Fürstenfeldbruck:Neue Wohnungsnot

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Nach einer Studie des Prestel-Instituts werden nur für die Unterbringung der in diesem Jahr dem Landkreis zugewiesenen Flüchtlinge 1020 zusätzliche Wohneinheiten benötigt. Landrat Karmasin teilt diese Einschätzung

Von Gerhard Eisenkolb, Fürstenfeldbruck

Für Einheimische und Ansiedlungswillige gibt es im Landkreis zu wenig bezahlbaren Wohnraum. (Foto: Johannes Simon)

Zur dauerhaften Unterbringung nur der in diesem Jahr dem Landkreis zugewiesen Flüchtlinge werden zusätzlich 1020 Wohnungen benötigt. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Wohnmarkt-Analyse des interdisziplinären Prestel-Instituts für Systemforschung in Hannover. Landrat Thomas Karmasin (CSU) sieht die Situation ähnlich. Bleibe ein Drittel der Asylbewerber längerfristig hier, wovon der Landrat ausgeht, und hole Familienangehörige nach, kommt der Landrat ebenfalls auf einen Bedarf von rund tausend Wohnungen.

Mit Wohnungsbau im herkömmlichen Sinn ist dieses Problem nicht mehr zu lösen, meint Karmasin. Der Landrat schätzt, dass 80 bis 90 Prozent der anerkannten Asylbewerber als Hartz-IV-Empfänger von Sozialleistungen des Staates leben werden, sich also keine Wohnung leisten können. Deshalb müssten die Unterkünfte billig und schnell zu errichten sein. Zu bewältigen sei das nur noch mit besseren Barackensiedlungen an den Ortsrändern. Laut Karmasin können allerdings nur die Kommunen diesen Bedarf decken. Droht anerkannten Asylbewerbern die Obdachlosigkeit, ist die Kommune, in der sie zuvor in einer Gemeinschaftsunterkunft lebten, dazu verpflichtet, ihnen ein neues Quartier zu verschaffen.

Der Berechnungen des Prestel-Instituts liegt die Annahme zugrunde, dass in diesem Jahr eine Million Flüchtlinge nach Deutschland kommt und dem Ladkreis ein Anteil von 2540 Personen zugewiesen wird. Landrat Thomas Karmasin geht von einer größeren Zahl aus, nämlich von 3000 Asylbewerbern für den Landkreis, von denen langfristig zwei Drittel das Land wieder verlassen müssten. Zurzeit muss der Landrat jede Woche 43 zusätzliche Flüchtlinge unterbringen. Er rechnet damit, dass diese Zahl im November um 17 auf dann 60 Flüchtlinge pro Woche ansteigen wird.

Im Landkreis fehlen schon seit Langem Sozialwohnungen. Also Wohnraum, den sich Alleinerziehende, Rentner, Haushalte mit einem niedrigen Einkommen, junge Menschen in der Ausbildung, aber auch Flüchtlinge leisten können. Zu dem gleichen Ergebnis kommt das Prestel-Institut, dessen Gründer Eduard Prestel den Club of Rome mitgründete, der mit der Veröffentlichung der Grenzen des Wachstum weltweit bekannt wurde.

Prestel-Institutsleiter Matthias Günther warnt vor einem "Weiter so" im Landkreis. "Um eine handfeste Wohnungskrise zu vermeiden, muss dringend Wohnraum her", stellt Günther fest. Immerhin benötige der Landkreis in diesem Jahr 2,3-mal so viele Wohnungen wie bislang jährlich überhaupt neu gebaut wurden. Im Durchschnitt der vergangenen Jahre entstanden jährlich rund 890 Wohnungen. Der Bedarf ist aber auch ohne Flüchtlinge wesentlich höher.

Das Institut errechnet für 2015 einen Bedarf, der ohne Flüchtlinge bei 1050 Wohnungen liegt. Mit Flüchtlingen wäre es sogar 2070 neue Wohneinheiten. Während der Landrat das Ergebnis der Studie zum Wohnungsbedarf für Flüchtlinge teilt, widerspricht er beim prognostizierten Bedarf für die einheimische Bevölkerung. Um auf 1050 Wohnungen für dieses Jahr zu kommen, müsse man die Zuzugswünsche berücksichtigen, gibt Karmasin zu bedenken. Bisher lehnte der Landrat eine Beteiligung des Landkreises an der Gründung einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft strikt ab.

Angestoßen hat die neue Analyse die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt. Die IG Bau wiederum gab die Untersuchung mit dem Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel, der Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau und dem Bund Deutscher Baumeister, Architekten und Ingenieure in Auftrag. Gefordert werden ein Neustart des sozialen Wohnungsbaus und steuerliche Anreize, um private Investoren zu gewinnen.

© SZ vom 07.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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