OB-Wahl:Umbenennung von Straßen bleibt Zündstoff

OB-Wahl: Knapp 300 Besucher verfolgen am Montagabend im Veranstaltungsforum die Podiumsdiskussion.

Knapp 300 Besucher verfolgen am Montagabend im Veranstaltungsforum die Podiumsdiskussion.

(Foto: Voxbrunner Carmen Mittelstetten)

Bei der Podiumsdiskussion der Süddeutschen Zeitung machen sich fast 300 Besucher ein Bild von den sechs Oberbürgermeister-Kandidaten. Es gibt profunde Details, Floskeln und Pointen. Nur bei einem Thema offenbaren sich wirklich gravierende Meinungsunterschiede

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Wirklich unüberbrückbare inhaltliche Differenzen zwischen den sechs Brucker Oberbürgermeister-Kandidaten sind auch am Montagabend nicht deutlich geworden - lediglich beim Punkt "Umbenennung von Straßen" gingen die Meinungen deutlich auseinander. Dafür aber konnten sich die fast 300 Besucher im Veranstaltungsforum bei der SZ-Podiumsdiskussion ein recht gutes Bild machen, wie die Frau und ihre fünf Mitbewerber "ticken", was sie drauf haben, wie bürgernah und sachkundig sie sind, wie gut sie sich verkaufen können, kurz: wie geeignet sie fürs höchste Amt der Stadt wären. Denn bei der OB-Wahl spielt die Persönlichkeit meist eine größere Rolle als die Partei oder Gruppierung, für die ein Kandidat antritt.

Im Laufe der sehr detaillierten, fast drei Stunden dauernden und von Christian Hufnagel moderierten Debatte verteilen die Zuschauer den Applaus zwar relativ gleichmäßig - weshalb der Leiter der Brucker SZ-Lokalredaktion augenzwinkernd ein Kopf-an-Kopf-Rennen am 7. Mai und eine folgende Stichwahl prophezeit. Gleichwohl spüren Florian Weber (Die Partei), Elisabeth Staffler (Leben in Bruck), Martin Runge (BBV/Grüne), Erich Raff (CSU), Philipp Heimerl (SPD) und Georg Stockinger (Freie Wähler) sehr schnell, wo sie die Brucker hinter sich haben und wo eher nicht. Staffler, die genau um 19.29 Uhr und damit Just-in-time den Saal betreten hat, spürt, dass nicht alle ihren manchmal etwas langatmigen, gewundenen Erklärungen im Managersprech etwas abgewinnen können. Wohl auch deshalb, weil sie zu den meisten Punkten erklärt, ein OB habe das gar nicht zu entscheiden, und man solle sich lieber noch mal mit allen Betroffenen an einen Tisch setzen und gemeinsam eine Lösung suchen. Für den Job des Streitschlichters, den man sich bei manch hitziger Stadtratsdebatte wünschen würde, bringt sie immerhin die besten Voraussetzungen mit.

Der amtierende Bürgermeister Erich Raff ist eher als dünnhäutig bekannt und dafür, dass ihm schon mal der Kragen platzt. Das deutet sich einige Male auch auf der Bühne in Fürstenfeld an, letztlich aber trägt der 64-Jährige seinen Teil dazu bei, dass die ganze Debatte friedlich sowie ohne großes Wahlkampfgetöse abläuft und alle pfleglich mit ihren Konkurrenten umgehen. Neben ihm sitzt mit Martin Runge ein Alphatier. Der Gröbenzeller vermittelt den Eindruck, dass er sich hervorragend in die Brucker Materie eingearbeitet hat und sachkundiger ist als die meisten seiner Mitbewerber. Um all die Details unterzubringen, sprudeln die Fachbegriffe aber stellenweise so schnell heraus, dass der eine oder andere im Saal aussteigt. Während sich Georg Stockinger bodenständig und umgänglich gibt und auf rhetorische Salti verzichtet, überrascht Nachbar Philipp Heimerl mit seiner ruhigen und sachkundig wirkenden Art manchen Besucher, der einem gerade 28-Jährigen das so nicht zugetraut hätte. Und Florian Weber? Der 30-Jährige erfüllt die Erwartung, dass Politik jenseits von Zahlen, Fakten, Mehrheiten und Machtspielen unterhaltsam sein kann. Er hat Mut zur Lücke und verzichtet schon mal auf detaillierte Konzepte, hat dafür aber immer einen flotten Spruch auf Lager und die Lacher auf seiner Seite. Staffler, die um die Vorstellung Webers gebeten worden war, hatte ihn als "bunten Vogel" gewürdigt. Bei der Vorstellung erfährt man interessante Details: dass Staffler jetzt ein Smartphone besitzt, Stockinger mal Brucker Faschingsprinz war, Heimerl als Bub gerne vorn im Laster mitgefahren ist, wenn sein Opa - ein Steinmetz - zum Stockinger-Kieswerk unterwegs war, und Raff eine "reizende Gattin" hat. Als Moderator Hufnagel am Ende fragt, wie die Kandidaten ihre Chancen einschätzen und wen sie neben sich in der Stichwahl sehen, reichen die Äußerungen von diplomatisch (Raff: "Ich traue es allen zu") bis "realistisch" (Runge sinngemäß: Heimerl, Raff und Runge machen es unter sich aus).

