Girls' und Boys' Day:Weg mit den Klischees

Bruck: Girls Day im Fliegerhorst

Frauen bei der Bundeswehr: Die Offizierschule der Luftwaffe zeigte den Mädchen beim Girls' Day im vergangenen Jahr, wie Feuermachen geht.

(Foto: Johannes Simon)

Bei der Berufswahl gelten noch immer die alten Rollenbilder: Mädchen wählen die typischen Frauenberufe mit geringer Bezahlung und wenig Prestige, junge Männer bevorzugen die technischen Jobs. Girls' Day und Boys' Day sollen Alternativen aufzeigen.

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Mädchen wollen vor allem Erzieherin, Krankenschwester, Friseurin, Kosmetikerin werden. Die Jungs ziehen die technischen Berufe aus den Bereichen Bau, Metallbau, Elektro vor. Das ist keine neue Erkenntnis, doch die Vorlieben halten sich - allen Gleichstellungsbemühungen zum Trotz. Einen Versuch, die traditionellen Muster bei der Wahl der Ausbildung aufzubrechen, stellen Girls' Day und Boys' Day dar, die beide an diesem Donnerstag stattfinden und dem jeweils anderen Geschlecht Einblicke in typische Frauen- oder Männerberufe gewähren.

Schülerinnen und Schüler von der fünften Klasse an konnten sich im Vorfeld für die angebotenen Praktikumsplätze in den teilnehmenden Unternehmen anmelden, dafür müssen sie an diesem Donnerstag nicht in die Schule gehen. Damit die Mädchen technisch-gewerbliche Berufe kennenlernen können, öffnen 15 Betriebe und Unternehmen im Landkreis ihre Türen. Deutlich mehr, nämlich 37 Angebote, gibt es für die Buben. Das hat wohl auch damit zu tun, dass sich viele Kindertagesstätten am Boys' Day beteiligen. Ihnen fehlt schon jetzt das Personal und durch den forcierten Ausbau von Krippen und Kindergärten sind Erzieher und Kinderpfleger eine gesuchte Spezies geworden. Doch in den Betreuungsberufen arbeiten fast nur Frauen. Aber "Kinder brauchen Männer", hat das Awo-Kinderhaus Tausendfüßler aus Maisach über seine Einladung zum Tagespraktikum geschrieben. Kinder bräuchten männliche Vorbilder und Bezugspersonen, deshalb sollen die vier Praktikanten an diesem Donnerstag im Maisach erfahren, dass "Erzieher keine Basteltanten sind". Das "veraltete, stereotype Berufsbild und die immer noch allgegenwärtige Vorstellung, dass pädagogische Fachkräfte in Kitas mit den Kindern ,nur' spielen, basteln und ansonsten die Betreuungsaufgaben von Müttern fortführen", würde den Erzieherberuf unattraktiv erscheinen lassen, bestätigt eine im Vorjahr verfasste Studie des Bundesfamilienministeriums über männliche Fachkräfte in Kindertagesstätten.

"Händeringend" würden die Betreuungseinrichtungen nach Personal suchen, weiß auch Renate Konrad, die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Germering. Sie hofft, dass bei den Tarifverhandlungen eine bessere Bezahlung herauskommt: "Das würde den Beruf aufwerten, vielleicht würden ihn dann mehr Männer ergreifen."

Die schlechte Bezahlung ist ein typisches Merkmal eines sogenannten Frauenberufs. Die technischen Ausbildungsberufe punkten dagegen meist mit höherem Gehalt und mehr Sozialprestige - und werden deshalb von Männern ergriffen. Seit Mitte der Neunzigerjahre gibt es kaum Veränderungen: Etwa 70 Prozent der Frauen und Männer, so heißt es im ersten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung von 2011, sind in Berufen tätig, in denen das eigene Geschlecht dominiert, 20 Prozent arbeiten in Mischberufen und nur zehn Prozent in einem vom jeweils anderen Geschlecht dominierten Beruf. Obwohl es knapp 330 duale Ausbildungsberufe gibt, schränkt mehr als die Hälfte der Mädchen ihre Auswahl auf ein Spektrum von nur zehn Berufen ein.

Auch an der Berufsschule Fürstenfeldbruck spiegeln sich die unterschiedlichen Prioritäten von Frauen und Männern wider. So sind unter den insgesamt 453 Auszubildenden in den Bereichen Friseurhandwerk und Gesundheit (medizinische und zahnmedizinische Fachangestellte) nur zwölf Buben. Umgekehrt ist es ähnlich: Einen der klassischen Männerberufe wie Kfz-Mechatroniker, Feinwerkmechaniker, Metallbauer, Elektroniker oder Fachinformatiker wählten unter 542 Auszubildenden gerade mal 19 Mädchen. Allein bei den klassischen Dienstleistungsberufen bleibt das Geschlechterverhältnis auch an der Berufsschule Fürstenfeldbruck ausgeglichen.

Dabei sei die Tendenz zu mehr Mädchen in Männerberufen eher ausgeprägt als umgekehrt, sagt Schulleiterin Andrea Reuß: "Das ist auch ein gesellschaftlicher Effekt. Männer in Frauenberufen werden noch eher belächelt." Auch bei den Abschlussfeiern an der Berufsschule sei dieses Phänomen zu beobachten, weiß die Schulleiterin. Wenn zum Beispiel der einzige Zahnarzthelfer aufgerufen würde, würde das Publikum zumeist ein wenig grinsen, während die Kfz-Mechatronikerin Anerkennung erfahre.

Die Zukunftstage sollen hier zu einem Umdenken beitragen. Bereits seit 2001 werden jungen Frauen im Rahmen des Girls' Days Offerten für neue Berufsfelder unterbreitet. Seit 2011 gibt es das Berufsorientierungsprojekt auch für Buben. Allein 70 Praktikumsplätze stellt an diesem Donnerstag die Polizei in Fürstenfeldbruck für den Zukunftstag der Mädchen bereit, 30 sind es bei der Offizierschule der Luftwaffe. Die meisten Betriebe beteiligen sich in Germering, darunter die Stadt Germering, die in ihren Betreuungseinrichtungen junge Männer mit dem Beruf des Erziehers oder in ihrem Bauhof junge Frauen mit dem Beruf der Landschaftsgärtnerin vertraut machen möchte. Die Germeringer Firma GeBE Elektro- und Feinwerktechnik, die industrielle Datenein- und -ausgabesysteme entwickelt und produziert und eine Ingenieurin in ihrem Betrieb beschäftigt, würde eigenen Aussagen zufolge gerne mehr Frauen in diesem Bereich einstellen. GeBE beteiligt sich regelmäßig am Girls' Day. Am Ende eines solchen Schnuppertags trauten sich die Schülerinnen nach gelungenen Versuchen in Drehen, Fräsen und Löten "eine ganze Menge mehr zu", weiß deshalb Geschäftsführerin Sandra Pabst: "Genau das sollen sie mit auf ihren weiteren Weg nehmen."

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