Fürstenfeldbruck:Vereine im Überlebenskampf

Fürstenfeldbruck: Manchmal genügt ein Blick in die richtige Richtung, um die Lösung für ein unüberwindbar scheinendes Problem zu finden. Karikatur: Guido Zingerl

Manchmal genügt ein Blick in die richtige Richtung, um die Lösung für ein unüberwindbar scheinendes Problem zu finden. Karikatur: Guido Zingerl

Vielen ehrenamtlich geführten Organisationen fällt es zunehmend schwer, Funktionäre zu rekrutieren und aktive Helfer zu finden. Nicht selten liegt es jedoch daran, dass junge Menschen nicht frühzeitig genug eingebunden werden

Von Anna Landefeld-Haamann, Fürstenfeldbruck

Klickt man sich durch die Homepage der "Tierfreunde Brucker Land", stößt man auch auf die Rubrik "Ziele des Vereins". Neben Erwartbarem wie "Verbot von Tierversuchen" und "Abschaffung von Tierferntransporten" findet sich auch ein ganz menschlicher Punkt: "Förderung der Jugend" heißt es an vorletzter Stelle der Liste. Dabei könnte genau diese Aufgabe bald die dringendste werden. Denn in knapp anderthalb Jahren legt die 63-jährige Vorsitzende Heidi Minderlein ihr Amt aus gesundheitlichen Gründen nieder. Ein Nachfolger ist trotz intensiver Suche noch nicht gefunden - ändert sich daran nichts, steht der erst im Jahr 2001 gegründete Verein vor dem Aus. Die Tierfreunde stehen mit diesem Problem jedoch nicht allein da. Denn vielen Vereinen im Landkreis fehlt es nicht einfach nur an Mitgliedern, sondern an solchen, die bereit sind, sich einzubringen. Andere Vereine finden kaum noch neue Mitglieder, vor allem Jugendliche wollen sich nur noch selten binden.

Für Heidi Minderlein ist das Problem klar: Es gibt zwar genug Interessenten, aber wenige schätzen die Belastung vorab richtig ein. Denn die Arbeit ist eine dreckige Arbeit, und das ist nicht das, woran die jungen Leute bei einem Tierheim denken. Viele glaubten, es gehe nur darum, die Tiere zu streicheln und mit den Hunden spazieren zu gehen. Käfige und Ställe ausmisten, kranke Tiere versorgen, füttern - das hätten sie nicht im Kopf. Schon oft habe sie erlebt, dass jemand zwei oder dreimal vorbeigeschaut hat und danach nie wieder gekommen ist. Richtig verübeln könne sie es den Jugendlichen nicht. "Gerade wenn man jung ist, möchte man seine Freizeit genießen."

Inge Maier vom Brucker Tierschutzverein geht noch einen Schritt weiter: "Die jungen Leute hängen ja nur vorm Computer rum." Höchstens in den Ferien käme mal einer vorbei, um mit den Hunden Gassi zu gehen. Früher, das heißt vor 30 Jahren, sei das ganz anders gewesen. Damals hätten oft bis zu zehn Jugendliche regelmäßig beim Verein mitgeholfen. "Heute ist kaum noch einer bereit, über einen längeren Zeitraum Verantwortung zu übernehmen", sagt die 71-Jährige. Wie Maier sind alle Vorstandsmitglieder des Tierschutzvereins älter als 70 Jahre, bei den Beiräten sieht es nicht anders aus. 550 Mitglieder zählt der Verein, der Altersdurchschnitt liegt hier zwischen 50 und 60 Jahren.

Gerade in kleineren Gemeinden und ländlichen Regionen beobachtet auch Peter Knuff, dass es den Vereinen nicht an Interessenten mangelt, sondern es lediglich nicht gelingt, die Jugendlichen frühzeitig für kleinere Aufgaben im Verein einzubinden. Knuff ist Vorsitzender des Bundesverbandes deutscher Vereine und Verbände. Oft erreichten Knuff Klagen darüber, dass Jung und Alt zu wenig zusammenarbeiten. "Der Nachwuchs wird als Bedrohung wahrgenommen." Dabei wäre es wichtig, den Jungen etwas zu zutrauen. So liege es weniger an den Jugendlichen als häufig an den Vereinsvorsitzenden selbst. Viele Vorstände sind überaltert, einige sitzen seit Jahrzehnten auf ihren Posten und haben den Kontakt zur Jugend verloren. "In solchen verkrusteten Strukturen kann gar nichts Neues entstehen", sagt Knuff. Von einem Niedergang des Vereinswesens zu sprechen, führt ihm jedoch zu weit.

