Fürstenfeldbruck:Milde Strafe für Schwarzfahrerin

Richter verhängt 1200 Euro Geldstrafe gegen 24-Jährige Wiederholungstäterin. Staatsanwältin fordert dagegen Haft

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck

1200 Euro Geldstrafe für drei Mal Schwarzfahren erscheint auf den ersten Blick unverhältnismäßig viel zu sein. Doch wer mit dem deutschen Rechtssystem nur ein bisschen vertraut ist, der weiß, dass bei einer Bestrafung auch frühere Straftaten eine Rolle spielen - vor allen Dingen dann, wenn sie einschlägig sind, sich also um das selbe Delikt drehen. Wenn man vor diesem Hintergrund die 1200 Euro Strafe betrachtet, die der Amtsrichter unlängst gegen eine 24 Jahre alte Frau verhängte, kann man das Urteil durchaus als milde bezeichnen. Denn die Mutter zweier Kinder ist mehrfach einschlägig vorbestraft. Aus diesem Grund hatte die Staatsanwältin eine Freiheitsstrafe von fünf Monaten gefordert. Und zwar ohne Bewährung.

Dass sie zwischen September 2015 und Juni 2016 drei Mal ohne Fahrkarte bei Kontrollen in der S-Bahn erwischt wurde, räumt die 24-Jährige ohne Umschweife ein. Doch als sie die Hintergründe dafür erläutert, stößt sie bei vielen im Gerichtssaal auf Verständnis. Denn das bisherige Leben der vermutlich vom Balkan stammenden Frau ist alles andere als behütet verlaufen. Als Kleinkind wurde sie von ihrer Mutter verlassen. Sie wuchs bei ihrer Großmutter in Berlin auf. Dorthin ist sie im vergangenen Jahr auch wieder geflüchtet. Nach einer elf Jahr dauernden Beziehung zu einem gewalttätigen, dem Gericht bekannten Mann.

"Ich bin mit meinem Mann mit 13 Jahren zusammen gekommen. Diese elf Jahre waren die Hölle", sagt die junge Frau rückblickend. In der neunten Klasse wurde sie schwanger und verließ deshalb die Schule. Seither holte sie weder den Schulabschluss nach, noch machte sie eine Ausbildung. Mit dem Kindsvater lebte sie damals in einer Wohnung in Puchheim. Im Gerichtssaal berichtet sie vom gemeinsamen Alkohol- und Drogenkonsum. Ihr "Mann", mit dem sie allerdings nicht verheiratet ist, sei ein schlechter Einfluss gewesen, berichtet die Angeklagte, ohne den Eindruck zu vermitteln, sie wolle die Verantwortung auf ihn abwälzen. "Wir haben die Wohnung verwüstet", berichtet sie. "Dann habe ich mich vernachlässigt, die Kinder vernachlässigt."

Wie die Angeklagte schildert, arbeitete ihr Partner nicht. Also nahm sie einen 450-Euro-Job in einer Spielhalle an. Doch das Geld landete am Ende trotzdem bei ihm. "Ich hatte nie Geld, weil er ja der Mann ist. So ist das nun mal bei uns", erklärt die 24-Jährige in Anspielung auf ihre Herkunft, die sie aber nicht genauer erläutert. Die junge Frau mit dem slawischen Namen sagt, dass sie ihm ihren Lohn immer freiwillig ausgehändigt habe. "Das hat auch viel mit Angst zu tun", denn regelmäßig habe ihr Partner sie geschlagen. Der Vorsitzende Richter Martin Ramsauer hält das für glaubhaft. Denn auch er kennt den Expartner der Angeklagten von ein paar Verhandlungen her. Wie sich außerdem herausstellt, leidet eines der Kinder der 24-Jährigen an einer Muskelschwäche. Mit ihm musste sie zur Tatzeit in eine Münchner Klinik fahren. Dabei war sie ohne Fahrkarte erwischt worden. Inzwischen lebt sie mit ihren Kindern wieder bei ihrer Großmutter in Berlin, ist auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz. "Ich will in Berlin einen Neuanfang machen", versichert sie.

Doch angesichts der vielen, oft einschlägigen Vorstrafen mitsamt zwei offenen Bewährungen sieht die Staatsanwältin keine Möglichkeit mehr für eine weitere Bewährungsstrafe für die junge Mutter. "Sie hat sich bisher nicht von Geld- oder Bewährungsstrafen von weiteren Straftaten abhalten lassen." Sie fordert eine fünfmonatige Haftstrafe. "Sie ist auf einem guten Weg", argumentiert hingegen der Verteidiger. Die meisten Straftaten stünden im Zusammenhang mit ihrem früheren Leben in Puchheim. Nun lebe sie ohne den Kindsvater in Berlin. Der Vorsitzende Richter folgt dessen Antrag auf eine maßvolle Geldstrafe und verhängt 120 Tagessätze zu je zehn Euro.

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