Fürstenfeldbruck:System vor dem Kollaps

Unternehmer beklagen zu viel Verkehr auf der Straße. Doch auch auf der Schiene ist es nicht besser

Von Erich C. Setzwein, Fürstenfeldbruck

Die Rahmenbedingungen wären die besten seit vielen Jahren, doch die mittelständischen Unternehmer im Landkreis sind nicht völlig glücklich damit. Fachkräftemangel, die enorme Verkehrsbelastung und anscheinend unaufhaltsam steigenden Preise für Immobilien und Grundstücke machen den Firmen zu schaffen. Dieses Bild des Mittelstandes im Landkreis haben nicht die Mitglieder der Mittelstandsunion der CSU bei ihrer Versammlung in Fürstenfeldbruck gezeichnet, sondern Landrat Thomas Karmasin (CSU). Karmasin bezog sich dabei aber nicht auf Statistiken oder Erhebungen von Externen, sondern zitierte die Unternehmer selbst. Zumindest die, die sich in der aktuellen Unternehmerbefragung des Landkreises zu den Bedingungen geäußert haben. Inzwischen haben sich die Verkehrsprobleme weiter verschärft.

Nicht alle Pendler, die jeden Tag den Landkreis verlassen, um in München zu arbeiten, benutzen den eigenen Wagen. Doch jeder, der das tut, verursacht den Stau, in dem dann alle stehen, sagt Thomas Karmasin. Arbeitsplätze dort zu schaffen, wo die Menschen hinziehen, scheint nicht zu funktionieren. Die Firmen in der Landeshauptstadt ziehen von überall her Arbeitnehmer an, die immer weitere Wege auf sich nehmen, um zu ihren Betrieben zu kommen. Neue Straßen zu bauen, werde das Problem nicht lösen, meint Karmasin, Verbesserungen im öffentlichen Personennahverkehr dagegen könnten dazu beitragen. Doch der Ausbau der S-Bahn kommt nicht voran. "Die Infrastruktur ist insuffizient", sagt Karmasin, "viele hätten früher reagieren müssen." Auch seine eigene Partei, die CSU, kann er von diesem Vorwurf nicht ausnehmen. Dass mehr Menschen mit dem eigenen Fahrzeug unterwegs sind, statt zum Beispiel die S-Bahn zu benutzen, hat seiner Meinung damit zu tun, dass niemand "ein nicht funktionierendes System" nutze. Karmasin bekennt sich zur zweiten Stammstrecke, er fordert mehr Geld für die "marode Infrastruktur" und sagt, er halte Zuverlässigkeit der Bahn für wichtiger als die Verdichtung der Takte.

Die Verkehrssituation im Landkreis werde noch durch äußere Einflüsse verschärft. Mittelständler wie Hans Lais aus Mittelstetten halten die Erweiterung Münchens an der östlichen Landkreisgrenze in Freiham für bis zu 25 000 Einwohner für fatal. Das unterstreicht auch Karmasin: "Das ist städtebaulich und sozialpolitisch ein Wahnsinn." Denn sobald Freiham zugebaut sei, "wird neuer Bedarf kommen". Für den Landkreis könnte das unabsehbare Folgen haben.

Noch ungelöst ist laut Karmasin auch die Tarifreform des Münchner Verkehrs- und Tarifverbundes (MVV). Dem, so Karmasin, stünden gegenläufige Interessen entgegen. Die Tickets für die Bewohner in den Außenbereichen des MVV-Gebiets billiger zu machen, um die Attraktivität der öffentlichen Verkehrsmittel zu erhöhen, sei für die Landeshauptstadt nicht hinnehmbar. Denn höhere Preise für die Münchner Fahrgäste könnten die Folge sein. "Der große Wurf steht immer noch aus, weil es Verlierer geben wird", sagt der Landrat, der lange Jahre Sprecher der Landkreise im MVV-Gebiet war. Verbesserungen seien vielleicht in diesem Jahr noch zu erwarten bei gemeinsamen Zonen, um Tarifsprünge zu vermeiden. Die Landkreise stünden aber immer München und dem Freistaat gegenüber. Karmasin: "Wir sind die Juniorpartner."

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