Umwelt:Planlos in die Energiewende

Steigt der Verbrauch von fossilen Brennstoffen im Landkreis oder fällt er? Darüber gibt es auch 17 Jahre nach der Verkündung eines Umstiegs auf erneuerbare Energiequellen keine exakten Daten

Von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck

Wie viel Energie die Menschen im Landkreis verbrauchen, weiß keiner so genau. Das ist umso erstaunlicher, als der Kreistag vor 17 Jahren eine Energiewende beschlossen hat. Bis zum Jahr 2030 sollte die eine Hälfte des Verbrauchs eingespart und die andere aus regenerativen Quellen gedeckt werden. Davon ist der Landkreis weit entfernt. Mangels genauer Daten können Politiker trefflich streiten, wie weit man gekommen ist. Hätte man exakte Daten, wüsste man, welchen Effekt all die Anstrengungen von Politik und Bürgern haben. In der Betriebswirtschaft nennt man so was Benchmarking.

Beim Strom ist der Fall relativ einfach. Um den Verbrauch festzustellen, fragt man die vier Stromlieferanten, die Stadtwerke von Fürstenfeldbruck, Germering und Olching sowie die Komm-Energie. Mit diesen Angaben lässt sich im Prinzip berechnen, wie sich der Stromverbrauch und der Anteil der erneuerbaren Energien entwickeln. In Puchheim widmet sich Helmut Müller dieser Aufgabe. Der Ingenieur hat die erste Bürgersolaranlage aufgebaut und war bei Ziel 21 aktiv. Regelmäßig berichtet er im Umweltbeirat über den Stromverbrauch in der Stadt. Der bewegte sich jahrelang um die 60 Gigawatt. Alle Maßnahmen, die aufs Sparen und eine höhere Effizienz zielten, wurden durch die Zunahme von Elektrogeräten zunichte gemacht. Fachleute sprechen vom Rebound-Effekt.

Seit drei Jahren zeichnet sich in Puchheim eine rückläufige Tendenz ab. Weil Computer durch sparsamere Laptops und Notebooks ersetzt werden, vermutet Müller. Von einer Halbierung des Stromverbrauchs ist Puchheim dennoch weit entfernt. Der Anteil der regenerativen Energien liegt bei knapp 28 Prozent, wenn man Blockheizkraftwerke und Fotovoltaikanlagen zusammenrechnet. Selbst bei einem Erfolg des Geothermieprojektes dürfte das Versprechen des Puchheimer Bürgermeister Norbert Seidl (SPD) aus dem Wahlkampf 2012 eine Energiewende bis 2020 hinzulegen, nicht zu schaffen sein.

Zumal nicht nur in Puchheim exakte Daten übers Heizen und den Verkehr fehlen. Der Stromverbrauch ist die kleinste Größe. Das Heizen ist "der größte Brocken", sagt Müller. Lediglich Angaben aus der leitungsgebundenen Versorgung, also zu Gas und Fernwärme, liegen vor, nicht aber zum Ölverbrauch. Auch die Klimaschutzmanagerin der Stadt Fürstenfeldbruck berichtet von exakten Daten über Strom, Gas und Fernwärme. Ansonsten begnüge man sich mit Näherungswerten, sagt Anja Wendler. Ähnlich ist das Klimaschutzkonzept des Landkreises von 2012 aufgebaut, das für 2010 zu dem Ergebnis kommt, dass im Landkreis 1,4 Millionen Tonnen Kohlendioxid in die Luft geblasen würden. Die Fortschreibung soll nächstes Jahr vorliegen. Erst dann weiß man, ob sich der Gesamtverbrauch geändert hat und in welche Richtung. Es bleibt aber bei Näherungswerten.

In Mammendorf hat die Gemeinde 2011 Fragebögen an alle Haushalte verteilt, der Rücklauf war mit 60 Prozent hoch, berichtet Umweltreferent Werner Zauser (FW). Demnach hatten 40 Prozent der Haushalte eine Ölheizung, von denen viele 15 Jahre und älter waren. Wie viel Öl die Haushalte verbrauchen, wurde nicht gefragt. Fürstenfeldbruck hat einen Energienutzungsplan erarbeitet. Dazu wurde die Stadt in Viertel aufgeteilt, das Alter der Gebäude festgestellt und ihr Sanierungsbedarf geschätzt, aber keine Verbrauchsdaten erhoben.

Auch die Angaben zum Energieverbrauch des Verkehrs sind nur Näherungswerte. Für das Klimaschutzkonzept des Landkreises wurden die Daten der Kfz-Zulassung verwendet sowie Angaben der Hersteller über den Kohlendioxidausstoß, erklärt Alexa Zierl (Grüne), Brucker Stadträtin und ehemalige Vorsitzende von Ziel 21, dem Energiewende-Verein des Landkreises. "Wir wissen ja, dass die mit Vorsicht zu genießen sind", sagt sie in Anspielung auf die Manipulation der Abgaswerte durch die Autoindustrie. Bessere Zahlen sollen bald aus Fürstenfeldbruck vorliegen. Die Stadt beteiligt sich mit 5000 Euro an einer bundesweiten Erhebung. Dafür werden Zählungen und Befragungen in der Stadt vorgenommen. Ergebnisse sollen 2018 vorliegen.

"Wir haben keinen Überblick über den Gesamtenergieverbrauch", sagt Müller. Er hält das für ein Defizit. "Das ist eine alte Wunde bei Ziel 21", sagt der Ingenieur. Müller empfiehlt repräsentative Befragungen der Haushalte zu Heizung und Verkehr, so ähnlich wie bei Wahlumfragen. Zierl schlägt vor, beim Heizungsverbrauch die Daten der Kaminkehrer anonymisiert auszuwerten. Aus Gründen des Datenschutzes würden sich die Kaminkehrer sperren, erklärte Monika Beirer, die Klimaschutzmanagerin des Landratsamtes. Dazu könnten die Bauämter bei Neubauten die Heizungsart registrieren, sagt Alexa Zierl.

Dagegen hält Johann Aigner eine genaue Angabe für überflüssig. Es gebe auch gar keine Möglichkeit, den Energieverbrauch exakt zu erfassen. Der Kreistag sei im Jahr 2000 von Durchschnittswerten ausgegangen und habe daraus die richtigen Ziele abgeleitet. "Es geht um die Perspektive, darum, eine Botschaft zu formulieren", sagt Aigner, von 2008 bis 2012 stellvertretender Vorsitzender von Ziel 21.

An Willensbekundungen ist kein Mangel. Die Stadt Fürstenfeldbruck ist seit 1996 Mitglied des kommunalen Klimabündnisses. Dessen Mitglieder haben sich verpflichtet, ihren Kohlendioxidausstoß alle fünf Jahre um zehn Prozent zu senken. So steht es auf der Homepage der Stadt. Demnach müssten die Brucker Emissionen um fast 40 Prozent zurückgegangen sein. Zahlen dafür gibt es nicht.

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