Fürstenfeldbruck:Musik als Ideologie-Träger

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Neonazi-Aussteiger Felix Benneckenstein ist nun für die Organisation Exit als Aufklärer unterwegs, hier im Viscardi-Gymnasium. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Ein Aussteiger aus der rechtsextremen Szene klärt Fürstenfeldbrucker Gymnasiasten auf

Von Katharina Knaut, Fürstenfeldbruck

"Ich bin ja kein Nazi, aber . . ." So fängt es an. Eine Plattitüde hier, eine abfällige Bemerkung dort, ein "Ich fand die Türken ja schon immer suspekt" in geselliger Runde. Der Aussteiger Felix Benneckenstein erzählt in einem Vortrag für die zehnten Klassen des Viscardi Gymnasiums von seiner Zeit als Demo-Organisator und Redner in der "Kameradschaftsszene" und wie er es schaffte, sich wieder davon loszusagen. Mittlerweile arbeitet er bei der Organisation "Exit", die Mitgliedern der rechtsextremen Szene hilft, sich wieder in die Gesellschaft einzugliedern.

"Ich habe mich am Anfang nicht als Nazi verstanden", erklärt Benneckenstein den schweigenden Zehntklässlern, die seinen Vortrag mit großem Interesse verfolgen. "Im Gegenteil, gegen die historischen" Nazis hatte ich eine Ablehnung." Aber in die Szene zu kommen, sei viel einfacher, als die meisten Menschen glauben. Im Alter von 14 war er orientierungslos, hielt wenig von Schule und Vorschriften. Dann tauchte in seiner Clique die erste Nazi-Musik auf. "Die Texte schienen Sinn zu machen." Bei anderen beginnt es auch schon von klein auf. Der Vater seiner Frau war überzeugter Nazi und erzog auch seine Töchter nach dieser Ideologie. Dazu gehörten auch Schläge. Aber da sie das Gedankengut von klein auf gelehrt bekam, glaubte sie es. "Man will es auch glauben", so Benneckenstein. Er selbst habe es beispielsweise von einer Zeitzeugin gehört, die nie vom Nationalsozialismus abgewandt hat: "Man misstraut keiner 103 Jahre alten Frau."

"Wie geht man in der Schule damit um? Dort wird es doch anders beigebracht", will eine Schülerin wissen. Wenn man wirklich daran glaube, könne das auch nicht mehr davon abbringen, erklärt der Referent. Das ginge sogar soweit, dass man in Tests über das Thema die Sätze mit "laut Schulbuch" und "angeblich" beginnt. Die Ideologie könne sehr überzeugend sein, vor allem wenn man seine eigene Lebenssituation darin wiederfindet. "Wir hatten Streit mit einer Gruppe, in der viele Ausländer waren." Laut der Nazi-Idee zerstöre die Ausländer die Gesellschaft. Nichts lag für ihn also näher, als das auf die unliebsame Gruppe zu projizieren. Geschichtliche Tatsachen und Grausamkeiten würden negiert und schöngeredet werden: "Die Judenvergasung beispielsweise sei nur eine große Verschwörung der Amerikaner. "

Zweifel kamen Benneckenstein erst, als er mit seiner jetzigen Frau zusammenkam und sie ihm von ihrer unglücklichen Kindheit erzählte. "Dann begann das erste kritische Hinterfragen." Doch zum finalen Austritt kam es erst nach ein paar Jahren. Bis dahin machte er Musik und nahm Gelegenheitsjobs an. Die Mitglieder der Szene besitzen oft Unternehmen, in denen Gleichgesinnte zu sehr guter Bezahlung arbeiten können. Auf diese Weise konnte er eine Zeit lang sogar einen guten Lebensstandard halten. Nach einiger Zeit hatte sogar seine Musik Erfolg. Aber er konnte sich immer weniger mit der Ideologie identifizieren. Dann geriet er mit ein paar aus der Szene aneinander, was zu einer Aussage bei der Polizei führte. Seitdem gilt er als Verräter. So kam er zur Organisation Exit, die ihm und seiner Frau den endgültigen Ausstieg ermöglichte. Dazu gehörten auch Umzug und Abbruch aller alten Kontakte aus der Szene. So erhielt er eine neue Chance.

Die Schüler nehmen die Informationen schweigend auf. Nicht ein einziges Mal herrscht Unruhe, alle hören gespannt zu. "Es war sehr interessant", erklärt Theresa Wurm nach dem Vortrag. "Man hat so eine viel bessere Vorstellung, als wenn man es nur als trockenen Stoff im Unterricht vermittelt bekommt." Dieser Meinung ist auch Hannah Fleischer. "Besonders erschreckend fand ich, dass das vom eigenen Vater kommen kann. Das kann man sich gar nicht vorstellen."

"Kritisches Hinterfragen ist der beste Weg, um zu verhindern, dass man in die Szene hineingezogen wird", gibt Benneckenstein als Rat mit auf den Weg. Auch bei Organisationen wie Pegida oder der AfD. Nur so könne man verhindern, dass man von den schön geredeten Theorien eingewickelt werde.

© SZ vom 14.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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