Serie: Jugendzentren im Landkreis:Schnaps hinterm Bauzaun

Hallen- und Stadelfeste sind bei der Jugend auf dem Land beliebt. Doch bei den Veranstaltern, in der Regel lokale Burschenvereine, schwindet allmählich die Begeisterung: Viele strenge Auflagen seitens der Behörden machen das unbeschwerte Feiern schwer

Von Valentina Finger, Fürstenfeldbruck

Als die zwölfjährige Daniela die "No Name Night" in Aufkirchen besuchen wollte, genügte es, dass der Vater eines Klassenkameraden sie und ihre Freunde auf die Party begleitete. Dass der kurz darauf nach Hause ging und die Teenager bis 1 Uhr auf dem Hallenfest feiern ließ, hatte keinerlei Konsequenzen. Außer, dass sich Daniela an der Bar erfolgreich ein Bier, ihr Kumpel sogar Schnaps bestellte. Die "No Name Night", die bis 2010 vom Aufkirchner Burschenverein veranstaltet wurde, gibt es nicht mehr. Strenge Auflagen und Differenzen mit dem Vermieter bedeuteten das Ende der Kultparty.

Für Daniela, die inzwischen 25 Jahre alt ist, spielt das keine Rolle. Schon seit Jahren geht sie zum Feiern lieber in die Clubs nach München als auf die Stadel- oder Hallenfeste im Landkreis. Regelmäßig hat sie diese noch besucht, bevor sie 16 Jahre alt war, also vor dem Alter, ab dem sich Teenager ohne eine Aufsichtsperson bis Mitternacht auf solchen Feiern aufhalten dürfen. "Bei manchen hat man einen Zettel von den Eltern gebraucht, aber oft ist man über Bekannte oder Stempelabdrücke reingekommen", erzählt Daniela.

So einfach ist das heute allerdings nicht mehr. Mit der Vereinbarung gegen Alkoholmissbrauch auf Festveranstaltungen hat das Landratsamt 2012 einen Auflagenkatalog verabschiedet, den die Bürgermeister aller Gemeinden - nicht immer ohne Protest - unterschrieben haben. Durch Maßnahmen wie strikte Einlasskontrollen oder eine Festsetzung des Veranstaltungsendes auf 3 Uhr soll Minderjährigen der Zugang zu Alkohol erschwert werden. Für Anton Hörger, erster Vorstand der Landjugend Schöngeising, ist der Aufwand, der mit der Einhaltung der Vorgaben verbunden ist, ein Riesenproblem. Sein Ärger über die Auflagen ist so groß, dass er sich das Dokument des Landratsamts sogar auf sein Smartphone geladen hat.

Alling brennt

Alling brennt: Noch etwas verhalten scheint die Stimmung beim Stadlfest "Alling brennt" im Juni letzten Jahres.

(Foto: Günther Reger)

Mit seinen Kollegen kümmert sich Hörger, wie die meisten Burschen- und Landjugendvereine, um das Osterfeuer und das Aufstellen des Maibaums. Zu Letzterem werden jährlich Feiern in einem von zwei großen Stadel in der Gemeinde abgehalten. Bis Januar gab es zudem Partys im Jugendraum O.K., doch die finden bloß noch als geschlossene Events statt, da es dort kaum möglich ist, die neuen Verordnungen einzuhalten. "Ich verstehe, dass das Landratsamt etwas tun will, aber da muss man gezielter vorgehen und darf nicht so verallgemeinern. Wir hatten bereits solche Einschränkungen, dass ich gesagt habe: Ich mache es nicht mehr", sagt Hörger und verweist auch auf den seitenlangen Genehmigungsantrag, den es auszufüllen gilt.

