Lernentwicklungsgespräche:Reden statt nur benoten

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Erstmals können bayerische Grundschulen jetzt das Zwischenzeugnis von der ersten bis zur dritten Klasse durch ein dokumentiertes Gespräch ersetzen. Für Schulleiterin Claudia Wahler ist das Lernentwicklungsgespräch "eine echte Wertschätzung für die Kinder".

Von Heike A. Batzer

Germering - Der Name klingt ein wenig sperrig, kompliziert, nach Behördendeutsch: Lernentwicklungsgespräch. Dabei ist das "eine Neuerung, bei der nicht alle aufstöhnen", sagt Claudia Wahler. Im Gegenteil. Das Gespräch, das Schulleiterin Wahler an der Kirchenschule in Germering für die Zweit- und Drittklässler anstelle des Zwischenzeugnisses angeboten hat, ist ihrer Ansicht nach "eine echte Wertschätzung für die Kinder". Erstmals können bayerische Grundschulen jetzt das Zwischenzeugnis von der ersten bis zur dritten Klasse durch ein dokumentiertes sogenanntes Lernentwicklungsgespräch ersetzen. Sie können, müssen aber nicht. Die Entscheidung trifft jede Grundschule selbst.

Wie viele von ihnen sich im Landkreis für die neue Alternative entschieden haben, weiß man beim Fürstenfeldbrucker Schulamt nicht. "Wir haben uns das nicht melden lassen", sagt Schulrat Helmut Radloff. Allerdings werde man sich bei der nächsten Konferenz einen Überblick darüber verschaffen. Neben der Germeringer Grundschule an der Kirchenstraße gibt es die Lernentwicklungsgespräche unter anderem an der Grundschule Esting, wo Claudia Wahler zuvor Rektorin war, an der Puchheimer Grundschule am Gerner Platz und an der Josef-Dering-Schule in Eichenau. Dort gerät Schulleiterin Sandra Doriat regelrecht ins Schwärmen: "Das lief sensationell." Die Rückmeldungen, die sie bereits von Schülern, Eltern und Lehrern erhalten habe, seien allesamt positiv. Die Eltern etwa lobten, dass dabei das "Kind im Vordergrund stünde" und das Gespräch informativer sei als ein Zeugnis. In Eichenau durften die Eltern der Erst-, Zweit- und Drittklässler wählen: 90 Prozent entschieden sich für das Gespräch und gegen ein herkömmliches Zwischenzeugnis.

Bevor sie das Gespräch am Ende des ersten Halbjahres zum Standard machen, müssen die Grundschulen zunächst das Votum des Lehrerkollegiums einholen. Auch der Elternbeirat muss zustimmen. Anschließend werden die Eltern informiert, in der Regel mit einem Rundschreiben und einem Elternabend. Zum Lernentwicklungsgespräch kommen Klassleiter, Schüler und Eltern dann für 20 bis 30 Minuten am Nachmittag oder auch an einem Samstag zusammen. Das Kind füllt zuvor einen Fragebogen aus, in dem es seine Leistungen einschätzt. "Den haben wir passgenau für unsere Schule entwickelt", sagt Doriat. Im Gespräch kommt die Einschätzung der Lehrkraft hinzu und gemeinsam werden dann Zielvereinbarungen erarbeitet zu den Bereichen, "in denen sich das Kind verbessern soll", erklärt Claudia Wahler. Am Ende unterschreiben alle Beteiligten und an diesem Freitag, dem Zeugnistag, würden ihre Schülerinnen und Schüler das Dokument ausgehändigt und mit nach Hause bekommen, kündigt Wahler an.

Andere Grundschulen wie etwa die Gröbenzeller Ährenfeldschule sind vorerst bei der Zeugnisvergabe geblieben. Das habe aber nichts damit zu tun, dass man generell gegen die Lernentwicklungsgespräche sei, betont Schulleiterin Bettina Betz. Doch das Lehrerkollegium hatte sich zunächst mehrheitlich gegen die Neuerung ausgesprochen. Wo der "Mehrwert im Vergleich zum Zeugnis" sein soll, ist den Gröbenzeller Lehrkräften dabei noch nicht klar geworden. Betz sagt, dass manche Kolleginnen, die ja auch Teilzeit arbeiteten, Schwierigkeiten hätten, die Gespräche am Nachmittag zu terminieren. Außerdem sei die Frage aufgekommen: "Was sollen wir denn dann am Elternsprechtag noch besprechen?" Man wolle zunächst die Erfahrungen anderer Schulen abwarten.

Die Germeringer Kirchenschule wird die Lernentwicklungsgespräche auf jeden beibehalten. Claudia Wahler glaubt sogar, dass "das die Form sein wird, die sich durchsetzt". Auch habe sich schon kurz nach den Gesprächen gezeigt, dass die Schüler ihre Zielvereinbarungen erreichen wollten und sich bemühten, sich zu verbessern. Einzig die Gespräche mit den Drittklässlern möchte Wahler im nächsten Schuljahr ein klein wenig reformieren und führen, bevor die Noten - die ja trotzdem nicht verschwunden sind - bekannt gegeben werden. Diesmal hatte sie das noch anders und dabei die Erfahrung gemacht, dass dann doch wieder zuerst auf die Noten geschaut würde.

© SZ vom 13.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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