Fürstenfeldbruck:Vorwurf der Vergewaltigung

Prozess um das dramatische und unklare Ende einer Beziehung

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck

Im Prozess um eine mutmaßliche Vergewaltigung nach dem Ende einer Beziehung zwischen zwei jungen Homosexuellen hat der zweite Verhandlungstag mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet. Die wichtigste: Wieso gibt es Unmengen von Chat-Protokollen zwischen dem 23 Jahre alten Angeklagten und seinem 18-jährigen Exfreund, aber darunter praktisch nichts Entlastendes für den Angeklagten? Dieser hatte am ersten Prozesstag vor dem Jugendschöffengericht in Fürstenfeldbruck nämlich erklärt, er habe in der fraglichen Nacht Sex mit seinem im westlichen Landkreis lebenden Exfreund gehabt. Alles sei aber einvernehmlich geschehen. Bei dieser Einlassung blieb der 23-Jährige, der die Polizei-Fachhochschule absolvieren will, auch am Montag.

Nach der Darstellung des in Gauting lebenden Angeklagten war die Anzeige seines Exfreundes gegen ihn eine Racheaktion, weil er den 18-Jährigen verlassen hatte - wegen einer Frau. Erschwerend kam noch dazu, dass der 23-Jährige die Freundschaft zu seinem Ex weiterführen wollte und in den ersten Monaten nach dem Beziehungsende auch noch gelegentlich Sex mit ihm hatte. Als er sich dann aber klar gegen eine Wiederaufnahme ihrer Beziehung ausgesprochen habe, so die Ausführung des Gautingers, habe sein Exfreund seine Drohung wahr gemacht und ihn angezeigt. Für seinen Berufswunsch bei der Polizei würde ein Schuldspruch das Aus bedeuten.

Etwa 70 Seiten an Chat-Protokollen von WhatsApp- und Email-Kommunikation zwischen den beiden liegen dem Gericht vor. Am ersten Verhandlungstag konnte der Angeklagte daraus noch auf ein paar entlastende Aussagen hinweisen. Doch am Montag findet er auf die Frage der Staatsanwältin keine befriedigende Antwort: "Es wundert, dass wir ewig viele Chats bekommen, aber in keinem steht: Es tut mir leid, die Anzeige war falsch." Derartiges hätten sie "unter vier Augen" besprochen, so der Gautinger. "Alles andere wird kommuniziert, nur das nicht", wundert sich auch der Vorsitzende Richter Johann Steigmayer.

Andere Dinge finden Richter und Staatsanwältin ebenfalls merkwürdig. Zum Beispiel, dass die Kommunikation vom Tag nach der mutmaßlichen Vergewaltigung an abgerissen war. Fast einen Monat lang. Drei Tage, nachdem der Angeklagte mit den Worten, "War's das mit der Freundschaft?", den Kontakt wieder aufgenommen hatte, unternahm sein Exfreund einen Versuch, seine Anzeige zurückzunehmen. Und eine Woche vor dem ersten Verhandlungstermin schrieb er: "Ich brauch den Freispruch." "Ich bekomme das Gefühl, dass Sie nur nett sind zu Ihrem Exfreund, damit er die Anzeige zurücknimmt", so die Staatsanwältin. Der Angeklagte verneint; ihn verbinde eine innige Freundschaft zu ihm, auch wenn das angesichts der Umstände "nicht normal" sei.

Nach der versuchten Rücknahme seiner Anzeige war der 18-Jährige ein zweites Mal polizeilich vernommen worden. Als Grund habe der junge Mann angegeben, dass "der Angeklagte sich beim Geschädigten entschuldigt hat", berichtet der Polizeibeamte. Inhaltlich habe er seine erste Aussage nicht ändern wollen. Und eine Freundin des 18-Jährigen schildert, wie ihr dieser von der Vergewaltigung erzählt hatte. "Er hat nur gesagt, dass er nicht wollte, aber musste", Gewalt habe er nicht erwähnt. Sie schildert, dass sie den Vorschlag mit der Anzeige gemacht hatte. Der Prozess dauert an.

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