Fürstenfeldbruck:Piraten gegen Piraten

Die Partei hat im Raum Fürstenfeldbruck inzwischen fast so viele Mitglieder wie die Grünen. Vor allem Neuzugänge würden deshalb gerne einen eigenen Kreisverband gründen. Doch die erste Generation beharrt auf der informellen Struktur

Julia Berghofer

Die Piraten haben im Landkreis Fürstenfeldbruck enormen Zulauf. In der Kommunalpolitik allerdings spielen sie bisher keine Rolle. Dabei wird es auch bleiben, denn auch wenn sich eine Gruppe von Neumitgliedern für die Gründung eines Kreisverbandes stark macht, ist so ein Schritt nicht geplant. Im Gegenteil: Die Altmitglieder verteidigen die lose Organisationsstruktur und sehen durch den Vorstoß die Einheit der Partei bedroht.

Für den Germeringer Ronald Trzoska, Beisitzer im oberbayerischen Bezirksvorstand der Piraten, ist die Sache klar: "Viele, die zu uns kommen, haben falsche Vorstellungen davon, wie wir funktionieren". Noch im September vergangenen Jahres hatte Trzoska selbst die Gründung eines Kreisverbands ins Auge gefasst - vorausgesetzt, die Mitgliederzahl sollte die Hundert übersteigen. Inzwischen gibt es sogar 170 Piraten. Wenn diese auch nicht alle Beiträge zahlen, wäre ein Kreisverband doch fast so stark wie der der Grünen, die es auf 215 Mitglieder bringen. Doch Trzoska hat seine Meinung geändert und will an der offenen Struktur festhalten. Ein Hauptproblem stellt für ihn der bürokratische Aufwand dar, der mit einer Kreisorganisation und einem Vorstand auf die Piraten zukommen würde. Wenn man dagegen weiterhin dem Prinzip der "flachen Hierarchie" folge, ließen sich lästige finanzielle Rechenschaftspflichten sowie hohe Verwaltungskosten vermeiden, argumentiert Trzoska.

Ronald Heinrich, der für die Außenkommunikation des monatlichen Stammtisches in Puchheim zuständig ist, gehört ebenfalls zur Gruppe derer, für die eine Kreisorganisation zu früh käme. Innerhalb der Partei fehle es an juristisch oder kaufmännisch geschultem Personal und damit auch an einem Gefühl für rechtliche und finanzielle Zusammenhänge, wodurch schnell Fehler entstehen könnten. Es sei daher schwierig, im Landkreis Mitglieder aufzutreiben, die willens und in der Lage sind, Führungspositionen einzunehmen. Von den rund 170 Piraten engagieren sich laut Heinrich allenfalls 20 aktiv.

Empörung verursachte bei den etablierten Parteimitgliedern auch der Versuch der Befürworter des Kreisverbands, eine Gegenveranstaltung zum regulären Stammtisch zu initiieren, der jeden dritten Mittwoch im Monat im Lokal "Istrien" in Puchheim stattfindet. Auch der ehemalige Schatzmeister des Bezirks Oberbayern ,Andreas Göttmann aus Gröbenzell, hatte sich dafür eingesetzt, ein weiteres zweiwöchentliches Treffen in der Gaststätte abzuhalten. Göttmann, der nach eigener Aussage aufgrund erheblicher parteiinterner Differenzen in finanziellen Dingen im April von seinem Amt zurückgetreten ist, geht es in erster Linie um die mangelnde demokratische Legitimation. Ohne einen Kreisverband und die damit verbundenen formellen Grundregeln gebe es keine zufriedenstellende Außenkommunikation. Man wisse nicht, wer was macht, letztendlich fehle die Transparenz. Die Tatsache, dass der neue Stammtisch kaum Zuspruch erhielt, sieht Göttmann nicht als Niederlage, dennoch hat er sein Engagement für die Piraten seitdem zurückgefahren.

Theoretisch kann jeder einen Stammtisch abhalten. Aber Göttmann versucht, eine Spaltung herbeizuführen", stellt der Fürstenfeldbrucker Pirat Andreas Golemba klar. Er ist sich sicher, dass eine solche Spaltung nicht stattfinden wird. Dennoch deute sich in der Partei ein Auseinanderdriften von "Realos" und "Träumerle" an, wie es einst bei den Grünen zu beobachten gewesen sei. Vor allem Überläufer aus der linken Szene bereiten Golemba Kopfzerbrechen. "Transparenz und Überdemokratie überfordern sie", sagt er. "Die Macht geht bei den Piraten von der Basis aus und nicht von Führungspersönlichkeiten". Göttmanns Kritik empfindet er daher als ärgerlich und unangebracht.

Für Trzoska hat die Debatte um den Kreisverband in eine zu emotionale Richtung geführt. Wichtiger als private Zwistigkeiten seien derzeit die Vorbereitung auf den Wahlkampf und die anstehende Aufstellungsversammlung für die Bundestagswahl. Gleichzeitig wolle man auch inhaltliche Schwerpunkte setzen und unter anderem das in Kooperation mit den Grünen geplante bayernweite Informationsfreiheitsgesetz angehen. Laut Golemba wurde die Partei durch die Privatfehde zurückgeworfen. "Wir kriegen das zwar wieder auf die Reihe. Aber im Moment segeln wir nicht, wir rudern."

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