Fürstenfeldbruck:Hund stirbt bei Unterwerfungsritual

Gericht stellt Verfahren gegen Trainer ein. Der Schäferhund-Mischling lebte bei einem älteren, kranken Ehepaar.

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck

"Hund beißt Halter tot." Diese Schlagzeile über den Staffordshire-Terrier-Mix Chico, der in Hannover seine Besitzer getötet hat, ging Anfang April durch die Medien. Nun sitzt ein Hunde-Verhaltenstrainer auf der Anklagebank des Amtsgerichts in Fürstenfeldbruck, der mit einem aggressiven Hund gearbeitet hat. Dem 52-Jährigen wird ein schlimmes Vergehen nach dem Tierschutzgesetz vorgeworfen. In der Folge eines so genannten Unterwerfungsrituals, das er mit einem aggressiven Schäferhund-Mischling unternahm, starb der sechs Jahre alte Hund. Der Vorwurf: Das Tier soll bei der Behandlung erstickt sein. Schließlich wird das Verfahren auf Anregung der Staatsanwältin gegen 2800 Euro Auflage eingestellt.

Tierfreunde betonen, dass es in der Hand des Menschen liegt, ob ein Hund aggressiv wird oder nicht. So war es offenbar auch im Fall von Chico, wo die Halter nach Einschätzung mehrerer Nahbarn mit dem Tier überfordert waren. Auch die Besitzer des Schäferhund-Mischlings Nikos scheinen mit dem Hund überfordert gewesen zu sein. Die 74-jährige Halterin kann nur noch langsam gehen. Ihr Mann hat ein Herzleiden und ging mit dem Tier gar nicht Gassi. Nicht gerade günstige Bedingungen für einen fünf Monate alten Welpen, der aus Griechenland ins Land gebracht worden war. Dennoch landet Nikos bei dem betagten Ehepaar, vermittelt von einer angeblichen Tierfreundin. Mehrfach wurde ihnen empfohlen, das Tier abzugeben.

Der Angeklagte spricht vom "neurotischen Verhalten des Hundes, diversen Phobien". Wie er berichtet, hatte er schon fünf, sechs Monate mit Nikos gearbeitet, bevor dieser starb. Dabei habe er durchaus Erfolge erzielt. So sei der Hund nicht mehr so aggressiv gegenüber anderen Tieren gewesen, und er sei anstandslos Treppen hinunter gelaufen. Ein weiteres Problem war, dass Nikos sein Frauchen regelmäßig biss. Aber nur, wie die vor Gericht entschuldigt, wenn sie ihm wehgetan habe, etwa weil sie beim Bürsten eine wunde Stelle erwischte.

Das Tier war aus Griechenland gekommen. Es war neurotisch und hatte einige Phobien

Der August kommt, der Angeklagte will verreisen, hat aber bemerkt: "Immer wenn der Hund zu lange seine Energien nicht abbauen konnte, kam es zu Rückfällen." So auch jetzt: Zwei Mal in einer Woche attackiert Nikos sein Frauchen. Der Hundetrainer will sie so nicht alleine lassen mit dem Tier. Er schlägt ein Unterwerfungsritual vor. Wie er vor Gericht erläutert, benutzte er dabei ein so genanntes Würgehalsband.

Als Nikos ihn angreifen wollte, habe er das gut 40 Kilogramm schwere Tier am ausgestreckten Arm von sich weggehalten, so dass es nur noch auf den Hinterläufen gestanden und "höchstens zwei, drei Sekunden in der Luft" gehangen sei. Die Anklage ging von 20 bis 30 Sekunden aus. Bei dem insgesamt 30 Sekunden dauernden Ritual bringe der Trainer den Hund zu Boden und halte ihn dort fest, bis er sich unterwerfe, erläutert der Angeklagte. Da das beim ersten Mal nur kurz funktionierte, habe er das Ritual wiederholt.

Als er gegangen sei habe Nikos "eine rosane Zunge, weiße, klare Augen" gehabt und ruhig geatmet. "Ich schließe aus, dass der Hund erstickt ist", unterstreicht der Angeklagte und verweist auf die Konstruktion der Würgehalsbänder, die das nicht zulasse. Dem widersprechen Nikos' Tierärztin und ein Hundeführer der Polizei. Mit zunehmendem Alter liefen die Halsbänder nicht mehr reibungslos, sagt Letzterer. Die Tierärztin beschreibt Nikos als "angstaggressiv", er sei "am Schluss ein sehr schwieriger Hund gewesen" und "hätte vielleicht auch in andere Hände gehört".

Die 74-Jährige Besitzerin sagt aus, sie habe bei dem Unterwerfungsritual vieles nicht gesehen, auch nicht, ob oder wie lange die Hinterläufe von Nikos in der Luft waren. Sie berichtet aber, der Hund habe während des Rituals gekotet - für die Tierärztin ein eindeutiges Zeichen für einen Todeskampf. "Das haben Sie uns bewusst verschwiegen", mahnt die Staatsanwältin den Angeklagten. Sie schlägt dennoch vor, das Verfahren gegen Geldauflage nach Paragraf 153a einzustellen. Damit sei keine Annahme der Schuld verbunden, auch keine Vorstrafe. Der Angeklagte geht nach einer Beratung mit seinem Rechtsanwalt auf das Angebot ein.

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