Mit diesem Genehmigungsprozess hatten auch die Burschenschaft Esting und die Landjugend Puch zu kämpfen. Beide veranstalten nach mehrjähriger Pause im Mai wieder ihre Hallenfeste. Weil es keine Vereinsjugend mehr gab, hat man das Pucher Hallenfest 2008 eingestellt. Als die Jugend dann zurück war, habe man es aus Angst vor den Auflagen des Landratsamts dabei belassen, berichtet Ferdinand Wenig. Mit seiner Wahl zum ersten Vorsitzenden der Landjugend Puch im Januar hat er sich dafür eingesetzt, das einst populäre "Hallen-Fetz" wiederzubeleben. Wie die meisten seiner Amtskollegen stören ihn mitunter die Sperrstunde und dass Hochprozentiges erst einige Stunden nach Beginn der Veranstaltung ausgeschenkt werden darf. "Wer volljährig ist und trinken will, kann das auch davor und danach tun, und die Minderjährigen bekommen doch sowieso nichts", sagt Wenig.

Für die Party im Mai hat der Estinger Vorstand Thomas Pfaffenzeller bereits im vergangenen Juni erstmals Kontakt mit dem Landratsamt aufgenommen. Nach mehreren Gesprächen und dem Einreichen etlicher Pläne zum Veranstaltungsort sei die endgültige Genehmigung erst vor ein paar Wochen eingetroffen - ein halbes Jahr später. Schon ein wenige Zentimeter hoher Absatz an der Einfahrt zur Halle habe als potenzielle Stolperfalle für Diskussionen gesorgt, sagt Pfaffenzeller: "Wenn die Anträge einmal durch sind, ist es nächstes Mal nur noch Formsache. Trotzdem finde ich es nicht gut, dass einem kleinen Verein solche Hürden in den Weg gelegt werden. Das kann einem den Mut nehmen."

Jesenwang Burschenparty

Jesenwanger Burschenparty: In Jesenwang hat sich die Zahl der vom Burschenverein organisierten Feste von vier auf zwei halbiert.

(Foto: privat)

Während die einen ihre Feste neu aufleben lassen, sind sie in anderen Gemeinden mit der Zeit ausgestorben. Die Gründe dafür sind verschieden. In Kottgeisering waren die Zeltpartys des Vereins Magic Eleven, ein Zusammenschluss von elf Burschenschaftlern, bis 2011 sehr beliebt. Doch schon damals hätten strenge Sicherheitsvorschriften dafür gesorgt, dass die Feste sich finanziell bald nicht mehr rentierten, erzählt Burschenvereinsvorstand Sebastian Lacher. Mit seinem Verein organisiert er heute nur noch das Osterfeuer. Doch auch das ist nicht ganz einfach: Wer Schnaps ausschenken will, muss das Gelände mit einem Bauzaun absperren, um gezielte Einlasskontrollen durchführen zu können. Anwesende Sicherheitsleute und sanitäre Einrichtungen sind ebenfalls Voraussetzung. "Natürlich kann auch bei einem Osterfeuer etwas passieren. Aber im Grunde ist es ein dörfliches Zusammentreffen und ich finde es schade, dass man die Aufrechterhaltung eines Brauchs so schwierig gestaltet", sagt Lacher.

In Germering veranstaltet die Burschenschaft Unterpfaffenhofen neben dem sommerlichen Seefest jährlich eine Vorsilvesterparty in der Stadthalle. Weil es dort nicht möglich ist, die Bar vom restlichen Bereich zu trennen, wie es die Jugenschutzmaßnahmen vorsehen, musste die Eintrittsberechtigung zu Letzterer von 16 auf 18 Jahre hochgeschraubt werden. Das Ergebnis war ein Rückgang der Besucherzahlen, was auch die Vereinskasse mit den anfallenden Kosten für Sicherheitspersonal und ähnliches beeinträchtigte. "Von den Securitys, die wir für die Feste da haben müssen, sollte man besser welche an die örtliche Tankstelle stellen, um die Ausweise zu kontrollieren. Da wäre der Alkoholprävention sicher mehr gedient", sagt Vorsitzender Stephan Killer. Dass viele Jugendliche sich schon vor den Partys betrinken, können alle Veranstalter bestätigen. Dagegen sei man auch mit noch so strengen Auflagen machtlos.

