Fürstenfeldbruck:Wende bei belasteten Straßennamen

Bruck: Strassenschild Wernher-Von-Braun-Strasse

Eines der umstrittenen Straßenschilder in Fürstenfeldbruck

(Foto: Simon)

Der Protest der Anwohner zeigt Wirkung: Im Arbeitskreis des Fürstenfeldbrucker Stadtrats gibt es inzwischen keine Mehrheit mehr dafür, die Namen Wernher von Braun und Hindenburg abzuhängen

Von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck

Im Streit um NS-belastete Straßennamen bahnt sich im Fürstenfeldbrucker Stadtrat eine Wende an. Eine Mehrheit aus CSU und BBV will die meisten Schilder belassen und allenfalls um Infotafeln ergänzen. Das zeichnet sich im Arbeitskreis Straßennamen ab, in dem alle Fraktionen vertreten sind und der unlängst tagte. Damit würde sich die Kommune den Anwohnern beugen, die in mehreren Versammlungen die belasteten Straßenpatrone verteidigte.

Bei der jüngsten Sitzung des Arbeitskreises wurde hinter verschlossenen Türen heftig gestritten. "Es war ziemlich unangenehm. Die Atmosphäre ist ziemlich verbiestert", so Kulturreferent Klaus Wollenberg (FDP). Zur Debatte stehen elf Namen, darunter acht Angehörige der Luftwaffe der NS-Zeit, der Raketenbauer Wernher von Braun, Reichspräsident Paul von Hindenburg und Schriftsteller Julius Langbehn. Nach Angaben der Kulturreferentin Birgitta Klemenz (CSU), die als Historikerin für die Umbenennung ist, haben einige anders abgestimmt als bisher. Christian Stangl (Grüne) und Axel Lämmle (SPD) kritisieren das als Umfallen, insbesondere seitens der BBV, aufgrund der Stimmungslage in den Bürgerversammlungen. "Es ist verwunderlich, wie die Leute sich bewegen, dabei ist die Faktenlage klar", sagte Stangl.

Von Braun war für den Bau von Raketen verantwortlich, mit denen Städte beschossen wurden. Für die Herstellung wurden im KZ Dora-Mittelbau Tausende von Häftlingen zu Tode gequält. Der Bestsellerautor Langbehn verlangte, die Juden zu entrechten, ins Ghetto zurück zu schicken, zu vertreiben oder zu vernichten. Hindenburg war Monarchist und Antidemokrat und ernannte Hitler zum Reichskanzler.

Im Arbeitskreis habe sich bei Hindenburg und von Braun ein Patt ergeben und nur noch eine knappe Mehrheit dafür, Langbehn abzuhängen, sagte Stangl. Bei zwei Offizieren gebe es neue Erkenntnisse, die diese in ein besseres Licht rücken würden, berichteten mehrere Teilnehmer. Die übrigen Soldaten sollten nicht mehr als Namensgeber fungieren. In zwei Fällen könnte man die Schilder hängen lassen, sie aber gleichnamigen Prominenten zuordnen.

Die Lützowstraße könnte dem preußischen General Ludwig Adolf Wilhelm von Lützow gewidmet werden, der ein Freikorps gegen die napoleonische Armee führte, und die Zenettistraße dem Architekten Arnold Zenetti wie in München. Der bisherige Namensgeber Emil Zenetti war als Freikorpsoffizier an Massakern gegen Anhänger der Münchner Räterepublik beteiligt und warb als General für den rassistischen Eroberungskrieg der Nationalsozialisten als einen Weltanschauungskampf.

Dagegen hatte der Kulturausschuss im März 2015 einstimmig beschlossen, die acht Offiziere und Langbehn nicht mehr zu ehren. Gegen Hindenburg und von Braun sprach sich jeweils eine klare Mehrheit von 12:3 aus. Allerdings beschloss das Gremium damals auf Vorschlag von Oberbürgermeister Klaus Pleil (BBV), die Anwohner zu hören. Diese Veranstaltungen fanden im Sommer statt und eine klare Mehrheit verteidigte die Straßennamen, im Falle des Schriftstellers Langbehn beharrte ein Teilnehmer in Puch sogar auf dessen Rassenlehre. In Bezug auf Hindenburg schlugen einige vor, eine Art Informationspfad über die Verfehlungen des Generalfeldmarschalls einzurichten.

Das entspricht der Linie der BBV. Fraktionssprecher Klaus Quinten möchte ins Bewusstsein rücken, dass Hindenburg mit Durchhalteparolen noch 1917 das Morden verlängert und mit der Dolchstoßlegende die Saat für die Nationalsozialisten ausgebracht habe: "Es geht um Erinnerung, nicht um Ehrung." Derzeit würde eine Mehrheit der Anwohner eine Umbenennung ablehnen. Vielleicht könnte Aufklärung dazu führen, dass sich die Akzeptanz in ein paar Jahren einstellt, sagte Quinten.

Wollenberg betonte, dass es ihm vor allem um eine Befriedung der Anwohner geht. "Ich will keinen Kulturkampf haben", sagte er. Die Langbehnstraße in Puch könnte man der heiligen Edigna widmen, die in dem Ortsteil verehrt wird, und den jetzigen kleinen Edignaweg anders benennen. Quinten und Wollenberg gehörten allerdings zu jenen, die am Beginn der Debatte darauf beharrten, dass von Braun große Verdienste als Weltraumpionier habe und der Wehrwirtschaftsführer Willy Messerschmitt nach dem Krieg nützliche Dinge wie den Kabinenroller gebaut habe. Der Kulturausschuss hatte deshalb mit 8:7 Stimmen beschlossen, den Namen zu belassen. Dabei mussten in Messerschmitts "nationalsozialistischem Musterbetrieb" Zwangsarbeiter schuften, und er hatte die Verlagerung seiner Flugzeugproduktion in Konzentrationslager begrüßt.

Der Arbeitskreis wird sich weiterhin treffen um eine endgültige Empfehlung zu formulieren. Lämmle erwartet, dass der Kulturausschuss sich erst nach der Neuwahl des Oberbürgermeisters mit dem Thema beschäftigt und befürchtet, dass keine einzige Brucker Straße umbenannt wird.

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