Christkindlmärkte im Landkreis:Kälte, Kitsch und Kunsthandwerk

Eine Rundfahrt durch den Landkreis führt zu Orten, an denen man die Adventszeit mit allen Sinnen auskosten kann.

Stefan Salger

Um 15 Uhr beginnt das Abenteuer. Dass es sehr spät werden wird, ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht abzusehen. Klar ist bereits, was in den nächsten Stunden am Wegesrand vorbeiziehen wird: Holzhütten in allen Variationen, Glühwein und Kinderpunsch, handbemalte Christbaumkugeln, Kitsch von der Stange, ein ordentliches Maß an Besinnlichkeit und leise rieselnder Schnee -auch aus den Lautsprechern. Gesichert sind auch die kalten Finger: Wir starten bei minus zwei Grad.

Christkindlmärkte im Landkreis: Nikolausmützen zieren einen Stand auf dem Germeringer Weihnachtsmarkt.

Nikolausmützen zieren einen Stand auf dem Germeringer Weihnachtsmarkt.

(Foto: Stefan Salger)

Und am Ende der großen Christkindlmarkt-Rundfahrt wird das Thermometer minus zwölf Grad anzeigen-was nicht nur daran liegt, dass wir dann aus 600 Metern Höhe auf den Landkreis Fürstenfeldbruck herunterblicken. Um eine fundierte Berichterstattung zu gewährleisten, sind Kinderpunsch-Testtrinker Carlos, 5, und Geschenkspezialistin Ana Isabel mit dabei. Und der schreibende Chauffeur, der sich nur einmal ein Glas Glühwein gönnen wird-was zumindest in dieser Kategorie etwas wenig ist für einen fundierten Vergleichstest.

Eine Vielzahl von Weihnachtsmärkten liegt verstreut in der winterlichen Landschaft. Manchmal ist der Name Programm und bürgt gleich für die entsprechende Qualität-so wie beim Winterzauber im Brucker Westen. Oder es bleibt bei der bewährten, althergebrachten Bezeichnung: Weihnachts-, Advents- oder Christkindlmarkt. Eine Abhandlung über das ganze Spektrum würde eine Sonderausgabe füllen, weshalb wir uns hier auf so etwas wie einen repräsentativen Querschnitt beschränken wollen.

Los geht's in Germering. Der dortige Christkindlmarkt zwischen Stadthalle und Kinderkarussell hat Tradition. Seit 33 Jahren gibt es ihn, 23 Tage lang verspricht der Germeringer Oberbürgermeister Andreas Haas in einem bunten Blatt unter anderem "den Duft der Glühweinspezialitäten". Überprüfen können wir das nicht, warmlaufen müssen wir uns erst mal ohne Hochprozentiges. Irgendwo an den Buden, die in Form eines großen "W" Spalier stehen, wird gerade eine Spezialität herausgereicht, die ungenießbar, dafür aber originell ist. Das Motiv ist weihnachtlich-Nikoläuse, Rentiere, Schlitten-, das Material hautfreundlich-Blatt für Blatt . Unzählige Postkartenmotive sind da aufgerollt. Aha, Weihnachtsklopapier. Eine Kundin hat sich gleich mal eine Rolle gesichert. "Genau das Richtige zum Wichteln", sagt sie.

Zur Erinnerung: Beim Wichteln werden Sachen verschenkt, die man, na ja, nicht unbedingt braucht. Am Schaufenster, hinter dem eine große Krippe der Familie Kaspar aus Neuaubing ausgestellt ist, und an Bistrotischen vorbei, an denen Pommes und Currywurst gegessen wird, geht's zum Stand von Peter Schmid. Der Kinderpunsch kostet 1,50 Euro und wird aus Stiefeln getrunken. Testurteil? Antwort: "Ich will noch einen". Aber das Budget ist schmal und die nächsten Stationen warten. Nicht besonders viel los sei in diesem Jahr, sagt Standlbesitzerin Christine Schulz noch. Vielleicht liege es an der vielen Konkurrenz, mutmaßt sie.

Brucker Winterzauber

Zumindest ein Christkindlmarkt sorgt dieses Jahr zusätzlich für Konkurrenz. Der heißt Winterzauber. Und seine Buden aus hellem Holz liegen wie ein großes Hufeisen auf dem weitläufigen Geschwister-Scholl-Platz in Fürstenfeldbruck. Immer wieder sorgt der eher kahle Platz für Diskussionsstoff. Die Macher des Winterzaubers zeigen, dass der Werbespruch stimmt, demzufolge es beim Beton darauf ankommt, was man draus macht: In bester Christo-Manier haben sie die großen Betonquader der Lüftungsauslässe in blaues Geschenkpapier eingepackt.Schleife drum, fertig. Gute Idee, auch wenn der ziemlich aufgeblasene Nikolaus, der an einer der Buden lehnt, sich daran einen Bruch heben dürfte.

In den Abendstunden gewinnt der in blaues Licht getauchte Platz an Atmosphäre. Die ist etwas kühl, hebt sich aber vom Einerlei anderer Weihnachtsmärkte ab. Manchmal freilich würde man sich wünschen, gar nicht hier zu sein, sondern 14000 Kilometer weiter südöstlich. Beim Anblick der Tafeln nämlich, die in einem großen Schneehaufen stecken. Sie verdeutlichen, wie woanders Weihnachten gefeiert wird. In Australien ist gerade Sommer. Und ein Bild zeigt einen Nikolaus. Ohne Schlitten. Mit Surfbrett.

