Fürstenfeldbruck:Nur zehn Minuten für jeden Flüchtling

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Die Sozialpädagogen der Caritas sind mit der Betreuung der Asylbewerber hoffnungslos überfordert

Von Gerhard Eisenkolb, Fürstenfeldbruck

Die Sozialpädagogen der Brucker Caritas sind mit der Betreuung der Flüchtlinge und Asylbewerber im Landkreis "hoffnungslos überfordert". Das hat die Eichenauer Kreisrätin Rike Schiele in der jüngsten Kreistagssitzung festgestellt. Die Grüne wollte mit diesem Urteil nicht die Caritas kritisieren, sondern den Staat und vor allem auf einen Missstand hinweisen, den auch die Caritaschefin Claudia Ramminger bestätigte. Laut Ramminger ist das Zeitkontingent ihrer Mitarbeiter viel zu knapp bemessen. Ein Sozialpädagoge mit einer Vollzeitstelle muss sich um die Belange von 150 Flüchtlingen kümmern. Rein rechnerisch bleiben ihm in der Woche daher nur 16 Minuten Zeit für jeden einzelnen. Da aber auch noch andere Dinge zu erledigen sind, bleiben laut Ramminger tatsächlich nur noch zehn Minuten. Die Caritaschefin bestätigte, dass das angesichts der vielen Probleme, die mit den Flüchtlingen zu klären und zu besprechen sind, völlig unzureichend ist.

Landrat Thomas Karmasin (CSU) forderte Schiele auf, doch mit der Caritas zu reden, um zu erreichen, dass die unzureichende Betreuung um ein "Vielfaches" verbessert werde. Der Landrat bezeichnete Schieles Einschätzung als nicht richtig und wies darauf hin, dass der Freistaat die Asylsozialberatung finanziell fördere und die Caritas mit dem Geld machen könne, was sie für richtig halte. Ramminger, die seit Oktober fast ausschließlich mit der Asylbetreuung beschäftigt ist, würde gerne mehr Personal anbieten. Doch dem stehen nicht nur die gedeckelten Zuschüsse der Regierung von Oberbayern entgegen. Einerseits ist es angesichts eines leer gefegten Arbeitsmarktes fast unmöglich, weitere Sozialpädagogen einzustellen. Andererseits trägt die Caritas die Kosten der Asylbetreuung zu einem großen Teil selbst.

Nur weil die katholische Kirche die Betreuung von Flüchtlingen zu einem ihrer zentralen Thema erklärt hat, kann die Caritas 25 bis 30 Prozent der Personalkosten übernehmen. Den aktuellen jährlichen Zuschuss der Diözese für die Betreuung von Flüchtlingen im Landkreis bezifferte Claudia Ramminger mit 110 000 bis 120 000 Euro. Nach Angaben der Caritaschefin können es sich wegen des hohen Eigenanteils nur kirchliche Einrichtungen wie Caritas und Diakonie leisten, die Trägerschaft der Betreuung von Flüchtlingen zu übernehmen. Ohne ehrenamtliche Helfer wäre eine Integration der Flüchtlinge nicht zu leisten. Diese müssen den größten Teil der Arbeit schultern.

Im April waren im Landkreis insgesamt 1356 Flüchtlinge und Asylbewerber untergebracht. Von ihnen wohnten 618 in den beiden Dependancen der Erstaufnahmeeinrichtung der Regierung von Oberbayern, in der Unterkunft im Fliegerhorst waren es 520, in der in Germering 98. In den beiden Dependancen arbeiten zurzeit neun Betreuer und Betreuerinnen, deren Arbeitszeit 190 Wochenstunden beträgt. Eine weitere Vollzeitkraft koordiniert und betreut die in den beiden Erstaufnahmeeinrichtungen tätigen ehrenamtlichen Asylhelfer.

Weitere sieben Sozialpädagogen kümmern sich um die auf insgesamt 55 Unterkünfte des Landkreises und die Gemeinschaftsunterkunft der Regierung in Germering verteilten 738 Flüchtlinge.

Wegen der Personal- und Zeitnot hat die Brucker Caritas ihr ursprüngliches Beratungskonzept geändert. Laut Rammiger ist es zu zeitaufwendig und daher nicht mehr möglich, an allen einzelnen Standorten Asylbewerber zu beraten. Künftig müssen die Flüchtlinge, die die Hilfe eines Sozialpädagogen benötigen, zu einem von mehreren angeblich gut zu erreichenden zentralen Standorten fahren. An diesen Standorten soll ihnen künftig an fünf Tagen in der Woche eine Sozialberatung angeboten werden.

Noch geht das Landratsamt davon aus, dass in diesem Jahr rund 300 000 zusätzliche Migranten und Flüchtlinge in Deutschland Asyl beantragen werden. Sollte diese Prognose zutreffen - inzwischen ist auch schon von bis zu 400 000 neuen Flüchtlingen die Rede -, müsste der Landkreis bis zum Jahresende insgesamt 3000 Asylbewerber unterbringen.

Nach dem von den Bürgermeistern der 23 Gemeinden vereinbarten Schlüssel würden diese 3000 Personen folgendermaßen verteilt: Adelshofen: 41; Alling: 74; Althegnenberg: 49; Egenhofen: 87; Eichenau: 147; Emmering: 90; Fürstenfeldbruck: 424; Germering: 448; Grafrath: 64; Gröbenzell: 234; Hattenhofen: 30; Jesenwang: 40; Kottgeisering: 31; Landsberied: 38; Maisach: 231; Mammendorf: 85; Mittelstetten: 49; Moorenweis: 113; Oberschweinbach: 31; Olching: 340; Puchheim: 240; Schöngeising: 43; Türkenfeld: 68. Gewichtet werden in dem Verteilerschlüssel die Zahl der Einwohner der jeweiligen Kommune mit 70 Prozent, die Fläche mit 20 Prozent und der Ausländeranteil mit 10 Prozent.

© SZ vom 16.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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