Bundesstraße 2

Raff will lärmenden Schwerverkehr aus der Innenstadt heraushalten, indem er die Amperbrücke und Hauptstraße für Fahrzeuge mit 16 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht oder mehr als zehn Metern Länge sperrt. Ebenso wie Raff hält Weber eine Verlegung der B 2 als Voraussetzung beispielsweise für Tempolimits, Kreisverkehre oder Einbahnstraßenregelungen im Stadtzentrum für illusorisch. Runge würde die B 2 gerne über die Äußere Schöngeisinger Straße führen, setzt vor allem aber auf den Ausbau der S-Bahn. Staffler regt einen Dialog mit den Nachbargemeinden an, Heimerl erhofft sich Entlastung von einem Parkleitsystem und möglicherweise Parkzonen, die Anwohnern vorbehalten sind. Weil viel Verkehr hausgemacht ist, bedürfe es aber vieler kleiner Schritte, finden Heimerl und Runge. Autos verbieten jedenfalls gehe nicht, sagt Stockinger, der geräuschlosen und emissionsfreien Wasserstoffantrieb die Technologie der Zukunft sieht.

Fliegerhorst

In der Folge der zivilen Umnutzung des Fliegerhorsts freilich wird auch die Verkehrsbelastung wohl noch zunehmen. Wenn Arbeiten, Wohnen und Freizeitgestaltung zusammengebracht werden und der öffentliche Nahverkehr gleichzeitig ausgebaut wird, könnte sich das Problem Runge zufolge in den Griff bekommen lassen. Die 5000 Menschen, die die Stadt - mit Zustimmung Heimerls und Raffs - auf den 180 Hektar unterbringen will, sind dem Grünen-Politiker aber zu viel. "Zwei- bis dreitausend" seien vertretbar, um auch Grünzüge freihalten und intakte Gebäude sowie Sportanlagen erhalten zu können. Ins Blaue Palais der Offizierschule könnten vielleicht Landratsamt oder Polizeischule einziehen. Mit Maisach würde Runge gerne hart verhandeln, weil er im BMW-Fahrsicherheitszentrum eine Belastung für Bruck sieht - auch wenn Stockinger da widerspricht. Auflagen des Denkmalschutzes müssten Spielraum zum Umbau der Offizierschule zu einem Technologiezentrum lassen, fordert Raff.

Bezahlbarer Wohnraum

Heimerl will ebenso wie Runge vor allem etwas für Brucker Wohnungssuchende tun. Er spricht sich für die Gründung einer Wohnungsbaugesellschaft und einer Wohnungstauschbörse aus und will ebenso wie Staffler die Gründung von Wohnbaugenossenschaften fördern. Das findet auch Weber gut, der zudem aufs Einheimischenmodell setzt. Runge erinnert an staatliche Förderprogramme, die es schnell zu beantragen gelte. Raff und Stockinger finden, dass Bruck da schon gut aufgestellt ist, dass der Stadt aber Grundstücke für die eigene Bebauung fehlen und sie schlechte Erfahrungen mit einer eigenen Wohnungsbaugesellschaft gemacht habe.

Bürokratie

Stockinger dauern Genehmigungsverfahren viel zu lange. Die Stadtverwaltung arbeite zwar gut, brauche aber zu lange. Man müsse Probleme schneller lösen, findet auch Heimerl - er hält es für ein Unding, wenn ein Problem bei einer Bürgerversammlungen angesprochen wird und dann auch bei der Versammlung ein Jahr später erneut als ungelöst angemahnt wird. Staffler fordert, vorhandene Ermessensspielräume auch auszunutzen. Runge sieht das zwar ähnlich, verweist aber auch auf den Sinn von Gesetzen und darauf, dass Bürgerbeteiligung auch Zeit kosten kann.

Straßen-Umbenennung

Die Frage eines Zuschauers, wie die Kandidaten zur Umbenennung historisch belasteter Straßennamen stehen, offenbart erstmals deutliche Unterschiede. Stockinger, Raff und Runge wollen das ablehnende Votum der Anwohner akzeptieren und lediglich mit Zusatztafeln oder Handy-lesbaren QR-Codes (Stockinger) auf die dunklen Seiten der Namensgeber hinweisen. Weber will einzelne Straßen umbenennen wie die Langbehnstraße, die an einen antisemitischen Schriftsteller erinnere. Staffler will über Umbenennungen nachdenken und rät grundsätzlich davon ab, Straßen nach Personen zu benennen. Und Heimerl, der unter anderem Geschichte studiert hat, zeigt klare Kante. Umbenennungen? Ja!

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