"Papa, wir spielen Fußball", quengelt der Kinderpunschtesttrinker, der sich für solche Gedanken nicht erwärmen kann und gegen eine Schneekugel tritt. Ablenkung tut not-im Kinderzelt, das gegenüber der großen Showbühne liegt, sorgt nicht nur der Spieleverleih des Landratsamts für Kurzweil, es ist auch warm-und duftet: Da steht ein richtiger Ofen, und die zehnjährige Tatjana aus Moorenweis holt gerade ihren mit Rosinen und Zuckerperlen garnierten sternförmigen Honigkuchen aus dem Backrohr. "Den schenke ich der Mama", sagt die Nachwuchsbäckerin. Die Nacht hat bereits ihren Mantel über die glitzernden Discokugeln und den riesigen Weihnachtsbaum auf dem Geschwister-Scholl-Platzt gelegt, als es weiter geht, Kurs Südsüdwest.

Lagerfeuer in Türkenfeld

Glaubt man dem örtlichen Mitteilungsblatt, dann liegt der nächste Christkindlmarkt "im bayerischen Bethlehem". Auf dem Ortsschild steht etwas anderes: Grafrath. In der Schule nebenan sind schöne Krippen ausgestellt. Knapp verpasst haben wir das Krippenspiel der Kinder des Waldorfkindergartens. Als Ausgleich wird die Geschenktesterin am Stand von Sybilla Rathmann fündig, wo es schönen Weihnachtsschmuck gibt.

Ebenso wie dieser Markt so schließt auch der Christkindlmarkt auf dem Jexhof bei Schöngeising bereits nach einem Wochenende wieder seine Pforten.Wie eine Insel in der Zeit liegt das Bauernhofmuseum. Helmut Brummer aus Gröbenzell steht im Innenhof und wärmt sich am Gasofen die Hände. Darin werden keine Lebkuchen gebacken, Brummer schmiedet aus Messingrohlingen Nägel. Die kleinen Kerzenständer, die er auf dem Tisch aufgebaut hat, lassen sich multifunktional einsetzen: nach einer kurzen Zeit über der Flamme werden sie zu Taschenwärmern. Der Kunstschmied lobt die gute Lage und das gute Konzept dieses kleinen, feinen und sehr urwüchsigen Weihnachtsmarkts. "Es ist alles nicht so kommerziell", bestätigt ein Besucher im Vorbeigehen. Zwischen landwirtschaftlichen Geräten werden gedrechselte Kunstwerke und Jexhofer Hollersirup angeboten, hinter einem offenen Scheunentor stehen Steingutschüsseln Spalier. Im Stall gibt es handgearbeitete Kränze und Rosenseife. Und in der guten Stube gibt die Gernlindner Volksmusik den Ton an.

Ein Kontrastprogramm mit "Eventcharakter" wartet zwölf Kilometer weiter: Die Türkenfelder Bergweihnacht. Die Nummernschilder der Autos, die zum Leidwesen der Anwohner die Straßen zuparken, zeigen, dass das zieht. Aus der ganzen Region pilgern die Gäste in Scharen heran. Dem SZ-Testertrio fährt aber erstmal der Shuttlebus vor der Nase weg, deswegen geht es zu Fuß zwischen Feldern hindurch die 15 Minuten hinauf auf den Steingassenberg. Ein bisschen fühlt man sich hier wie auf dem Münchner Tollwood-Festival. In der geheizten Halletanzt der Bär, oder besser: es tanzen die brennenden Kekse: Irish Folk mit den Burning Biscuits. Draußen gibt's dann doch noch Lokalkolorit: am Stand des Besenbinders warten große, geschnitzte Holzsterne auf neue Besitzer, ein paar Meter weiter stehen leibhaftige Schafe und ein Esel, und ein ebenso leibhaftiger Kunstschmied hämmert auf glühendes Eisen. Rundherum wird handgefertigter Weihnachtsschmuck feilgeboten.

Mittendrin lodert ein Lagerfeuer und taucht die Männer der Türkenfelder Blaskapelle in flackerndes Licht. Mit Tuba und Trompeten erzählen sie von Glocken, die süßer nie klingen. Der Text der bekannten Weise steht angeblich "für Friede, Freude und Weihnachtswonne", wie ein schlaues Nachschlagewerk verrät. Um diese Kunde vernehmen zu dürfen, bedarf es zunächst freilich klingender Münze: Der Weg in die Trutzburg der Besinnlichkeit führt am Kassenhäuschen vorbei-wer Herz und Geldbeutel nicht öffnet, endet in den Armen des Security-Mitarbeiters. Und der Kinderpunsch, den der kleine Testtrinker probiert, ist so süß wie in Germering, kostet mit 2,50 Euro aber deutlich mehr.

Und was ist nun mit dem Fazit, mit der Bewertung von Platz eins bis fünf? Dieses Fazit muss wohl doch jeder für sich ziehen, zu unterschiedlich sind die Weihnachtsmärkte: groß, klein, modern, traditionell, mit kleinem Programm oder mit professionellen Bands. Aber es bleiben ja noch ein paar Wochen, um selbst durch den Landkreis zu touren. Nur einen heißen Tipp haben wir noch: Ziehen Sie sich warm an!Stefan Salger

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