Fürstenfeldbruck:Natur unter Beton

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45 Prozent der Siedlungs- und Verkehrsflächen im Landkreis sind bereits bebaut oder versiegelt. Die Grünen möchten dieser Entwicklung mit einem Volksbegehren Einhalt gebieten

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Nein, 971 Fußballfelder sind natürlich nicht gebaut worden im Landkreis Fürstenfeldbruck. Aber die von 2000 bis 2015 im Kreis versiegelte Fläche, die nach Angaben des Landesamtes für Umwelt (LfU) 694 Hektar beträgt, entspricht exakt jenen 971 Fußballplätzen, die ein idealer Maßstab sind, um der Vorstellungskraft ein wenig auf die Sprünge zu helfen. Nicht nur im Landkreis, überall verschwindet zu viel Natur unter Beton, kritisieren Naturschützer seit Jahren. Die bayerischen Grünen wollen nun ein Volksbegehren gegen den Flächenfraß initiieren. "Wir erleben eine rasante Zunahme des Flächenbedarfs", warnt auch Grünen-Kreissprecherin Elke Struzena: "Unsere Heimat verliert mehr und mehr ihr Gesicht."

Bayern sei für knapp die Hälfte der Neu-Versiegelung in ganz Deutschland verantwortlich, kritisieren Struzena und ihr Kreissprecher-Kollege Alexander Reichert in einer Pressemitteilung. Der unter dem Namen "Versiegelungsatlas" bekannten Studie "Satellitengestützte Erfassung der Bodenversiegelung in Bayern 2015" des LfU zufolge sind 51 Prozent aller Siedlungs- und Verkehrsflächen in Bayern - dazu zählen Gebäude- und Freiflächen, Betriebsflächen, Straßen, Wege und Bahnstrecken, Friedhöfe sowie Sportplätze und Erholungsflächen - bebaut, betoniert, asphaltiert, gepflastert oder anderweitig befestigt. Der Landkreis Fürstenfeldbruck liegt mit knapp 45 Prozent ein wenig unter dem Durchschnittswert. Am wenigsten überbaut sind die Siedlungs- und Verkehrsflächen im Kreis Starnberg (39,5 Prozent), am meisten im Kreis Kitzingen in Unterfranken (59 Prozent).

Sichtbar wird die Bodenversiegelung vor allem bei der Neuausweisung von Gewerbegebieten. Im Landkreis sind entlang der Bundesstraße 471 in den vergangenen Jahren einige neue hinzugekommen: etwa das große Gewerbegebiet bei Geiselbullach oder das kleinere am Rand von Schöngeising, in dem nun Jahre nach dem Bürgerentscheid ein erstes Gebäude entstanden ist. "Gewerbegebiete werden oft gedankenlos ausgewiesen und ideenlos mit großflächigen Parkplätzen und ebenerdigen Verkaufs- und Lagerhallen bebaut", ist die Meinung von Elke Struzena dazu. "Selbst Landschaftsschutzgebiete sind nicht wirklich überall vor dieser Bauwut geschützt", sagt sie und verweist auf den im Vorjahr per Bürgerentscheid verhinderten Versuch der Gemeinde Grafrath, das dortige Gewerbegebiet in das Landschaftsschutzgebiet Obere Amper hinein auszudehnen.

Dass für die Neuansiedlung von Gewerbe und Discountern, für den Bau neuer Straßen und die Schaffung von Parkplätzen immer mehr Natur asphaltiert wird, ist eine Entwicklung, die seit Jahren anhält. Eine Abnahme der versiegelten Flächen "war erwartungsgemäß nicht festzustellen", heißt es im "Versiegelungsatlas". Und seit vielen Jahren warnen Umwelt- und Naturschützer auch im Landkreis Fürstenfeldbruck vor dieser Entwicklung - ohne Erfolg. 2013 hatte der Bund Naturschutz im Landkreis mehr als 3000 Unterschriften gesammelt und damit gefordert, weitere Flächen für Straßen, Wohnungen und Gewerbe nur äußerst restriktiv zu vergeben und bei Gewerbegebieten nach gemeindeübergreifenden Lösungen zu suchen. Richtig weitergekommen sei man nicht, sagt Eugenie Scherb, Kreisvorsitzende des Bund Naturschutz (BN), jetzt der SZ: "Punktuell wird uns zwar schon mehr zugehört", auch in die Leitbilddiskussion und die Schaffung des Regionalmanagements für den Landkreis sei der BN eingebunden gewesen. Reagiert aber werde darauf nicht.

"Unsere Heimat verliert ihr Gesicht": Kreisgrünen-Sprecherin Elke Struzena kritisiert den Flächenfraß. (Foto: Johannes Simon)

Die Folgen einer Politik, die immer mehr Flächen für Gebäude und Straßen benötigt, aber werden beispielsweise bei jedem Starkregen deutlich. Denn die Bodenversiegelung bringt es mit sich, dass der Untergrund Regenwasser nicht oder kaum mehr aufnehmen kann und damit auch das Risiko steigt, dass es bei starken Regenfällen örtlich zu Überschwemmungen kommt. Und auch das kennt jeder: Im Sommer fühlt es sich auf asphaltierten Flächen deutlich wärmer an als auf natürlichem Untergrund, weil versiegelte Böden nicht zur Kühlung der Luft beitragen. Auch die Fruchtbarkeit des Bodens wird beeinträchtigt, wenn er dauerhaft von Luft und Wasser abgeschlossen ist. Für Tiere und Pflanzen geht durch die Versiegelung wertvoller Lebensraum verloren und ihre verbleibenden Lebensräume werden zerschnitten.

Das Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung hat in einem "Monitor der Siedlungs- und Freiraumentwicklung (IÖR-Monitor)" den Bodenversiegelungsgrad im Jahr 2012 unter anderem für die Städte und Gemeinden im Landkreis ermittelt, der anzeigt, wie viel Boden durch Gebäude, versiegelte und teilversiegelte Verkehrs- und Freiflächen bedeckt ist. Demnach hat Gröbenzell mit 46,3 Prozent den mit Abstand höchsten und nahezu gleichen Bodenversiegelungsgrad wie die Stadt München (46,6 Prozent). Es folgen Eichenau mit 26,8 Prozent, Puchheim (24,6) und Germering (23,9). Für Fürstenfeldbruck beträgt der Bodenversiegelungsgrad 20,5 Prozent. Weit hinten sind erwartungsgemäß die Gemeinden auf dem Land, am wenigsten versiegelte Fläche haben Mittelstetten (2,7 Prozent), Egenhofen (3,1) und Moorenweis (3,2).

© SZ vom 04.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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