SZ-Schulratgeber:Vom Kind zum Akademiker

Abiturprüfung am Gymnasium Gröbenzell, 2014

Ziel Abiturprüfung: Ein möglichst hoher Bildungsabschluss ist den meisten Menschen heute wichtig. Die Weichen wollen sie schon in der vierten Klasse stellen, mit dem Übertritt auf Gymnasium oder Realschule.

(Foto: Johannes Simon)

Die Übertrittsquoten an die Gymnasien sind zuletzt zwar ein wenig zurückgegangen, bleiben aber auf hohem Niveau. Neuerdings wählen viele gerne die Realschule, weil auch sie später zum Abitur führen kann.

Von Heike A. Batzer

- "Frau Müller muss weg." Was der aktuelle Kinofilm, in dem Eltern eine Lehrerin loswerden wollen, weil sie den Übertritt ihrer Kinder ans Gymnasium gefährdet sehen, überspitzt thematisiert, bildet die allgemeine Entwicklung der vergangenen Jahre ab: Eltern möchten, dass ihre Kinder unbedingt das Gymnasium besuchen, Realschule geht auch, Mittelschule eher nicht.

Auch im Landkreis Fürstenfeldbruck haben die Übertrittsquoten ein hohes Niveau erreicht. Vier Fünftel aller Grundschüler im Landkreis wechselten zum Beginn des laufenden Schuljahres auf eine weiterführende Schule. Der Spitzenwert aus dem Schuljahr 2010/2011 mit einer Gesamtübertrittsquote von 84 Prozent wurde allerdings seither nicht mehr erreicht.

Der große Run

Der große Run auf die Gymnasien und Realschulen setzte Anfang des Jahrtausends ein, nachdem die Übertrittsquoten zuvor seit den Achtzigerjahren bei einem Drittel (Gymnasium) und einem Fünftel (Realschule) verharrt hatten. Der Landkreis Fürstenfeldbruck gehört im Großraum München zu jenen Regionen mit den höchsten Übertrittsquoten. Einzig in den Kreisen München und Starnberg ist der Andrang noch ein wenig höher: vor allem an die Gymnasien, mit 61 und 57 Prozent. Im Kreis Fürstenfeldbruck wechselten im vergangenen Herbst 48,7 Prozent von der Grundschule an ein Gymnasium und damit etwa genau so viele wie im Schuljahr 2005/2006. Dazwischen stiegen die Zahlen an, bis zum Höchstwert von 53,9 Prozent im Jahr 2010. Seither sanken sie um etwas mehr als fünf Prozent.

Das hat auch damit zu tun, dass die Realschulen immer beliebter werden. Die Übertrittsquote von 30,5 Prozent im vergangenen Herbst bedeutetet einen neuen Rekord. Schon einmal war die 30-Prozent-Marke geknackt worden, 2010 war das. Der Landkreis will seine Schulentwicklungsplanung noch in diesem Jahr fortschreiben. Die bislang letzte Aktualisierung 2012 ging von einer "weiterhin hohen Auslastung der Realschulen bis 2015, teilweise bis 2017" aus. Mittlerweile setzen immer mehr Eltern darauf, dass auch der Weg über Realschulen und Fachoberschulen, die sich mit einem elften, zwölften oder 13. Schuljahr anschließen können, zum Fachabitur oder sogar zum allgemeinen Abitur führt. Manche entscheiden sich damit auch ganz bewusst gegen das achtjährige Gymnasium mit seinen straffen Zeitplänen. Entsprechend überfüllt ist deshalb auch die Fach- und Berufsoberschule (FOS/BOS) in Fürstenfeldbruck.

Dass auch der Weg von der Mittelschule - früher Hauptschule - an die Fachoberschule führen kann, dringt erst langsam ins Bewusstsein. Im Landkreis stieg die Zahl der Mittelschüler in den vergangenen drei Jahren entgegen dem Landestrend sogar leicht an, zum laufenden Schuljahr um etwas mehr als zwei Prozent. Ein Fünftel der Mittelschulklassen sind dem M-Zweig zuzurechnen, in dem die Schüler nach zehn Schuljahren den mittleren Bildungsabschluss erwerben können.

In Gröbenzell gibt es keine Mittelschule mehr

Dennoch gilt ein möglichst hoher Abschluss vor allem in Gebieten mit überdurchschnittlicher Akademikerquote unter den Eltern als Ziel für die eigenen Kinder. Und so ist die Übertrittsquote in den städtischen Gebieten im Osten des Landkreises auch höher als in den ländlichen Bereichen. Beispiel Gröbenzell: Dort gibt es keine Mittelschule mehr. An den drei Grundschulen waren über Jahre hinweg so viele Kinder an Gymnasien und Realschulen übergetreten, dass keine 13 Mittelschüler übrig blieben, die notwendig gewesen wären, um dort eine Klasse zu bilden. Die Mittelschulen in Eichenau und Emmering könnte demnächst ein ähnliches Schicksal ereilen. Das Kuriose an der Entwicklung ist, dass den Mittelschulen wegen des Übertrittverhaltens zwar die Fünft- und Sechstklässler ausgehen, dass sie aber in den Jahrgängen sieben bis neun wieder gebraucht werden.

Denn alljährlich kommen die Schüler in den Mittelstufenjahrgängen in Klassenstärke von Gymnasium und Realschule zurück. Nach Angaben des Brucker Schulamtsleiters Karl Hans Grünauer waren es in Germering und Fürstenfeldbruck zuletzt jeweils 30 Kinder, die die dortigen Mittelschulen im Laufe des Jahres in ihren Schulbetrieb integrieren mussten. "Das ist ein echtes Dilemma", sagt Grünauer, denn von der Schülerzahl in der fünften Klasse hänge auch die Zahl der Lehrerstunden ab, die genehmigt werden. Kommen die Schüler erst später hinzu, fehlten die Lehrer. Zudem erhöht sich die Klassenstärke an den Mittelschulen damit von zunächst um die 20 auf bis zu 30 Schüler.

Eine ganze Nachhilfeindustrie für den Übertrittshype

30 Schüler und mehr in einer Klasse sind an den weiterführenden Schulen indes nicht ungewöhnlich. Zudem wurde die Raumnot an den sieben Gymnasien und vier Realschulen in den vergangenen Jahren immer größer. Der Landkreis muss laufend Abhilfe schaffen, mit An- und Umbauten. Dabei sind sich die Fachleute aus dem Schulbetrieb einig, dass man vielen Kindern nichts Gutes tut mit einem Wechsel an die weiterführenden Schulen. Bisweilen kommt es vor, dass sogar Kinder mit einem Notenschnitt von 4,0 an der Realschule angemeldet werden.

Es gibt aber auch das umgekehrte Phänomen, nämlich Kinder, die mit glänzendem Durchschnitt und Gymnasialempfehlung lieber an die Realschule wechselten. Inzwischen hat sich sogar eine ganze Nachhilfeindustrie auf den Übertrittshype eingestellt. Auch die Volkshochschulen bieten entsprechende Programme an. An der VHS in Germering startet am 30. März der Kurs "Deutsch Grundschule 4. Klasse - Fit für den Übertritt auf Realschule oder Gymnasium" - an vier Vormittagen in den Osterferien.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: