Fürstenfeldbruck:Tradition und Innovation

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Werkstattkonzert: Simon Probst dirigiert in Sankt Bernhard die Passion von Johannes X. Schachtner. (Foto: privat)

Johannes Schachtner vertont seine Sichtweise der Johannes-Passion

Von KLAUS MOHR, Fürstenfeldbruck

Es gehört sicher zum Verkündigungsauftrag der Kirchen, auch neue Wege zu gehen. Die Idee, das Passionsgeschehen in der Überlieferung des Evangelisten Johannes mit einer musikalischen Sprache des 21. Jahrhunderts auszudeuten, liegt genau auf dieser Linie. Der Kirchenmusiker von Sankt Bernhard, Simon Probst, pflegt seit Jahren einen intensiven Kontakt zum Münchner Komponisten Johannes X. Schachtner und konnte bereits früher Werke von ihm uraufführen. Ein Werkstattkonzert in Sankt Bernhard war mehreren Werken des 1985 geborenen Komponisten gewidmet, auch um Kontexte herzustellen zu seiner Historien-Kantate Nr. 2 - "Passion nach dem Evangelisten Johannes", die in der Liturgie am Karfreitag, sozusagen offiziell, uraufgeführt werden soll. Das Auftragswerk aus dem Jahr 2014 ist geschrieben für Soli, Chor, Violoncello und Glocke. Mit dieser kleinen Besetzung konnte in den Worten Schachtners eine reduzierte Passion realisiert werden, die den Fokus auf bestimmte Schwerpunkte hinlenkt. Mitwirkende waren Stefan Thomas (Tenor, Evangelist), Adelheid Maria Thanner (Sopran), Balthasar Schachtner (Bass, Jesus), Johannes Schachtner (Bass), Rabia Aydin (Violoncello) sowie die Chorgemeinschaft Sankt Bernhard unter der Gesamtleitung von Simon Probst.

Insgesamt war die Aufführung der Historienkantate deutlich mehr als die Summe ihrer Teile: Aus der Kombination verschiedener Einzelschichten entstanden nicht nur neue Blickwinkel, sondern eine spannend neue Gesamtsicht auf das Passionsgeschehen. Dabei spielten vordergründige plakative Effekte keine Rolle, was bedeutet, dass zum Beispiel extreme Klangbereiche oder grell zugespitzte Klänge nicht vorkamen. Zu Beginn klopften die Chormitglieder auf unterschiedlich große Holzstücke, was wie eine Ouvertüre zum Karfreitag anmutete, bei dem Ratschen statt Glocken die Gläubigen zum Gottesdienst rufen. Ein an die barocke Musizierpraxis angelehntes Rezitativ des Evangelisten, hier ohne Begleitung, folgte. Die Rezitative im weiteren Verlauf waren oft von der Cellistin mit einem technisch sehr anspruchsvollen Part sekundiert oder konterkariert, mitunter war es auch so, dass beide Partien scheinbar unabhängig nebeneinander standen.

Im Chor erklangen zunächst weich intonierte Klangflächen, die sich breit im Raum verteilten, basierend auf einer weitgehend tonalen Umgebung. Zentrale Textstellen wie "Seht das Kreuz" waren akklamativ gefasst, exaltiert geriet das "Kreuzige ihn". Expressiv überhöhte Thanner den Klang mit einer Kombination aus Singen und Klagen. Die durch das Gemurmel im Chor und den gleichzeitig gesprochenen Text des Tenors erreichte Tonlosigkeit nach dem Tod Jesu hatte eine Art fassungslose Spannung. In den beständigen Quintklang des Chores mischten sich am Ende in ihrer Stärke zunehmende Glockenschläge, die durch die weite Unendlichkeit faszinierten. Leider waren die Gruppen der Ausführenden und der Zuhörenden in diesem Konzert etwa gleich groß. Die Konzeption, ein neues Werk in den Kontext früher entstandener Werke zu stellen und über kürzere Gesprächsphasen Einblicke in dessen Entstehungsprozess zu geben, war ausgezeichnet. Die Gespräche, die zwischen Moderator Konstantin Esterl, Schachtner und Probst stattfanden, waren hervorragend vorbereitet und boten dem Zuhörer äußerst interessante Einblicke in die Zusammenhänge.

© SZ vom 30.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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