Fürstenfeldbruck:Im Alleingang

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Im August 2014 blickt der mittlerweile erkrankte Oberbürgermeister Klaus Pleil aus dem Amtszimmer auf den Marktplatz. (Foto: Günther Reger)

BBV, Grüne und SPD verlangen von Brucks Zweitem Bürgermeister Erich Raff Auskunft darüber, warum er sich mit seiner Anfrage zur formalen Verlegung der B 2 an CSU-Parteifreund Dobrindt gewandt hat. Raff wird vorgeworfen, den Kurs von OB Klaus Pleil zu hintertreiben

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Wer ist zuständig für eine Herabstufung der durch Bruck verlaufenden Bundesstraße? Ist diese überhaupt möglich? Handelt Brucks Zweiter Bürgermeister Erich Raff (CSU) unlauter und hintertreibt den Kurs des erkrankten Oberbürgermeisters Klaus Pleil (BBV)? Nachdem sich Raff mit einer Anfrage an Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) gewandt hat, ist darüber in der Kreisstadt ein heftiger Streit entbrannt. Vertreter von Grünen und SPD werfen Raff vor, bewusst seinen Parteifreund als Ansprechpartner ausgewählt zu haben, um von diesem eine Ablehnung des mehrheitlich gegen die CSU beschlossenen Projekts zu erhalten. Mittlerweile gibt es auch innerhalb der CSU-Fraktion kritische Stimmen, die Raff nicht als optimale Besetzung sehen. Auf der Stadtratssitzung am Dienstag überreichten die Fraktionsvorsitzenden von BBV, Grünen und SPD dem Zweiten Bürgermeister einen Brief mit Fragen. Raff kündigte an, diese in der nächsten Stadtratssitzung zu beantworten.

Die mögliche Verlegung der B 2 ist darüber fast zur Nebensache geworden. Stefan Meier, Bereichsleiter Straßenbau beim Freisinger Bauamt, macht der Kreisstadt ohnehin keine große Hoffnung, die Straße formal auf die Autobahn A 8 zu verlegen, um in der Folge den durch die Stadt verlaufenden Abschnitt unter städtischer Hoheit verkehrsberuhigen zu können. Das Bauamt entscheide freilich auch nicht. Zuständig für eine Herabstufung sei nicht das Bundesverkehrsministerium in Berlin (an das sich Raff gewandt hatte), sondern das Bayerische Innenministerium. Meier: "Allgemein ist für die Fragestellung straßenrechtlicher Widmung, Umstufung und Einziehung das Bundesfernstraßengesetz einschlägig. Entsprechend Paragraf zwei Fernstraßengesetz entscheidet über Widmung, Umstufung - also Änderung der Straßenklasse - und Einziehung die oberste Landesstraßenbaubehörde." In Bayern sei das die Oberste Baubehörde im Innenministerium. Die Behörde holt vor einer Widmung oder Aufstufung (zum Beispiel von einer Staatsstraße zur Bundesstraße) allerdings das Einverständnis des Bundesverkehrsministeriums ein. Bayern entscheidet also, der Bund muss zustimmen.

Ob eine Bundesstraße herabgestuft wird, hängt von der Verkehrsbedeutung der Straße und die Bedeutung im Straßennetz ab. "Erst eine Verringerung der Verkehrsbedeutung könnte gegebenenfalls eine Voraussetzung für die von der Stadt Fürstenfeldbruck angestrebte abschnittsweise Abstufung der B 2 darstellen", so der Baudirektor. Dies sei "derzeit jedoch nicht gegeben, da die B 2 eine wichtige Achse für den weiträumigen Verkehr bildet und damit der Zielsetzung einer Bundesfernstraße entspricht." Die Entscheidung über eine Änderung der Klassifikation von Autobahnen oder Bundesstraßen "kann nur vom Land und damit letztendlich von der Obersten Baubehörde getroffen werden".

