämpfen

Interview von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck

Weil sie sich demonstrativ weigern, Asylsuchende ebenso mit Lebensmitteln zu versorgen wie andere Bedürftige, sind die Betreiber der Dachauer Tafel in die Kritik geraten. Wie die Brucker Tafeln mit Flüchtlingen verfahren, erläutert die Vorsitzende der Bürgerstiftung für den Landkreis, Dorothee von Bary.

SZ: Frau von Bary, ihre Kollegen in Dachau sind vehement dafür kritisiert worden, dass die dort vom BRK organisierten Tafeln keine Lebensmittel an Asylbewerber ausgeben. Wie hält es die Bürgerstiftung für den Landkreis Fürstenfeldbruck als Betreiberin der Tafeln? Bekommen die Flüchtlinge hier etwas zu essen?

Dorothee von Bary: Zunächst einmal ist es so, dass es vom Bundesverband eine eindeutige Richtlinie gibt, dass alle bedürftigen Menschen von den Tafeln gleich versorgt werden. Es werden keine Unterschiede nach Rasse, Religion, Hautfarbe gemacht. Da gibt es ein sehr interessantes Positionspapier dazu, das ist jetzt relativ neu zu der Flüchtlingskrise verfasst worden. Daran halten wir uns natürlich. Je nach Stadium des Asylverfahrens gibt es drei verschiedene Gruppen von Asylbewerbern: Es gibt im Landkreis die Erstaufnahmeeinrichtung, da werden die Flüchtlinge vollverpflegt. Dann gibt es die Asylbewerber in den zentralen und dezentralen Einrichtungen, da haben sie Kochgelegenheiten. Für diese Gruppe haben wir jetzt folgendes Verfahren: Einzelne aus den Helferkreisen kommen zu den Tafeln und können Kisten von Lebensmitteln für die ganze Unterkunft abholen. Das hat ganz einfach den Hintergrund, dass bei uns die Tafelkunden registriert werden, sie Unterlagen vorlegen müssen, das Ganze ein gewisser bürokratischer Aufwand ist. Die Asylbewerber bleiben oft nur kurz in einer Unterkunft, deshalb verteilen wir die Lebensmittel ganz unbürokratisch über die Helfer. Die dritte Gruppe sind Flüchtlinge mit einem Aufenthaltsstatus, die werden ganz normal behandelt wie jeder andere Hartz-IV-Empfänger. Wenn sie arbeiten und genügend Geld verdienen, kriegen sie natürlich nichts mehr von der Tafel.

Wie viele Flüchtlinge kommen denn aktuell zu den Brucker Tafeln?

Wie viele über die Asylhelfer versorgt werden, das kann ich Ihnen nicht sagen. Aber in Fürstenfeldbruck zum Beispiel haben wir zehn Familien von anerkannten oder geduldeten Flüchtlingen. Das sind noch nicht so sehr viele.

Merken Sie gegenüber dem Vorjahr einen Unterschied?

Nein, kaum. Aber wir vermuten, dass es deutlich mehr werden wird. Wir haben in Kürze in der Bürgerstiftung ein Treffen mit unseren sehr engagierten Tafelhelfern und da werden wir besprechen, wie wir auf die neuen Herausforderungen reagieren können.

Wie viele Kunden insgesamt versorgen denn die vier Tafeln im Landkreis mit ihren sechs Tafelläden?

Die Tafeln versorgen wöchentlich 649 Erwachsene und 368 Kinder.

Wenn weiterhin so viele Menschen ins Land kommen, besteht dann Ihrer Meinung nach die Gefahr, vor der ja auch der Bundesvorsitzende der Tafeln, Jochen Brühl, warnt, dass Armut gegen Armut ausgespielt wird?

Ich denke, diese Gefahr gibt es schon und deshalb muss man da sehr gerecht und sehr transparent vorgehen. Wir möchten alle Armen bedienen, und wir möchten auf keinen Fall Arme gegen Arme ausspielen.

Brühl hat soeben in einem Interview betont, dass durch die Flüchtlingskrise die sozialstaatlichen Versäumnisse der letzten 20 Jahre ans Tageslicht kommen. Haben Sie auch den Eindruck, dass sich für die sozial Schwachen in unserem Land die Situation verschärft?

Also, ganz ehrlich: Das ist eine Frage, die man so pauschal nicht beantworten kann. Es ist sicher für Teile der Bevölkerung schwieriger geworden ist, zum Beispiel für Alleinerziehende mit vielen Kindern, auch durch das neue Scheidungsrecht. Und es ist ja auch bekannt, dass der Niedriglohnsektor ausgeweitet worden ist. Aber trotzdem finde ich, so pauschal kann man das nicht sagen.

Angenommen ein Großteil der aktuell hier lebenden Asylbewerber würde zu den Tafeln kommen: Hätten Sie genug Lebensmittel und Ehrenamtliche, um alle zu versorgen?

Wir würden auf keinen Fall mit den Räumlichkeiten, den Mitarbeitern und den Waren, die wir derzeit haben 100 oder 200 neue Kunden pro Tafel bewältigen. Da müssten wir uns tatsächlich etwas einfallen lassen.

Wie können die Menschen im Landkreis die Tafeln unterstützen?

Brucker Tafel

Dorothee von Bary ist Vorsitzende der Bürgerstiftung für den Landkreis Fürstenfeldbruck, die die Tafeln im Landkreis betreibt.

(Foto: Günther Reger)

Wir brauchen Spenden für Fahrzeuge, Einmalhandschuhe, Kühlschränke. Dann können wir natürlich Sachspenden in Form von Lebensmitteln gebrauchen und aktuell gibt es die Rewe-Tüten-Aktion zugunsten der Tafeln. Da kauft man eine Tüte für fünf Euro, da sind immer dieselben Waren drin und die werden dann weiterverteilt. Und natürlich kann man auch als ehrenamtlicher Helfer helfen.

In dem Bereich ist es wahrscheinlich am schwierigsten, Hilfe zu bekommen?

Aktuell arbeiten bei allen Tafeln im Landkreis insgesamt 222 Ehrenamtliche.

Können Sie ungefähr einschätzen, wie viel Abholer mehr es durch die Flüchtlinge in einem Jahr geben wird?

Das kann ich überhaupt nichts sagen. So wie die Politiker nicht prognostizieren können, wie viele Leute ins Land kommen, wie viele Arbeitsplätze, Plätze in Schulen und Kindergärten benötigt werden, so kann ich nicht prognostizieren, wie viele Abholer mehr zu den Tafeln kommen werden.

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