Dass der Mammendorfer Kehraus im Bürgerhaus eine der meistbesuchten Feiern im Brucker Fasching war, wurde dem veranstaltenden Burschenverein zum Verhängnis: Weil es schon in der Vergangenheit Probleme mit Alkohol und Schlägereien gab, habe man im vergangenen Jahr 19 statt wie vorgeschrieben elf Securitys abgestellt und trotzdem seien diese überfordert gewesen, berichtet der Chef der Burschen, Valentin Daubner. Dieses Jahr fand der Kehraus erstmals nicht statt, doch die Mammendorfer Burschen haben noch ihr mit 1800 Besuchern ebenso beliebtes Gartenfest. Ein solches gibt es in Oberschweinbach seit einigen Jahren nicht mehr. Die Kosten durch die neuen Anforderungen seien so immens angestiegen, dass sich die Organisation für nur einen Festtag nicht mehr rechnen lasse, sagt Ludwig Högenauer, Vorsitzender vom dortigen Burschenverein. Ein zweitägiges Fest will die Verwaltungsgemeinschaft Mammendorf jedoch nicht genehmigen. Der Grund ist die Lärmbelästigung für die Anwohner.

Starkstrom-Festival

Starkstrom Amper Festival: Elektrobeats im Freien garantiert das Starkstrom-Festival in Schöngeising, hier eine Aufnahme mit DJ Martin Schwarz.

(Foto: Günther Reger)

Dieses Problem kennen viele Vereine. In Jesenwang ist die Anzahl der jährlichen Partys von vier auf zwei geschrumpft. Wegen Beschwerden der Nachbarn liegt die Sperrstunde hier sogar bei 2 Uhr, sagt Tobias Burkhardt vom Jesenwanger Burschenverein. Auch die 950-Jahr-Feier der Gemeinde Hattenhofen stand deshalb auf der Kippe. Weil sich ein Nachbar über die Lautstärke beschwerte und mit seiner Klage sogar vor Gericht ging, darf der Burschenverein schon seine jährliche Party nicht mehr in der Halle Waldleitner abhalten. Dass genau dort im Juni drei Abendtermine der Jubiläumsfeier stattfinden dürfen, war nur durch Kompromisse möglich. "Das Traurige ist, dass bis auf eine Person eigentlich der ganze Ort hinter den Veranstaltungen steht", meint Vorstand Florian Trinkl.

Während es in Maisach neben den verschiedenen Wein-, Dorf- und Gartenfesten früher eine Zeltparty in Germerswang und ein Hallenfest in Gernlinden gab, gibt es nur noch die "Beachparty" in Überacker. Einen Rückgang von gewaltsamen Auseinandersetzungen durch Auflagen wie die Sperrstunde sieht der dortige Burschenvereinsvorstand Maximilian Reger nicht: "Wenn man um 3 Uhr versucht, Leute aus einer vollen Halle zu werfen, kommt es öfter zu Raufereien, als wenn man die Party einfach ausklingen lässt."

Feste, die sich trotz Organisationsaufwand halten, gibt es auch in Adelshofen und Luttenwang, Moorenweis, Emmering, Alling und Unterschweinbach in Egenhofen. Mehr als 1000 Personen besuchen die "Summernight Party" der Luttenwanger Landjugend, die vom TSV Moorenweis veranstaltete "After X-Mas Party" am zweiten Weihnachtsfeiertag zieht ebenfalls zahlreiche Gäste an. Kaum wegzudenken aus dem Brucker Veranstaltungsjahr sind außerdem die beiden Bälle in der Emmeringer Amperhalle. Der Sportler- sowie der Rosenmontagsball werden vom Förderclub des FC Emmering organisiert. In diesem Jahr ist es den Veranstaltern zum ersten Mal gelungen, sämtliche Auflagen in Zusammenarbeit mit dem Landratsamt zu 100 Prozent zu erfüllen, sagt der Vorsitzende des Förderclubs Manfred Haberer.