Die SPD-Ortsvereinsvorsitzende Svenja Bille kritisiert die "Vorgehensweise" Raffs scharf, fordert "mehr Respekt vor gewählten Gremien" und erinnert an den im Sommer 2014 mit 24 gegen 15 Stimmen getroffenen Beschluss, einem Antrag der SPD-Fraktion zu folgen und eine Umwidmung der B 2 anzustreben. Raffs ohne Beteiligung von Stadtrat und Verwaltung geschriebener Brief an den Bundesverkehrsminister triefe förmlich vor Widerwilligkeit - "ein positives Vorantreiben des geltenden Beschlusses ist darin nicht zu erkennen." Nicht akzeptabel sei auch die Informationskultur Raffs gegenüber den gewählten Stadträten. Ähnlich sieht es Philipp Heimerl: "Wir sind ganz und gar nicht glücklich mit der Arbeit von Herrn Raff." Rücktrittsforderungen hält der SPD-Fraktionschef "noch" für verfrüht. Raff solle aber aufhören, "seine eigene Politik" zu machen, so Heimerl am Freitag. Durchsetzen ließe sich ein Rücktrittsersuchen selbst mit einer Stadtratsmehrheit ohnehin nicht. Auch dies ist ein Grund, warum in der Stadt der Ruf nach Neuwahlen mittlerweile lauter wird - sofern der seit seiner Herzattacke vor fast einem Jahr krankgeschriebene Klaus Pleil in den nächsten Monaten nicht doch wieder sein Oberbürgermeisteramt ausüben kann.

Sogar innerhalb der CSU-Fraktion gibt es nur leicht verklausulierte Kritik an Raff, aber auch an der B-2-Strategie der CSU in den vergangenen Jahren. "Die letzte Legislaturperiode" sei nicht genutzt worden, um die Zentrumsumfahrung "unumkehrbar einzutüten", schreibt Herwig Bahner (CSU) in den sozialen Medien. Und es sei ein Fehler gewesen, sich nach der Wahl bei der Vergabe der Stellvertreterposten den Wünschen Pleils zu beugen. Der OB hatte damals den von der CSU vorgeschlagenen Andreas Lohde abgelehnt. Nachdem die CSU wiederum den von Pleil vorgeschlagenen Franz Höfelsauer (CSU) abgelehnt hatte, einigte man sich schließlich auf den "Kompromisskandidaten" Raff.

CSU-Fraktionsvorsitzender Andreas Lohde, der ebenfalls in die Kritik geraten war, weil er bereits im Rathausreport aus dem Schreiben des Verkehrsministeriums zitiert hatte, stärkt Raff indes den Rücken. Dessen Anfrage sei richtig gewesen, so Lohde. Mit dem Überbringer einer schlechten Nachricht - der derzeit wohl nicht möglichen Herabstufung der B 2 - werde nun verfahren wie bei den alten Griechen. Lohde bleibt dabei: BBV, SPD und Grüne sind mit ihrer Strategie gescheitert. Die von der CSU genannte Alternative in Form eines drei Kilometer langen Tunnels wurde vorschnell abgebügelt, die Anmeldung zum Bundesverkehrswegeplan als Voraussetzung für eine staatliche Finanzierung in den kommenden 15 Jahren versäumt.

Nachdem Pleil auch ein Jahr nach dem Grundsatzbeschluss keinen offiziellen Antrag auf Herabstufung gestellt hatte und sich angeblich zunächst darauf beschränkte, letztlich erfolglos bei Anrainergemeinden für die Abstufung zu werben, sei es für Raff nun höchste Zeit gewesen, der Hinhaltetaktik ein Ende zu setzen und etwas zu unternehmen, so Lohde sinngemäß. Auch deshalb, weil nicht zuletzt die SPD sich über den Stillstand beschwert habe. Lohde sieht sich vom städtischen Verkehrsgutachten bestätigt: Formale Kosmetik reicht nicht, nur eine dritte Amperquerung kann die Stadt vom Autoverkehr entlasten. Als Beleg weist der CSU-Ortsvorsitzende auf die Entwicklung der B 2 jenseits der Stadt hin: Diese solle zwischen Garmisch und Fürstenfeldbruck für mehr als 500 Millionen Euro ausgebaut werden.

© SZ vom 02.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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