Fürstenfeldbruck:Schwere Leidenschaft

Der Fürstenfeldbrucker Gärtnereibesitzer Ulrich Würstle sammelt Waagen aller Art, die er bei seinen Reisen entdeckt.

Edith Schmied

Kleine Kästchen auf Flohmärkten wirken auf Ulrich Würstle wie ein Magnet. "Da muss ich unbedingt reinschauen", sagt er. Nicht selten lohnt sich der neugierige Blick auch. Denn wenn er den Inhalt - "manchmal ist das ein Puzzlespiel" - zusammensetzt, hat Würstle schon des öfteren eine echte Rarität in den Händen gehabt, die er in seine umfangreiche Sammlung einordnen kann.

Wobei, der Begriff einordnen etwas großzügig zu sehen ist. Bei rund 400 Waagen, die der Emmeringer in seinem Haus auf mehrere Stockwerke verteilt hat, kommt ihm schon Mal der Überblick abhanden.

Von Personen-, Brief-, Apotheker-, Küchen-, Baby-, Opium- und Gewürzwaagen bis hin zu so genannten Pocket-Balances gibt es kaum etwas, was der Sammler nicht auf seinen Reisen in Italien, Spanien und Russland aufgestöbert hat. Ein wahres Waagen-Paradies ist für ihn Frankreich. Hier wird er oft bei den Trödelhändlern, den "Procantes" an der Straße, fündig. "Aber seit eine Unzahl von Autobahnen das Land durchzieht, kriegt man das nicht mehr so mit", sagt Würstle mit einigem Bedauern.

Schon mit 15 hat der Fürstenfeldbrucker Gärtnereibesitzer die erste Waage in einer Kiesgrube entdeckt. Vor etwa zehn Jahren begann er dann intensiv - um nicht zu sagen: exzessiv - zu sammeln. Mittlerweile ist keine noch so große und schwere Waage vor ihm sicher. Transportprobleme kennt Würstle offenbar nicht. "Ich bin immer mit einem großen Auto unterwegs", sagt er. Lediglich die Familie stöhnt schon Mal, wenn der Vater schon zu Beginn einer Rundreise ein recht unhandliches Teil kauft, das dann den Rest der Reise im Wege ist.

Das Haus voller Waagen, und keine funktioniert richtig. "Wenn ich etwas wiegen will", sagt Würstle, "dann hab' ich ein Problem". Schön anzusehen sind die Messgeräte dennoch. Zum Beispiel die hölzerne, wurmstichige Waage, "eigentlich ein Anachronismus, weil Holz arbeitet", stammt vermutlich aus Österreich und diente wahrscheinlich nur zum Hausgebrauch. Ein kleines, gusseisernes Kästchen mit Trittbrett entpuppt sich als Personenwaage. Über den ausklappbaren Spiegel kann man das Gewicht ablesen. Auf den Rechtschreibfehler "Wage" aufmerksam gemacht, "das hab' ich noch gar nicht bemerkt", kann Würstle das Alter ziemlich genau bestimmen: "Vor der Schreibreform zu Beginn des 20. Jahrhunderts."

Ein aufwändig geschnitzter Holzstuhl aus einer Münchner Klinik steht im Kellerabgang. Die Technik einer Viehwaage ist freilich für Menschen gedacht. Balance-Arme in Form von gusseisernen Störchen lassen unschwer auf die Verwendung als Babywaage schließen. Stoff- und Papierwaagen sind ebenso feinfühlig wie Opiumwaagen, als Maßeinheit dienen dünne Metallblättchen. Vieles, was gemeinhin als Opiumwaage bezeichnet wird, diente allerdings auch zum Wiegen von wertvollen Gewürzen. "Soviel Opium wie Waagen hat es gar nicht gegeben", vermutet der Kenner.

Über den Preis seiner Sammlerstücke verrät er dagegen nichts, nur soviel: Das digitale Wiegen sei zwar im Vormarsch und steigere den Wert der Sammlung, gleichwohl müsse der Kaufpreis jeweils in einem adäquaten Verhältnis stehen. Dass er einmal auf dem Portobellomarket in London sein ganzes Geld ausgab, hat er nicht nur wegen des erstandenen Objektes nicht bereut. Auf dem Heimweg brauchte Würstle beide Hände, so schwer war das Ding, und merkte erst hinterher, dass ihm jemand die Geldbörse aus der Hosentasche geklaut hatte.

Aber was wäre eine Waage ohne Gewichte. Selbstredend sammelt der 59-Jährige auch diese. Und die können sich auch ganz schön anhängen. So wie ein "20 Kilogramm schweres Eisentrumm", das er durch ganz Wien geschleppt hat. Was Form und Material betrifft, gibt es bei den Gewichten ungeahnte Möglichkeiten, etwa Porzellan, Eisen, Metall, oder Stein, wie bei jenem aus dem Altmühltal. "Die Sechseckigen, das sind die Franzosen", erfährt die Besucherin, eines wurde aus dem oberen Teil einer Granate gefertigt.

Recht übersichtlich und teilweise fein säuberlich geputzt, stehen sie in den Vitrinen. Allmählich wird es allerdings eng im Hause Würstle. "Ich muss neue Lösungen finden", hat der Besitzer bereits erkannt. Die ganz schweren Objekte, etwa eine 20 Tonnen Kieswaage, hat er bereits in seine Gärtnerei ausgelagert. Aber ansonsten eigne sich das dortige Klima als Lager eher nicht. Es ist zu feucht. Die Garage wäre noch eine Option, aber richtig leer ist auch die nicht. "Ich glaub', ich muss da ein paar Regale reinstellen", überlegt der Sammler mit Blick in die Zukunft.

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