Luttenwang Summernight

Summer Night Luttenwang: Mit künstlichen Palmen Dekostoff haben die Mitglieder der Luttenwanger Landjugend dieser Halle sommerliches Flair verliehen.

(Foto: privat/oh)

Mit "Alling brennt" veranstaltet die Allinger Landjugend heuer zum sechsten Mal ihre Party in der dortigen Maschinenhalle. Weil das traditionelle Pfingstfest in Alling und das seit mehr als 60 Jahren stattfindende Blütenfest im Ortsteil Biburg für Familien ausgelegt sind, gibt es in punkto Jugendschutz kaum Probleme. Schwieriger sei es gewesen, den zum Teil 150 Jahre alten Hof, an dem das Pfingstfest abgehalten wird, den Bauvorgaben anzupassen, berichtet Florian Lindemiller von der Landjugend Alling.

In Egenhofen findet nach dem Aus der "No Name Night" in Aufkirchen nur noch ein Hallenfest in Unterschweinbach statt. Der Vorsitzende des Aufkirchner Burschenvereins, Thomas Heigl, bedauert die kultureindämmende Wirkung der Auflagen: "Weil man nur Ärger hat, will keiner mehr Vorstand sein. Wenn die Vorschriften noch dramatischer werden, wird es die Vereine so irgendwann nicht mehr geben." Wie streng die Vorschriften inzwischen seien, merke man in Egenhofen besonders durch die Nähe zu den Nachbarlandkreisen, sagt Manfred Wochnik vom Egenhofener Burschenverein. Dort, so Wochnik, sei alles etwas lockerer, was im schlimmsten Fall bedeute, dass die Gäste das Feiern jenseits der Landkreisgrenze vorziehen.

In Grafrath, Landsberied und Türkenfeld feiert man lieber im Freien. Bei dem vom Heimat- und Trachtenverein D'Ampertaler in Grafrath veranstalteten Almfest und beim Landsberieder Dorffest des dortigen Burschenvereins habe es noch nie größere Probleme mit alkoholisierten Minderjährigen gegeben, bestätigen die Veranstalter. Auch beim Fischerstechen, das alle vier Jahre, so auch dieses Jahr, in Türkenfeld stattfindet, geht es friedlich zu. Allerdings bedeuten die Auflagen auch dort gewisse Einschränkungen: Der Biergartenbetrieb um den Dorfweiher startet zwar bereits eine Woche vor dem eigentlichen Festtag. Doch eine Bar wird es in diesem Jahr vermutlich nur am Veranstaltungstag selbst geben. "Früher wurde das Kuchenbüffet abends einfach zur Bar umgewandelt. Aber weil der Barbereich jetzt separiert werden muss, müssten wir die Leute durch Zäune voneinander trennen. Dabei geht die Gemütlichkeit verloren", sagt Georg Schneller von der örtlichen Freiwilligen Feuerwehr, die das Fest veranstaltet.

Beim "Starkstrom Amper Festival", zu dem Thomas Braumiller seit 2010 bekannte Elektro-DJs auf die Liegewiese seines Gasthofs "Zum Unter'n Wirt" in Schöngeising einlädt, gibt es die Probleme mit den Auflagen weniger. Als professioneller Veranstalter müsse man einfach für alle Eventualitäten gewappnet sein, sagt Braumiller. Trotzdem sorge er sich um die kleineren Vereine, die ehrenamtlich versuchen, ein Fest auf die Beine zu stellen. Außerdem müsse man bedenken: "Wenn man immer mehr fordert und ich irgendwann 50 Securitys brauche, kostet ein Starkstrom-Ticket bald 85 Euro - und dann kommt keiner mehr." Für sein neues Projekt "Starkstrom Croatia Cruisis" hat er ein Segelboot für 40 Personen gechartert, mit dem es im Sommer eine Woche zum Feiern aufs Wasser geht. Allerdings nicht auf die Amper oder einen der bayerischen Seen, sondern auf das Mittelmeer - weil sich ein solches Vorhaben in Deutschland bei all den Auflagen einfach zu schwer realisieren lässt.

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