Schüleraustausch zwischen Bruck und Neu-Delhi:Nachhilfe in Sachen Nachhaltigkeit

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Die indischen und deutschen Schüler mit ihren Lehrerinnen von der Kester-Haeusler-Stiftung. (Foto: Kester-Haeusler-Stiftung)

Jugendliche aus der Kreisstadt und Indien befassen sich mit der Nutzungsdauer von Gebrauchsgegenständen und Recycling

Von Nina Storner, Fürstenfeldbruck

"Wir erklären unseren Partnern jetzt, was es mit den Wertstofftonnen im Landkreis auf sich hat", sagt ein 16-jähriger Schüler. Neben ihm sitzt ein etwa zwei Jahre jüngerer indischer Junge, der aufmerksam zuhört. Am Vormittag hatten sie und ihre Schulkameraden den Großen Wertstoffhof in Fürstenfeldbruck besucht. Nun sitzen die 24 Schüler der Ferdinand-von-Miller-Realschule und der Modern School Vasant Vihar aus Neu-Delhi in Gruppen in den Räumlichkeiten der Kester-Haeusler-Villa und arbeiten fleißig daran, das Gesehene möglichst gut zu vermitteln und prägnant darzustellen. Beim Projekt "Goodwill not Landfill" lernen die Jugendlichen beider Nationen dabei weitaus mehr als nur ein paar Wörter Englisch.

Das Smartphone ist als multifunktionales Kommunikationswerkzeug aus dem heutigen Alltag kaum mehr wegzudenken. Insbesondere Jugendliche, die mit den komfortablen Wegbegleitern aufgewachsen sind, sollten aber wissen, welche wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Konsequenzen der verschwenderische Umgang mit dem Luxusgut in der heutigen "Wegwerfgesellschaft" mit sich bringen kann. So dachten sich das zumindest die Lehrerinnen Priya Garg, Aseema Gokhale, Suvidha Khatri, Ina Falkner, Claudia Althammer und Dorothea Kunz. "E-Waste, also Elektronikschrott, ist ein wachsendes, weltweites Problem", erklärt eine der Lehrerinnen. "Goodwill not Landfill", zu deutsch etwa "Wohlwollen statt Deponieren", solle ein Bewusstsein bei der nächsten Generation für globale Zusammenhänge schaffen. Als Beispiel, das nahezu jeden betreffe, wählten die Lehrerinnen deshalb das Mobiltelefon. Dabei erarbeiteten sich die Jugendlichen selbstständig alles vom technischen Aufbau über die Gewinnkette bis hin zu den Möglichkeiten eines fairen Handys oder Recyclingkonzepten.

Unterstützung von Seiten der Eltern gebe es reichlich, loben die Lehrerinnen, zudem seien die Schüler durchweg motiviert. Das Projekt sei zwar mit viel Arbeit verbunden, vor allem mache es aber Spaß, erzählt eine Schülerin. "Wir machen ja auch schöne Ausflüge, zum Ammersee oder zum Schloss Ettal." Das Projekt sei nicht nur bezüglich seines Aufwands außergewöhnlich, so die Lehrerinnen, es hebe sich von anderen Schüleraustauschen besonders dadurch ab, dass das Problembewusstsein nachhaltig über das Klassenzimmer hinaus transportiert werde. Die in den zwei Wochen erarbeiteten Inhalte werden in Plakaten, Präsentationen und Mappen gebündelt und bis zum Gegenbesuch der deutschen Schüler in vier Monaten in einem Dokumentarfilm aufgearbeitet. Dieser soll dann an weitere Einrichtungen, Stiftungen und Klassen weitergereicht werden.

Deutsch, Englisch, Erdkunde und IT sind die fachlichen Kenntnisse, die erworben werden. Viel wichtiger ist aber beispielsweise die Erkenntnis, rücksichtsvoll mit den Essensgewohnheiten anderer Kulturen umzugehen. Oder zu begreifen, dass ein Rohstoff namens Coltan für die heutigen Handys mehr oder weniger unabdingbar ist, seine Vorkommen aber möglicherweise nur noch 25 Jahre reicht. "Mit dieser Betroffenheit verstehen die Schüler die Notwendigkeit von Recycling in ihrer ganzen Bedeutung", betont eine Lehrerin. "Wenn nicht sie es tun, wer dann?" Zu begreifen, wie ähnlich sich die Länder sind, sei eine weitere Erkenntnis. Mit diesem umfangreichen Konzept konnte "Goodwill not Landfill" nicht nur die Robert-Bosch-Stiftung überzeugen.

Als die Kester-Haeusler-Stiftung von dem Projekt erfuhr, bot sie den Schülern sofort ihre Räumlichkeiten an der Dachauer Straße an. "Werteförderung ist für uns Kulturförderung", sagt Vorstandsbeauftragte Karin Wolfrum über das Projekt. Das Konzept erfülle die Ansprüche der in Fürstenfeldbruck ansässigen Stiftung in seiner Vielseitigkeit und Tragweite in jeglicher Hinsicht.

© SZ vom 19.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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