Fürstenfeldbruck:Landkreisbevölkerung wächst deutlich

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Experten rechnen bis zum Jahr 2034 mit einem Plus von 32 000 Menschen. Politiker wie der Brucker Kreisrat Klaus Wollenberg mahnen mehr Weitblick bei der notwendigen Ansiedlung weiterer Wirtschaftsbetriebe an

Von Gerhard Eisenkolb, Fürstenfeldbruck

Die beachtliche Zahl von 200 000 Einwohnern hat der Landkreis bereits im Jahr 2006 erreicht. Danach dauerte es weitere acht Jahre, bis es Ende 2014 genau 210 278 waren. Das geht aus Statistiken hervor, die der Planungsverband Äußerer Wirtschaftsraum nun vorgelegt hat. In den nächsten 18 Jahren wird sich diesen zufolge das Wachstum erheblich beschleunigen. Bis zum Jahr 2034 sollen in dem zum großen Teil städtischen Siedlungsraum zwischen Germering und Türkenfeld insgesamt 242 000 Menschen wohnen, also nochmals 32 000 mehr als heute. Das wird den Trend zur Verstädterung verstärken. Stark zugenommen hat, auch das ist der neuesten Landkreis-Statistik für das Jahr 2014 zu entnehmen, neben der Zahl der Bewohner auch die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Landkreis: 2014 stieg deren Zahl um 1757 auf 45 325 an. Die Zunahme derjenigen, die im Landkreis eine sozialversicherungspflichtige Stelle haben, liegt nur um 249 unter dem Bevölkerungszuwachs im gleichen Zeitraum. Diese betrug 2006 Personen. Zuzüge und neue sozialversicherungspflichtige Stellen halten sich also in etwa die Waage. Was jedoch nicht damit gleichzusetzen ist, dass die Menschen, die in den Landkreis ziehen, hier auch einen Arbeitsplatz finden. Der Kreisrat und Fürstenfeldbrucker Stadtrat Klaus Wollenberg (FDP) warnt denn auch davor, sich von dieser Statistik blenden zu lassen.

Aus Sicht des an der Hochschule München in der Fakultät Betriebswirtschaft lehrenden Professors hat sich an der grundlegend problematischen Struktur des Landkreises nichts geändert. Wer hier lebt, der pendelt in der Regel weiterhin aus. 2014 waren das 54 342 sozialversicherungspflichtig beschäftigte Auspendler, aber auch 18 863 Einpendler, die Sozialabgaben entrichten. Wollenbergs Schluss: Im Landkreis werden zwar Arbeitsplätze geschaffen, aber nicht für die Menschen, die hier wohnen, sondern für zusätzliche Einpendler. Damit bleibe es bei der grundlegenden Schwäche der Infrastruktur im Landkreis. Einer großen Zahl von Pendlern steht eine relativ kleine Zahl von Berufstätigen gegenüber, die an ihrem Arbeitsort wohnen. Zum Vergleich: Drei der acht Landkreise in der Region München verzeichnen einen Überschuss an Einpendlern. Das sind der Landkreis Freising, der Landkreis München und seit dem Jahr 2014 auch der Landkreis Starnberg mit einem Plus von 174 Einpendlern.

Trotz der Ausweisung neuer Gewerbegebiete entwickelt sich die Wirtschaftsstruktur des Landkreises Fürstenfeldbruck laut Wollenberg zudem nicht in Richtung einer höherwertigen Wertschöpfung aus Löhnen und Gewinnen. Kritisch sieht der Wissenschaftler vor allem solche Gewerbegebiete wie das neue an der B 471 in Olching. Dort an eine Firma wie Amazon riesige Gewerbeflächen zu vergeben, sei "Perlen vor die Säue geworfen". Wäre es der Stadt Olching gelungen, anstelle des Auslieferungslagers einen produzierenden Betrieb mit vielen Angestellten anzusiedeln, wäre das wunderbar. Wollenberg nimmt nicht an, dass mit Firmen wie Amazon die Gewerbesteuer und der Einkommenssteueranteil für die Stadt Olching in dem Maße ansteigen werden, wie es sich die Rathausspitze erhofft. Die Amazon-Pakte würden von eigenverantwortlich tätigen Spediteuren ausgefahren, die nicht im Landkreis wohnen und hier auch keine Abgaben zahlen.

Das Wachstum bringt nur etwas, wenn der Landkreis und dessen Kommunen davon profitieren. Das ist laut Wollenberg erst dann der Fall, wenn die Einnahmen der Kommunen infolge des Zuzugs und der Ansiedlung neuer Betriebe stärker ansteigen als die sonstigen Ausgaben. In diesem Punkt sei der Landkreis Fürstenfeldbruck schlechter aufgestellt als die Nachbarlandkreise Starnberg oder Dachau. Während die Wirtschaftsförderung im Brucker Landratsamt zusammen mit der IHK beispielsweise Seminare für Unternehmensgründer anbiete, entwickelten andere Landkreise ihre Wirtschaftsstruktur strategisch weiter.

Laut Wollenberg liegt der Landkreis Fürstenfeldbruck hingegen in der Kultur- und Kreativwirtschaft in Bayern an vierter Stelle. Obwohl dies eine hervorragende Platzierung ist, sei keine gezielte Initiative zu erkennen, hier die Zahl der Betriebe in diesem Bereich zu steigern. Ähnlich vernachlässigt wird laut dem Wirtschaftswissenschaftler die Tatsache, dass der Landkreis in einem Fotonik-Cluster liegt, das von Starnberg über Fürstenfeldbruck nach Dachau reicht. Obwohl die Fotonik, also die Optoelektronik und Lasertechnik, eine Schlüsseltechnologie ist, fließe das nicht in hiesige Wirtschaftsförderung ein.

Auf tausend Einwohner im Landkreis kamen im Jahr 2014 statistisch 4,1 neu errichtete Wohnungen. Nach Einschätzung von Christian Breu, dem Geschäftsführer des Planungsverbands Äußerer Wirtschaftsraum, ist diese Zahl nicht ausreichend, um die Bevölkerung langfristig mit Wohnungen zu versorgen. "Damit die Preise im Umland nicht ins Unermessliche steigen, brauchen wir in den Landkreisen der Region mindestens 10 000 neue Wohnungen im Jahr", stellt Breu fest. Im Jahr 2014 waren es im Landkreis Fürstenfeldbruck 860 neue Wohnungen. Spitzenreiter ist Fürstenfeldbruck mit 118 Wohnungen, Schlusslicht Jesenwang mit nur einer.

© SZ vom 09.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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