Übergangsbürgermeister Erich Raff:"Man muss sein Leben radikal umstellen"

Der amtierende Fürstenfeldbrucker Bürgermeister über die Bürde eines Amtes mit unendlich vielen Terminen und über die Aussichten, nach der Rekonvaleszenz von Oberbürgermeister Klaus Pleil wieder abgelöst zu werden

Interview von Stefan Salger

Ende August hat der Fürstenfeldbrucker Oberbürgermeister Klaus Pleil (BBV) im Sommerurlaub einen Herzinfarkt erlitten. Seitdem wird er von seinem Stellvertreter Erich Raff (CSU) vertreten, der seit 1996 dem Stadtrat angehört. Der pensionierte Polizeihauptkommissar, 62, musste sein Leben komplett umkrempeln. Raff ist verheiratet, hat zwei Kinder, vier Enkel und engagiert sich seit vielen Jahren für die TuS-Handballer.

SZ: War für Sie klar, dass Sie 2014 noch einmal als Stadtrat kandidieren?

Erich Raff: Ja. Ich bin ja seit 2008 Sportreferent. Und wir haben schon angefangen zu planen für die Sportzentren II und III. Mit der Entscheidung, den Fliegerhorst aufzugeben, ist dann alles umgemodelt worden. Ich habe mir jedenfalls gedacht, jetzt gehen wir das an. Vor allem, weil auch von allen OB-Kandidaten gesagt worden ist, dass nun der Sport an der Reihe ist.

Sie waren damals bereits im Ruhestand und wollten sich mehr um Familie und Hobbys kümmern.

Ich bin im August 2013 in Pension gegangen, hatte endlich mehr Zeit für Tennis, Freizeitsport, Golfen und konnte mich mehr um meine vier Enkel kümmern.

Nach der Wahl lehnte der neue Oberbürgermeister Klaus Pleil Andreas Lohde von der CSU als Vize ab und die CSU lehnte wiederum den von Pleil vorgeschlagenen Franz Höfelsauer ab. Sie wurden von manchen damals als kleinster gemeinsamer Nenner gehandelt. Schmerzt so etwas?

Ich hatte damals gar nicht mitbekommen, was da hinter den Kulissen gespielt wird. Irgendwann wurde mein Name genannt. Klaus Pleil wollte jemanden, der in Rente ist und Zeit hat. Ich habe mich gefreut über den Rückhalt in der CSU und besonders über den großen Zuspruch des Stadtrats bei der Wahl.

Übergangsbürgermeister Erich Raff: Hier sitzt er im Amtszimmer des Oberbürgermeisters.

Hier sitzt er im Amtszimmer des Oberbürgermeisters.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Wie war danach die Zusammenarbeit mit dem einstigen Kontrahenten der BBV und mit Karin Geißler von den Grünen, mit der Sie als Stadtrat kein sehr inniges Verhältnis hatten?

Herrn Pleil kenne ich schon viele Jahre, vor allem vom Sport her. Ich habe es so gesehen, dass ich ihn bei den Sachen, die er auf den Weg bringt, unterstütze. Er ist der Chef. Ich habe mich als den gesehen, der ihn vertritt, ohne eine radikal andere Meinung zu haben. Es hat wenige Punkte gegeben, bei denen wir grundverschiedene Auffassungen hatten: die Verlegung der B 2 und der Umzug der Stadtwerke. Das ist vom Stadtrat einmal so und einmal so entschieden worden und gut war's. Ansonsten haben wir uns sehr gut verstanden, es gab nie Probleme. Ähnlich ist es mit Frau Geißler, auch wenn wir davor nicht die großen Freunde waren. Wir haben eine gute Basis gefunden. Wir verstehen uns. Politisch sind wir auch heute natürlich nicht immer auf einer Wellenlänge, aber Vertrauen ist vorhanden. Wenn ich im Urlaub bin, vertritt sie mich. Das funktioniert gut.

Wann haben Sie von Pleils Herzinfarkt gehört und was ging da in Ihnen vor?

Es klingt kurios in der heutigen Zeit: In der ersten Septemberwoche war ich mit der ganzen Familie nahe Waging am See. Nach dem Herzinfarkt von Klaus Pleil am 31. August wurde versucht, mich telefonisch zu erreichen. Aber alle unsere Handys hatten dort in dem Bauernhof keinen Empfang. Erst am Dienstag habe ich dann von dem Herzinfarkt erfahren. Die erste Reaktion war natürlich: Wie konnte das passieren? Pleil ist doch ein Sportler, er ist schlank und so gar kein Risikopatient. Am Donnerstag sind wir heimgefahren, am Freitag war ich dann im Büro. Frau Geißler war ja im Amt. Bis Ende Oktober werde Pleil auf Reha sein, hieß es bald. Ich habe damals keinen Gedanken daran verschwendet, dass das so viele Monate dauern könnte.

