Fürstenfeldbruck:Großer Betreuungsbedarf bei Jugendlichen

Resozialisierungsverein Sprint verzeichnet sinkende Fallzahlen. Komplexe Problemlagen aber erfordern mehr Zeit

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck

