Fürstenfeldbruck:Von Bienen und Büchern

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Auch an der Pucher Straße kann man jetzt Lektüre holen und tauschen

Von Katharina Proksch, Fürstenfeldbruck

Eine Bienenkönigin gibt es bei den Bienenkästen an der Pucher Straße 53 in Fürstenfeldbruck nicht. Dafür einen Bücherdrachen, der über die Bücher im öffentlichen Bücherschrank "Bücherschwarm", zusammengebaut aus alten Bienenkästen, wacht. Diesen haben Florian Döring, 51, und Carolin Vogt, 46, seit Anfang August in ihrer Einfahrt vor der alten Jugendstilvilla stehen. In vielen Stunden Handwerksarbeit hat der Hobbyimker Döring seine ausrangierten Bienenkästen zum Bücherschrank umfunktioniert und ein wetterfestes Dach mit kunstvollen Schnitzereien noch oben drauf gesetzt.

Der Bücherschrank möchte jeden zum Schmökern einladen. Gefällt ein Buch, darf man es gerne mitnehmen und im besten Fall ein anderes zum Tausch abgeben oder nach dem Fertiglesen einfach wieder zurückgeben. Wer Bücher übrig hat, darf sie gerne spenden. "Das Tauschprojekt läuft bis jetzt wirklich fair. Ganz in unserem Sinne", berichtet Vogt. Damit die Bienenkästen weiterhin ein Sammelplatz von Geschichten sein können, investieren Döring und Vogt Zeit und Geld, weshalb sie für das Projekt auf freiwillige Helfer und Spenden hoffen.

200 eigens ausrangierte Bücher waren die erste Generation in den Bienenkästen. "Bücher sind menschliches Gedankengut, es wäre nicht richtig, das wegzuschmeißen", erzählt Döring. Menschen sind wie Bienenvölker, angetrieben, die Welt zu verändern. Die Bücher sind der Honig, Geschichten der Menschen. Mit dem Schrank haben die Bücher ein temporäres Zuhause gefunden. Aber auch diese schwärmen wie Bienen aus, kommen zurück, bringen neue Arbeiterinnen mit, andere sterben auf ihrer Suche nach Nektar. "Genauso wie Bienen Honig produzieren, liefern Bücher auch Nahrung, nämlich geistige", philosophiert Döring, Musiker und Zauberkünstler. Als "Imker" des "Bücherschwarms" sortieren Döring und Vogt die Bücher regelmäßig nach Genres: Krimis, Romane, Sachbücher, Kinder- und Jugendliteratur, Kochbücher, Lernhilfen und fremdsprachige Literatur. Auch echte Klassiker wie Goethes Faust warten auf ihre Leser. "Schrankhüter und Literatur, die stark ideologisch geprägt ist, sortieren wir aus", berichtet Vogt. Außerdem werden hier keine Zeitschriften, beschädigte Bücher und Groschenromane gesammelt. Deshalb findet man tatsächlich eine gute Auswahl: John Irving, Henning Mankell, Paul Auster, Dora Heldt. Mangas und Erotikromane gibt es auch. ",Fifty Shades of Grey' steht aber schon ziemlich lange im Regal", lacht Vogt. Durch die Fluktuation der Bücher zeichne sich auch ein Gesellschaftsbild ab, denn die Auswahl sei Lesestoff gutbürgerlicher Haushalte, deutet Döring.

Zu Beginn begegneten viele Passanten den Bienenkästen mit Skepsis, es könnten sich ja Bienen dahinter verbergen. Außerdem steht der Schrank auf Privatgrund. "Die Menschen sind sehr grenzbewusst. Ich will ihnen die Angst nehmen. Hier öffnen sie sich und kommen in den Dialog mit anderen Bücherfreunden", so Döring, der inzwischen seine Stammkunden kennt.

© SZ vom 21.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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