Dem Männerchor Emmering mangelt es zwar nicht an engagierten Mitgliedern. Erst vor kurzem gewann der Verein vier neue Sänger hinzu. Seit Jahren gelingt es dem Chor, die Austritte auszugleichen, sodass immer um die 30 Sänger aktiv sind. "Nur die jungen Männern bleiben aus", sagt der erste Vorsitzende, Otfrid Lankes. So sind die meisten Mitglieder über 60 Jahre alt. Dabei gibt es im Landkreis junge Sänger. Ende Mai nahmen 14 Chöre aus dem Landkreis beim 22. Kinder- und Jugendchorsingen in Moorenweis teil. Auch im Juni beim 66. Kreissingen fielen Lankes talentierte jugendliche Tenöre und Bässe auf. "Wir wünschen uns jungen Nachwuchs, aber wünschen allein reicht bekanntlich nicht aus.". Deshalb werde der Chor versuchen, die Jugendlichen bei solchen Veranstaltungen persönlich anzusprechen - mit der Hoffnung, dass sie später in den Verein eintreten.

Dass es auch anders gehen kann, zeigen die Gartenbauvereine mit ihren 7500 Mitgliedern. Deren Kreisvorsitzender Andreas Knoll hat den Ernst der Lage bereits vor fünf Jahren erkannt. Als einige der 29 Vereine aufgrund von Überalterung des Vorstands von der Auflösung bedroht waren, wusste der 66-jährige Landsberieder, dass er handeln muss. Inzwischen gibt es in 20 Vereinen 40 Betreuer, die sich um den Nachwuchs kümmern. Darüber hinaus pflegen die Vereine Patenschaften mit Kindergärten. Im Kreislehrgarten zeigen sie den Kindergartengruppen, wie man gärtnert, mostet, imkert und bald auch, wie man Brot backt. "Ich bin mir sicher, dass solche Erlebnisse die Kinder prägen und sie Zuhause davon erzählen." Die Rechnung des Kreisverbandes scheint aufzugehen. Inzwischen sitzen in den Vereinsvorständen einige junge Frauen, viele davon haben Kinder. "Sie haben die klassische, ältere Männergeneration abgelöst und bringen frischen Wind", sagt Knoll.

Auch beim SV Esting schaut man gelassen in die Zukunft. Auch das ein Ergebnis langfristigen Engagements. Dort hat man bereits vor zehn Jahren den "AK Zukunft" gegründet. Dieser entwickelt Ideen, wie man Jugendliche durch kleine Projekte an die Vereinsarbeit heranführen kann. So organisierte der Nachwuchs in diesem Jahr den Hindernislauf "Amper Challenge". 80 Freiwillige kümmerten sich neben administrativen Aufgaben auch um Musik, Essen, Homepage und Facebook-Auftritt. "Man muss den jungen Leuten nur mal freie Hand lassen", sagt Hermann Glas, Geschäftsführer des SV Esting und Referent des BLSV. Dass das Konzept funktioniert, haben die Vorstandswahlen im Mai gezeigt. Der neue erste Vorsitzende Tilman Brenner ist ein "Kind des Vereins", noch keine 40 Jahre alt und wurde als ehemaliger sportlicher Leiter behutsam an die Vorstandsarbeit herangeführt.

Für Andreas Knoll verläuft der Schnitt in der Vereinskultur zwischen östlichem und westlichem Landkreis. In den ländlichen Strukturen des Westens sei das Vereinsleben viel stärker in der Gesellschaft verankert - auch bei den Kindern und Jugendlichen, die bereits früh ins Vereinsleben einbezogen werden. Die östlichen Gemeinden dagegen seien oft Schlafstädte, in denen durch die Verstädterung viele Menschen meist anonym nebeneinander her leben. Das wirke sich natürlich auch auf die Aktivität in Vereinen aus. Dennoch blickt Knoll für den gesamten Landkreis positiv in die Zukunft. Wenn sich die Vereine, so glaubt er, stärker auf die Jugendarbeit besinnen und dem Nachwuchs mehr zutrauen, sollten auch die vielen strauchelnden Gruppen künftig wieder auf die Beine kommen.

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