Fürstenfeldbruck:Spielerbeine und Kaffeekapseln

Die Firma Stemmer Imaging in Puchheim ist Marktführer bei der industriellen Bildverarbeitung. Mit dieser Technologie ist es nicht nur möglich, die Laufwege beim Fußball zu erfassen, sondern auch in Produktionsprozessen die Qualität zu verbessern. Inhaber Wilhelm Stemmer erhält für sein Lebenswerk den Gründerpreis der Sparkasse

Von Erich C. Setzwein, Fürstenfeldbruck

Dortmunds Trainer Jürgen Klopp hatte im Spiel gegen den FC Bayern am vergangenen Samstag seine Gründe, als er Shinji Kagawa vom Platz holen ließ. Es waren nicht nur offensichtlich taktische Gründe, die Borussia neu zu formieren und einen ausgepumpten Spieler durch einen frischen zu ersetzen, sondern sicher auch mathematische. Denn längst wird in Bundesligaspielen nicht mehr nur nach dem Augenschein gehandelt, sondern nach μMesswerten der Laufwegestatistik und vieler anderer Daten. Nicht nur der BVB, auch der letztlich siegreiche Gegner Bayern verfügt über die Auswerter hinter den Trainern. Auch wenn sich Neuzugang Xabi Alonso hinterher nicht mehr an seine 94 Ballkontakte erinnern konnte, so hätte ihm Pep Guardiola doch sagen können, dass er bei 74 Pässen immerhin eine Quote von fast 90 Prozent gehabt hatte. All das wissen die Fußballer - und teilweise auch die Fernsehzuschauer - nur, weil die Technik für diese Statistik aus Puchheim kommt. Die Sparkasse Fürstenfeldbruck hat den Inhaber des europäischen Marktführers der industriellen Bildverarbeitung, Wilhelm Stemmer, am Montag mit ihrem Gründerpreis "Lebenswerk" geehrt.

Ob Fußballer übers Spielfeld jagen oder in einer industriellen Fertigung eine besondere Qualitätskontrolle nötig ist, dürfte für die Technologen von Stemmer Imaging mit Sitz an der Gutenbergstraße in Puchheim einerlei sein. Denn in beiden Fällen geht es um Kameraaufnahmen von bestimmten Abläufen. Während es beim Beispiel Fußball aber immer noch Menschen braucht, die die auf dem Feld agierenden Spieler den jeweiligen Kameras zuordnen, so müssen die Industriekameras selbstständig arbeiten und erkennen, wenn ein Fehler auftritt. Wenn ein Trainer einen schwächelnden Spieler austauschen will, kann es viele Minuten dauern, bis das tatsächlich geschieht. In der Industrie darf nach einem Fehler manchmal nur eine Mikrosekunde vergehen, um einen Prozess zu stoppen.

Fürstenfeldbruck: Wilhelm Stemmer (links) wurde von Sparkassen-Vorstandsmitglied Peter Harwalik mit dem Gründerpreis "Lebenswerk" ausgezeichnet.

Wilhelm Stemmer (links) wurde von Sparkassen-Vorstandsmitglied Peter Harwalik mit dem Gründerpreis "Lebenswerk" ausgezeichnet.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Etwas mehr als eine Millionstel Sekunde hat es schon gedauert, bevor aus der am 1. Juli 1973 in der Schöngeisinger Straße in Fürstenfeldbruck gegründeten Firma Stemmer Elektronik das heutige Unternehmen mit 220 Mitarbeiter und zehn europäischen Vertretungen wurde. In der Eröffnungsbilanz über 4800 D-Mark sind gerade einmal ein Kassenbestand und das Firmenauto, ein Renault R4, zu finden. Im Geschäftsjahre 2013/14 wird ein Umsatz von 67 Millionen Euro ausgewiesen. In all den Jahren des Aufbaus in Fürstenfeldbruck, des Umzugs nach Puchheim und der dortigen Expansion habe er nur einen einzigen Kredit der Sparkasse benötigt, sagt der 70 Jahre alte Firmenchef bei der Entgegennahme des Gründerpreises für sein Lebenswerk. Seinerzeit nämlich, als er ein neues Firmengebäude errichtete. Dort, in Puchheim, erlebten Stemmer und seine zunächst kleine Schar von Mitarbeitern in den Achtzigerjahren den PC-Boom in der Industrie und produzierten die entsprechenden Komponenten und Endprodukte. Was zunächst nur in Forschung und Entwicklung eingesetzt wurde, nahm schon bald auch Platz in den Fertigungshallen ein: Geräte zur Erfassung von Messdaten und Bildern. Stemmer ist heute noch sehr stolz darauf, in seinem Fachgebiet einige Pionierleistungen vollbracht zu haben und Geräte und Dienstleistungen anbieten von sehr individuellem Zuschnitt anbieten zu können. Das gilt nicht nur für den Sport, sondern unter anderem auch für die Produktion der Kaffeekapseln von Nespresso. Christof Zollitsch, seit 2001 Mitgesellschafter und Geschäftsführer, erklärt das so: Nespresso-Kapseln werden aus dünnen Alublechen ausgestanzt. Aluminium ist ein teurer Rohstoff, je dünner also das Blech ist, desto besser. Doch irgendwann ist das Blech zu dünn und der Druck später in der Kaffeemaschine würde die Kapsel sprengen. Damit die Toleranzen bei der Fertigung minimal bleiben, müssen die Produktionsprozesse technisch überwacht werden. Da kommen Stemmers Kameras samt Messtechnologie zum Einsatz. Während zum Beispiel eine Stanze in hoher Geschwindigkeit aus dem Alublech zwölf Kapseln stanzt, prüfen zwölf Kameras in ebenso schnellem Tempo, ob die Dicke der Kapselwand noch ausreichend ist oder ob Kapsel fehlerhaft sind. Wenn diese Qualitätskontrolle anschlägt, wird innerhalb des Bruchteils einer Sekunde der Fehler beseitigt, das defekte Aludöschen entfernt, so dass es gar nicht erst mit Kaffeepulver befüllt werden und so auch in der heimischen Kaffeemaschine keinen Schaden anrichten kann. Für solche und andere Entwicklungen ist Stemmer im vergangenen Jahr vom bayerischen Wirtschaftsministerium mit dem Preis "Bayerns Best 50" ausgezeichnet worden. Derzeit überlegt man bei Stemmer Imaging, wie es gelingen könnte, die Firma zu vergrößern und in Puchheim ansässig zu bleiben.

Die Gründungs- und Aufbauarbeit würdigt die Sparkasse mit ihrem Gründerpreis ebenso wie die führende Marktstellung und die bereits geordnete Unternehmensnachfolge. Stemmer hat nach den Worten von Sparkassen-Vorstandsmitglied Peter Harwalik bereits vor 13 Jahren drei Mitarbeiter zu Mitgesellschaftern und damit zu Unternehmern gemacht. Harwalik machte der bei der Verleihung des mit 5000 Euro dotierten Preises deutlich, dass auch das soziale Engagement Stemmers Beachtung verdiene. So gründete der Firmeninhaber im Jahr 2008 eine Stiftung, um dem schon damals sichtbaren Mangel an Ingenieuren entgegenzuwirken. Stemmers Stiftung hat zum Ziel, bereits Kinder und Jugendliche an Naturwissenschaften heranzuführen und sie ihnen so attraktiv zu machen, dass sie sich für ein entsprechendes Studium entscheiden. Dabei sollen sie dann nicht allein gelassen werden, auch Studierende werden unterstützt.

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