Wie hat sich Ihr Leben verändert?

Ich wusste aus den Zeiten des früheren Oberbürgermeisters Sepp Kellerer, dass es viele Termine gibt. Aber dass es so heftig werden könnte, konnte ich mir nicht vorstellen. Respekt für 18 Jahre Kellerer und auch für die Arbeit Pleils! Das wissen viele draußen gar nicht, was mit diesem Amt alles verbunden ist.

Lange Tage, kein freies Wochenende?

So ist es. Von Montag bis Donnerstag fällt die Hauptarbeit an. Zwischen 10 und 12 Stunden im Schnitt. Freitag ist schon mal bereits um 15 oder 16 Uhr Schluss. Aber am Wochenende geht es oft mit Terminen weiter. Es gibt viele Einladungen, und Vereine sehen es gerne, wenn OB oder Bürgermeister zu ihren Veranstaltungen kommen.

TuS Handball

An vielen Orten präsent war und ist Brucks amtierender Bürgermeister Erich Raff, etwa wie hier bei den TuS Handballern.

(Foto: Günter Reger)

Wie ändert sich das Familienleben?

Ich war ja schon eineinhalb Jahre zu Hause. Meine Frau arbeitet noch. Da habe ich mehr im Haushalt und beim Einkaufen übernommen. Jetzt ist es wieder umgekehrt. Die verbliebenen Abende muss man anders organisieren. Insgesamt bleibt jetzt sehr viel weniger Zeit für die Familie.

Wird das so hingenommen?

Es war ja alles abgestimmt. Auch mit den Enkeln funktioniert es. Ich kann sie jetzt natürlich nicht mehr von der Schule oder dem Kindergarten abholen, es beschränkt sich halt eher aufs Wochenende, jetzt im Winter meist auf die Sporthalle bei den Handballspielen.

Wie haben die Brucker reagiert?

Anfangs, so in den ersten drei Monaten, da hieß es schon manchmal: Ach, da kommt ja nur der Zweite Bürgermeister. Man wurde aber dennoch akzeptiert. Ich habe einfach versucht, alles im Sinne von Pleil und in Abstimmung mit dem Stadtrat weiterzuführen. Und mittlerweile bekomme ich durchaus gute Resonanz.

Und die Stadträte?

Auch da ist es eine gute Zusammenarbeit. Okay, es gab den einen oder anderen Zoff. Das gehört mit dazu. Aber es geht ja um die Sache. Da hat jeder seine Meinung, letztlich entscheidet die Mehrheit. Ich fühle mich auch im Amt akzeptiert.

Das Amt an der Spitze der Stadt, das heißt viel Geld, aber auch viel Stress. Wie lange würden Sie das noch so machen?

Man muss sein Leben radikal umstellen. Die Familie muss mitmachen. Man muss sich Freiräume schaffen. Ich empfinde es noch nicht als Stress. Ich würde es mir eigentlich noch lange zutrauen. Aber der entscheidende Punkt ist: Ich will es nicht, weil dafür ein anderer gewählt wurde.

In der Stadt wird darüber spekuliert, dass es noch länger dauert, bis OB Pleil sich völlig erholt. Sind Sie im Kontakt?

Faschingsfreunde FFB

Im Fasching trifft Erich Raff (re.) das Prinzenpaar.

(Foto: Günther Reger)

Wir treffen uns etwa alle 14 Tage. Die Frau Liebl vom Vorzimmer und ich wechselseitig. Er war letzte Woche da. Dann unterhalten wird uns. Er bekommt die Protokolle der Sitzungen.

Es heißt, Anfang oder Mitte Februar kehre der Amtsinhaber zurück. Wäre es eine Überraschung, wenn es länger dauert?

Ich bin kein Mediziner. Aber es wird natürlich nach einem langsamen Einstieg sicher noch vier Wochen dauern, bis er wieder voll einsteigen kann. Ich würde es auch noch April oder Mai machen. Alles andere ist spekulativ. Das nagt natürlich auch an Klaus Pleil. Er selbst macht sich sehr viele Gedanken.

Gab es schon Feedback von ihm?

