Fürstenfeldbruck:Mit dem Rollator zum Hungerstreik

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Einer 58-jährigen Schwerbehinderten bleiben nur 150 Euro im Monat für Lebensmittel. Nun will sie Hilfe vom Sozialamt erzwingen

Von Stefan Salger

Sie fühlt sich wie ein Spielball der Ämter - von Mitarbeiter zu Mitarbeiter weitergereicht, hingehalten und vertröstet. Seit rund elf Wochen bleiben Elisabeth Wirtz lediglich 150 Euro pro Monat. Die Aufstockung ihrer Erwerbsminderungsrente auf die 374 Euro der Grundsicherung aber werde ihr verwehrt.

Nun weiß sich die 58-Jährige nicht mehr anders zu helfen als mit einer radikalen Aktion: Am Mittwoch kündigte sie an, sie werde am Donnerstag um 9 Uhr in den Hungerstreik treten. Mit ihrem Rollator will die schwerbehinderte Frau zum Landratsamt kommen und auf einer Bank so lange ohne Nahrung ausharren, bis sich der Landrat ihrer Sache annimmt.

"Ich muss 20 Tabletten nehmen, unter anderem gegen Schmerzen. Und ich werde Wasser trinken. Aber im Rahmen meiner Möglichkeiten werde ich so lange bleiben, bis ich eine Antwort bekomme." Ein Suizidkandidat sei sie aber nicht.

Sozialamtsleiter Dieter Müller äußerte am Mittwoch Verständnis, warnte aber vor voreiligen Schuldzuweisungen. Ihm zufolge handelt es sich zwar um einen Grenzfall. An ihrem Dilemma trägt seiner Darstellung zufolge die den Behörden gut bekannte Frau freilich eine Mitschuld - zudem könnten dem Sozialamt aus rechtlichen Gründen die Hände gebunden sein. Ein Grenzfall ist es auch deshalb, weil die geschiedene Frau durchaus Einkünfte hat.

Das Sozialamt kalkuliert mit rund 1050 Euro. Davon muss die in Scheidung lebende, stark pflegebedürftige Frau, die auch noch vergeblich auf Unterhaltszahlungen wartet, rund 630 Euro Warmmiete zahlen. Die Crux: Wirtz muss noch mindestens bis Dezember jeden Monat zusätzlich rund 250 Euro abstottern aus zurückliegenden Schulden - unter anderem für Mietnachzahlungen und wegen eines Wechsels von der privaten in die gesetzliche Krankenversicherung.

Unterm Strich bleibt der hochgradigen Allergikerin damit zu wenig Geld für die teure gluten- und laktosefreie Nahrung oder für Nahrungsergänzung wie Magnesium. "Ich koche mir ab und zu eine glutenfreie Brühe, mehr schaffe ich selbst nicht." Auch der schwerbehinderte Sohn kann kaum helfen, die Tochter lebt in den USA.

Es gibt kaum Anzeichen für eine schnelle Besserung. Denn das Sozialamt darf nach Gesetzeslage nicht für Schulden aufkommen. Werden die Schulden aber nicht berücksichtigt, dann liegt die Bruckerin wohl über dem sozialhilferechtlichen Bedarf und erhält keine Rentenaufstockung. "Frau Wirtz hätte gegen die Abzüge ihrer Rentenversicherung frühzeitig Widerspruch einlegen sollen", erläutert Müller.

Zahle das Sozialamt aber nun ohne Grundlage, könne es auch später das Geld nicht mehr zurückfordern. Dennoch will er beim Gesundheitsamt auf die zügige Prüfung eines dort bestellten Gutachtens zur Nahrungsunverträglichkeit dringen. Doch auch im Idealfall würde es wohl noch zwei bis drei Wochen dauern, bis es etwas Geld gibt.

Den von hohen Mieten und Schulden ausgelösten Teufelskreis und persönliche Schicksale kennt Silvia Dörr von der Caritas gut. Manchmal könnten Caritas oder Brucker Tafel bei der akuten Versorgung helfen. Manchmal, so Dörr, würde aber auch etwas weniger Bürokratie zur Linderung der Not beitragen.

© SZ vom 25.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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