Fürstenfeldbruck:Öffentlicher Personennahverkehr 4.0

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Der Landkreis setzt beim Ausbau der Mobilität aufs Internet. MVV-Nutzer sollen künftig an Verkehrsknoten aufs Leihrad oder Carsharing-Fahrzeug umsteigen. Ermöglichen könnten das eine Mobilitätskarte oder Smartphone-App

Von Gerhard Eisenkolb, Fürstenfeldbruck

Durch den kontinuierlichen Ausbau des MVV-Busliniennetzes und die Einführung von MVV-Ruftaxen ist es dem Landratsamt in den vergangenen Jahren gelungen, ein vorbildliches Nahverkehrsnetz zu schaffen, mit dem inzwischen rund um die Uhr jeder Ort im Landkreis mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen ist. Da in absehbarer Zeit die Rekordmarke von zehn Millionen Busfahrgäste pro Jahr genommen werden könnte, zurzeit sind es neun Millionen, steht nun der nächste Schritt zur Verbesserung und damit zur Gewinnung weiterer Fahrgäste an. Wieder landkreisweit und flächendeckend soll ein vernetztes Mobilitätssystem auf- und ausgebaut werden, das Carsharing und E-Mobilität sowie Fahrradverleih-Stationen einschließt.

Allerdings will der Landkreis hier nur noch koordinierend tätig werden, also die weiteren Systeme nicht selbst betreiben und finanzieren. Angestrebt werden Kooperationen mit Anbietern oder Kommunen. Der Landkreis will nur steuernd und koordinierend tätig werden. Die Buslinien und deren Defizite trägt er ja selbst. Und er will sich rechtzeitig positionieren und sich vor allem die Planungshoheit sichern, um großen privaten Anbietern im Internet zuvorzukommen. Diese könnten sich, so die Befürchtung, die Rosinen sichern. Dann gäbe es zwar auch Leihräder und Carsharing-Angebote, aber nicht flächendeckend und auch noch unterschiedliche Systeme, die miteinander konkurrieren. Das Vorhaben gilt als weiterer Schritt zur Umsetzung des Leitbilds für den Landkreis, des Klimaschutzkonzepts und der Räumlichen Entwicklungsstrategie (RES) bis 2040.

Um dieses Ziel zu erreichen, sollen sogenannte multimodale Verkehrsknotenpunkte geschaffen werden, mit einem breiten Angebot an öffentlich zu nutzenden Verkehrsmitteln und zusätzlichen modalen Komponenten wie Leihrädern und Carsharing-Angeboten. Da es hier auch immer darum geht, den ländlichen Raum zu erschließen, nennt Hermann Seifert, der ÖPNV-Experte des Landratsamts, als Beispiel für Verkehrsknoten Jesenwang und Mammendorf. In Jesenwang kreuzen sich einige Buslinien, in Mammendorf halten Regionalzüge, S-Bahnen und es besteht die Möglichkeit, auf Busse umzusteigen.

Mit einer einheitlichen Mobiliätskarte oder als Alternative dazu einer Smartphone-App will der Landkreis den Nutzern ein einheitliches Abrechnungs- und Buchungssystem für die gesamte Angebotspalette zur Verfügung stellen. Im Idealfall wird laut Seifert nach den tatsächlich gefahrenen Kilometern oder dem billigsten Tarif abgerechnet. Das kann nach einer gewissen Kilometerzahl eine Monatskarte sein. Die Nutzer sollen die Wahl zwischen zwei Optionen haben. Gefahren werden kann mit einer Mobilitäts- oder Chipkarte, die die Fahrten anonym registriert, oder mit einer App für das Smartphone. Wichtig ist Seifert der Freizeitaspekt. Mit der Mobilitätskarte sollen auch Bäder und Museen besucht werden können.

Komplizierte und unterschiedliche Systeme gelten als Hemmschwelle für moderne Mobilitätskonzepte. Kann man jedoch in Verbindung mit einer MVV-Mobilitätskarte ohne großen Aufwand auch Fahrräder ausleihen oder ein Auto mieten, dann wird es für mehr Menschen attraktiv, auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen. Insellösungen für einzelne Städte und Gemeinden mit einem eingeschränkten Nutzungsraum gelten als unwirtschaftlich und deshalb für Anbieter nicht sonderlich lukrativ. Der Landkreis ist bestrebt, dieses Angebot auch auf Nachbarlandkreise auszudehnen. Vorgespräche dazu werden bereits geführt, beispielsweise mit Starnberg und dem Landkreis München.

Das Konzept hat Seifert entworfen. Wie er einräumt, klinge vieles noch sehr theoretisch. Trotzdem überzeugte er auch ohne längere Diskussionen die Mitglieder des Kreisausschusses sowie des Umwelt- und Planungsausschusses des Kreistags kürzlich. Die Gremien fassten den Grundsatzbeschluss, das Projekt im Herbst zu starten und dafür eine Vollzeitstelle zu schaffen. Der Zeitpunkt gilt als ideal, weil im Herbst mit der Fortschreibung des Nahverkehrsplans beginnt. Landrat Thomas Karmasin (CSU) sprach im Kreisausschuss lediglich von einem "wichtigen Schritt", dann billigte das Gremium einstimmig den Ausbau des Personennahverkehrs.

© SZ vom 09.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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