Ja, er bedankt sich und bestätigt mir, dass ich das in seinem Sinne fortführe und auch nicht gegen ihn arbeite. Das wäre ja auch nicht mein Naturell. Ich wünsche ihm von Herzen, dass er gesund wird. Er ist bis Ende März krankgeschrieben. Seine Intention ist, so schnell wie möglich relativ oft ins Rathaus zu kommen. Er will wieder zurück. Man kann ihm nur wünschen, dass das klappt. Es war ja vor der Wahl 2014 sein ganzer Antrieb, OB zu werden.

Pleils BBV-Vertraute geben sich optimistisch, dass er bald schrittweise einsteigen kann. Was, wenn das nicht klappt?

Streng formal gibt es das Beamtenrecht - spätestens nach einem halbem Jahr gibt es eine amtsärztliche Untersuchung, dann sechs oder acht Wochen später noch mal. Spätestens im Herbst würde es wahrscheinlich schon heißen: Freunde, ihr könnt die Stadt nicht ewig von einem Zweiten Bürgermeister leiten lassen.

Zur Politik: Wie wahrscheinlich ist es, dass auf dem Fliegerhorst eine weitere Asyl-Dependance eingerichtet wird? Wird die Stadt da gefragt?

Bruck: Grussworte zum Neujahr / Posaunen-Chor vor Klosterkirche

Auch an Neujahr ist er aktiv.

(Foto: Johannes Simon)

Nein. Ich hoffe, dass wir zumindest frühzeitig informiert werden. Bis Mitte Februar soll die Erstaufnahmeeinrichtung ja erst mal auf 1600 Personen aufgestockt werden. In Erding ist Platz für 5000 Menschen, aber heute sind es 2500 oder 3000. Dort gibt es also noch Kapazitäten. Ich glaube eher, dass der Bezirk erst einmal auf Erding setzt.

Gibt es bei der Mitnutzung von Bundeswehr-Sporteinrichtungen Fortschritte?

Nein, gar nicht. Solange die Bundeswehr da ist, können wir nur punktuell mal am Wochenende oder abends nachfragen. Es gibt Verträge mit Vereinen aus Maisach und Fürstenfeldbruck. Ansonsten sagt die Bundeswehr: Wir haben hier noch 450 Soldaten bei den Lehrgängen, da brauchen sie die Hallen, was aus Sicht der Bundeswehr nur verständlich und nachvollziehbar ist. Sinn würde aus meiner Sicht nur eine langfristige Lösung machen.

Gibt es jenseits des Viehmarktplatzes weitere wichtige Themen?

Ja, den Sozialen Wohnungsbau. Es gibt eine steigende Zahl von Fehlbelegern, also anerkannten Asylbewerbern, die die Erstaufnahmestelle eigentlich verlassen müssten. 10 oder 15 davon haben wir auch hier am Fliegerhorst. Die dortige Unterkunft ist jetzt noch relativ locker belegt. Aber wir müssen für diese Menschen und auch für unsere Bevölkerung dringend Wohnraum suchen und schaffen. Immerhin bauen wir ja jetzt an der Parsevalstraße und am Sulzbogen. Und es gibt Verhandlungen über weitere Flächen wie die neben der Polizei. Wir müssen uns Gedanken machen, wie wir Grundstücke für den sozialen Wohnungsbau nutzbar machen. Vielleicht kann auch das eine oder andere Gebäude auf dem Fliegerhorst noch vor dem Abzug der Bundeswehr genutzt werden.

Sie meinen die zwei Sternbauten?

Ja. Bis Mitte oder Ende Februar erwarten wir eine Antwort vom Bundesministerium. Die Häuser sind von der Bundeswehr selbst ins Spiel gebracht worden, weil sie teils leer stehen. Da sind bereits Wohnungen drin, das würde uns schon helfen.

Nach Jahren im Zeichen der Kultur soll aber nach beinahe einhelliger Meinung im Stadtrat nun der Sport am Zuge sein.

Nachdem die Bebauung des Viehmarktplatzes auf den Weg gebracht worden ist, hoffe ich in meiner Funktion als Sportreferent natürlich schon, dass gerade beim Sportzentrum im Westen etwas vorangeht. Da wird hoffentlich nicht mehr dran gerüttelt. Die Kosten darf man nur so weit drücken, dass das Zentrum noch etwas darstellt und genutzt werden kann. Und die Unterhaltskosten und Betriebsdefizite müssen im überschaubaren Rahmen bleiben. Gut ist, dass die Zinsen niedrig sind.

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