Fürstenfeldbruck:Verhaltener Jubel

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Kühle Temperaturen und Nieselregen vermiesen den Fans zum Auftakt der EM das gemeinsame Fußballgucken unter freiem Himmel. In den Lokalen ist es gemütlicher, aber manche bleiben lieber gleich zu Hause

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Gerade noch im Wasser, dann rauf vom Badesee in Richtung Biergarten, schnell die Badehose gegen das Deutschland-Trikot getauscht und einen Platz vor dem riesigen Bildschirm gesucht. Es hätte so schön sein können, wenn, ja wenn das Wetter mitgespielt hätte. Fußballschauen auf dem Freizeitareal am Pucher Meer ist trotzdem möglich in diesen Tagen, ein eigenes großes, weißes Zelt in Form einer Jurte haben sie dort aufgestellt, darin steht für vier Wochen eine große Fernsehwand, drei Meter achtzig misst die Diagonale. Der Andrang am kühlen Sonntag hielt sich freilich in Grenzen, obwohl die Deutschen ihren Einstand gaben bei dieser Europameisterschaft. Am frühen Abend begann es wieder zu nieseln, da zogen wohl viele das eigene Wohnzimmer vor. Am Pavillon Beach an der Amper wurde das Public Viewing kurz vor sechs Uhr ganz abgesagt.

In einem Zelt am Pucher Meer steht eine riesige Leinwand, dort freuen sich am Sonntag die Fans über den deutschen Auftaktsieg. (Foto: Johannes Simon)

Am Pucher Meer hat das gemeinsame Erleben von Fußballgroßveranstaltungen Tradition, der ehemalige Wirt hatte eigens einen Bereich dafür geschaffen. Nun gibt es neue Besitzer - MoT Gastro aus Alling -, die das Gelände gerade umgestalten lassen. Der Biergarten wurde erneuert, die Strandbar aufgehübscht. Auch der Name ist neu: "Pier 80" heißt die Location jetzt, die jahrelang unter dem Namen "Leuchtturm" bekannt war.

Wer wie Ulrich Schmetz auch früher schon zum Public Viewing ans Pucher Meer gekommen ist, tut das auch bei dieser EM. Bei jedem Wetter. Schmetz, als SPD-Stadt- und Kreisrat bekannt sowie als Vater der ehemaligen Bundesliga-Torhüterin Ulrike Schmetz, kommt mit einigen Nachbarn und Freunden. Er selbst sei "nicht so fanatisch", sagt Schmetz, aber ein "gewisses Nationalgefühl" habe er schon. Derweil faltet Walter Schwarz, sein SPD-Kollege aus dem Brucker Stadtrat, seinen Tippschein auf. Sämtliche Vorrundenspiele hat er bereits mit Ergebnissen versehen, er "liege ganz gut", stellt Schwarz nach den ersten Partien zufrieden fest.

Zusammen ist man weniger allein: Das gilt auch beim gemeinsamen Fußballgucken. (Foto: Johannes Simon)

Im TV-Zelt wurden Bierbänke aufgereiht, alle hintereinander. Es ist ein bisschen wie im Kino. Alle Bänke sind mit Lehne ausgestattet, das ist bequem. Dafür nur zwei Tische, ganz vorne, die sind bereits belegt. Essen und Getränke holt man sich draußen. Knapp 60 Fußballfans werden sich einfinden, das Zelt ist vielleicht zu einem Drittel gefüllt, als die erste Partie der Deutschen gegen die Ukraine bei dieser EM beginnt. Ein Mann kommt mit schwarz-rot-goldener Perücke, ansonsten dominiert Alltagskleidung. Es ist kühl, fast alle behalten ihre Jacken an. Wer ein Deutschland-Trikot trägt, hat sich einen Pulli drunter angezogen. Für richtige Euphorie ist es möglicherweise nicht warm genug an diesem Abend. Ein lautes, kollektives Raunen wird freilich immer dann hörbar, wenn auf dem großen Bildschirm Nahaufnahmen in Zeitlupe zu sehen sind: als Neuer rettet, als Kroos seinen Gegenspieler unsanft mit der Hand im Gesicht trifft, als Boateng im Rückwärtsfallen den Ball noch von der Linie kratzt. Natürlich jubeln sie dann alle laut, als Mustafi zum 1:0 trifft, doch schnell kehrt wieder Ruhe ein und die Gäste lauschen weiter der ARD-Übertragung.

In der kleinen Brucker Sportbar namens Klubhouse zeigen sechs TV-Geräte EM-Fußball. (Foto: Johannes Simon)

Das Klubhouse hat an diesem Abend den Vorteil, Indoor-Fernsehen anbieten zu können. Ein bisschen wie daheim. Erst seit zwei Wochen hat die neue Location am Leonhardplatz geöffnet - in den Räumen, in denen es einst ein Lokal namens "Alte Liebe" gab. Eine Sportbar "von Freunden für Freunde" wolle das Klubhouse sein und "kein Trendlokal", sagt Michael Weidinger, der die Bar zusammen mit seinem Bruder Christian, mit Bernie Grellmann und Maxi Tippner führt. EM-Fußball steht jetzt im Fokus, auf den sechs Bildschirmen aber läuft auch sonst ständig Sport: Tennis, US-Basketball, auch Randsportarten. 40 Besucher finden in der kleinen Kneipe Platz, die Besucher kommen vor allem aus Sportvereinskreisen, was kein Wunder ist, stammen die Betreiber doch aus der Brucker Handballszene.

Von jedem Platz im Lokal kann man mindestens auf zwei Bildschirme schauen, natürlich ist an diesem Abend auch der Ton des TV-Kommentators zu hören. Die deutschen Fußballer in Lille mühen sich in Halbzeit zwei, die Leute an den Tischen in Fürstenfeldbruck unterhalten sich, stärken sich mit Burgern und behalten das TV-Bild im Auge. Allzu viele Tore gab es ja nicht zu bestaunen am Auftaktwochenende dieser Europameisterschaft, und so rechnen wohl auch die Besucher im Klubhouse nicht mehr mit allzu vielen Erfolgserlebnissen. Als Bastian Schweinsteiger, der vormalige Kapitän, in der 90. Minute eingewechselt wird, munkelt einer, dies sei wohl nur dazu gedacht, ihm nun wieder die Kapitänsbinde zurückzugeben und damit die angekündigte Nachspielzeit zu überbrücken. Denkste! Wer hätte gedacht, dass der Bayer aus Manchester nur zwei Minuten später ein Traumtor macht zum 2:0-Sieg für Deutschland? Im Klubhouse reißen sie alle die Arme hoch, lauter Jubel setzt ein, auch spontaner Applaus für den Überraschungstorschützen, den sie ja nur auf dem Fernsehschirm sehen können. "Ein schönes Ding", "Weltklasse", lauten die Kommentare dazu. Dann ist Abpfiff. Die Gäste zahlen - und gehen.

© SZ vom 14.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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