Fürstenfeldbruck:Speed-Dating für Langzeitarbeitslose

Das Brucker Jobcenter gehört bundesweit zu den erfolgreichsten. Weil am Jahresende ein Förderprogramm auslaufen wird, sollen ungewöhnliche Methoden helfen, noch möglichst viele Menschen in den Beruf zu bringen

Von Julia Bergmann, Fürstenfeldbruck

In den vergangenen beiden Jahren hat das Jobcenter Fürstenfeldbruck 85 Langzeitarbeitslose wieder in den Arbeitsmarkt integriert. Damit gehört es bundesweit zu den erfolgreichsten Jobcentern. Möglich gemacht hat diesen Erfolg ein Förderprogramm des Europäischen Sozialfonds (ESF), das 2015 ins Leben gerufen wurde und an dem 333 Jobcenter in Deutschland teilnehmen. Es besteht vor allem aus intensivem persönlichen Coaching sowie Lohnkostenzuschüssen und es funktioniert laut Claudia Baubkus, der Geschäftsführerin des Brucker Jobcenters, außerordentlich gut. Einziges Problem: Ende des Jahres läuft das Programm aus.

In Fürstenfeldbruck habe man mit Hilfe der Förderung deshalb so hohe Quoten erzielen können, weil das Team viel Vorarbeit geleistet und so die Teilnahme für Arbeitgeber erleichtert hat. Vor dem sonst so hohen bürokratischen Aufwand würden andernorts viele zurückschrecken, erklärt eine der Mitarbeiterinnen. Vor der ablaufenden Frist des Programms will man sich in Bruck aber nicht davon aufhalten lassen, das selbst gesteckte Ziel von 100 Vermittlungen noch bis Jahresende zu erreichen. Das Jobcenter geht dafür auch ungewöhnliche Wege. In der vergangenen Woche etwa trafen sich Arbeitgeber und Arbeitssuchende zu einer Art beruflichem Speed-Dating. Im Fünf-Minuten-Takt wechseln die Unternehmensvertreter die Tische in der gut gefüllten Kantine im Verwaltungsgebäude der Sparkasse, um mit potenziellen neuen Mitarbeitern ins Gespräch zu kommen. Alle sieben Arbeitgeber, die an diesem Tag erschienen sind, haben positive Erfahrungen mit dem ESF-Programm gemacht.

Tatsächlich würden die Unternehmen relativ stark davon profitieren, erklärt Barbara Maier, die beim Jobcenter für die Betriebsakquise im Rahmen des Programms zuständig ist. Zu Beginn des Arbeitsverhältnisses werden 75 Prozent der Lohnkosten durch den ESF bezuschusst, um anfängliche Leistungsdefizite der Mitarbeiter auszugleichen. Auch die Kosten für notwendige Qualifizierungsmaßnahmen werden übernommen. Das können etwa Sprachkurse oder spezielle Weiterbildungen sein.

Trotz allen Lobes für das Programm räumt Maier aber auch ein, dass das Interesse der Arbeitgeber noch ausbaufähig sei. Wovor einige zurückschrecken? "Ich würde behaupten, dass Langzeitarbeitslosigkeit heute das größte Stigma ist", sagt Maier. "Viele hören das Wort und haben sofort das Bild von jemanden im Kopf, der nichts tun will und in der sozialen Hängematte herumhängt", sagt sie. "Natürlich gibt es die Strizzis und die Schlitzohren." Man dürfe aber die anderen nicht vergessen. Diejenigen, die etwa durch einen schweren Schicksalsschlag, einen Unfall oder eine Erkrankung aus der Arbeitswelt gerissen wurden. Davon finden sich auch am Donnerstag in der Sparkassen-Kantine viele. Etwa der 60 Jahre alte ehemalige Kraftfahrer, der seinen Alltag nach einer Erkrankung nur noch mit Hilfe von Drogen bewältigen konnte und schließlich vor zwei Jahren seinen Führerschein verlor. Heute bereut er das. "Ich hätte in dem Job alt werden können", sagt er. Jetzt setzt er auf das Förderprogramm, das sich an Menschen über 35 richtet, die seit zwei Jahren keine Arbeit mehr haben.

Besonders wichtig für diese Zielgruppe sei das persönliche Coaching, das Stabilität und Motivation geben soll, aber auch Unterstützung bei bürokratischen Angelegenheiten bietet. "Wenn du in Hartz IV steckst, bekommst du alles aus einer Hand", sagt Maier. Zurück im Beruf sei man wieder mit vielen Ansprechpartnern und Verpflichtungen konfrontiert, was nach langer Arbeitslosigkeit stark überfordern könne. Dabei, aber auch bei ersten Rückschlägen im Job soll das Coaching helfen, um nicht gleich wieder aufzugeben.

Wenn das Programm am 31. Dezember ausläuft, wird es in Bruck insgesamt mit 3,5 Millionen Euro gefördert worden sein. Wie es dann weitergeht? Das Jobcenter hat sich für die Teilnahme an einem neuen Pilotprojekt beworben, das Langzeitarbeitslose unterstützen will. Es gelten engere Kriterien, etwa mindestens vier Jahre Arbeitslosigkeit. "Ganz kann es das alte nicht kompensieren", sagt Baubkus. Aber gar nichts zu tun, sei auch keine Option.

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