Fürstenfeldbruck:Im Digitalzeitalter

Zeitgespräch

Der Datenschutz ist das Spezialthema der ehemaligen Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.

(Foto: Günther Reger)

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger über Datenschutz

Von Sebastian Mayr, Fürstenfeldbruck

Schon als Sabine Leutheusser-Schnarrenberger von ihrer Anfahrt erzählt, ist sie mitten drin im Thema. Ein Navigationssystem hat sie zur Erlöserkirche geleitet. Dabei, behauptet die frühere Justizministerin, verwende sie eigentlich lieber Landkarten. Denn auch die Daten, die man dem Navi verrät, gehören zu denen, die Unternehmen von Bürgern sammeln. Ein Beispiel unter vielen, das zeigt, welche Spuren jeder hinterlässt, der auf moderne Hilfsmittel zurückgreift.

"Mit dem Thema könnten wir aktueller nicht sein", findet Thomas Zeilinger, der den Abend in der Reihe der "Brucker Zeitgespräche" moderiert. Er erinnert an die jüngsten Erkenntnisse über das Datensammeln des amerikanischen Geheimdienstes NSA und an die Debatte über die Vorratsdatenspeicherung und nennt den Gast "eine absolute Kennerin". Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die 23 Jahre lang Mitglied des Bundestags war, ist gekommen, um über "Menschliche Freiheit im digitalen Zeitalter" zu sprechen.

Eine Botschaft wieder holt die FDP-Politikerin viele Male: "Es ist nicht alles negativ, sondern ruft danach, mitgestaltet zu werden." Die Digitalisierung verbessere Kommunikation, Transparenz, Teilhabe und Komfort. Eines dürfe man bei der Debatte zur Datensicherheit ohnehin nicht vergessen: "Die Grenzen zwischen öffentlich und privat verschieben sich." Dennoch berge das digitale Zeitalter Gefahren. Unternehmen sammeln Daten, genauso wie der Staat. Für die einen sei es das Geschäftsmodell, für die anderen der Versuch, die innere Sicherheit zu stärken. Doch egal, für welchen Zweck gesammelt werde: "Wir brauchen Standards, wie mit Daten umgegangen wird". Die Bundesebene hält Leutheusser-Schnarrenberger für zu klein, eine globale Lösung für nicht realistisch. Also müsse die EU handeln, die damit bereits begonnen hat.

Die Bühne ist kleiner als die, die der Bundestag bietet. Im Gemeindesaal der Erlöserkirche steht ein Tisch mit eine Flasche Wasser darauf. Dahinter ein Banner, das für den ökumenischen Kirchentag wirbt, und eine Reihe Umzugskartons, übereinandergestapelt. Gekommen sind etwas mehr als 30 Zuhörer, von denen sich später viele an der Diskussion mit der ehemaligen Ministerin beteiligen werden. Zum vorerst letzten Mal ist die Erlöserkirche Gastgeber der "Brucker Zeitgespräche". Wegen Renovierungsarbeiten zieht die Veranstaltungsreihe vorübergehend in die Gnadenkirche um.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger stört sich weder an der schlichten Kulisse, noch an der intimen Atmosphäre. Nur für das Foto mit den Kollegen von der Brucker FDP, die zum Zuhören und Mitreden gekommen sind, wählt sie einen anderen Hintergrund als die Kartons. Wenn die 64-Jährige spricht, sprechen ihre Hände mit. Die Gesten scheinen so genau zu den Worten zu passen, als würde sie das Gesagte in Gebärdensprache wiederholen.

Auch, wenn Leutheusser-Schnarrenberger betont, keine aktive Politikerin mehr zu sein: Politik macht sie noch immer. Denn sie wirbt, wann und wo auch immer es geht, für ihre Anliegen Persönlichkeitsrechte und Datensicherheit. Und einige Spitzen auf die große Koalition kann sie sich auch nicht verkneifen. Etwa bei ihrem Hinweis auf das von der Regierung geplante Verfassungsschutzgesetz. Der Entwurf, sagt Leutheusser-Schnarrenberger, sei "ungeheuerlich". Eigentlich hätte man die Lehren aus dem Versagen des Geheimdienstes in der NSU-Mordserie ziehen sollen. Statt dessen sollen die Kompetenzen des Dienstes deutlich erweitert werden.

Während sich Leutheusser-Schnarrenberger über die Bundesregierung ärgert, sieht sie die EU auf dem richtigen Weg. Der ansatzlosen Vorratsdatenspeicherung hat der Europäische Gerichtshof eine Abfuhr verteilt, sehr zur Freude der FDP-Politikerin, die das Instrument für falsch und obendrein wirkungslos hält. Zudem feilt die EU seit drei Jahren an der Datenschutz-Grundverordnung, die mehr Sicherheit für die Daten im digitalen Raum schaffen soll. Als ein Zuhörer wissen will, ob die Politik mit Gesetzen zur Datensicherheit denn mit der technischen Entwicklung Schritt halten könne, antwortet die FDP-Politikerin jedoch zurückhaltend. Das zu versprechen traue sie sich nicht zu.

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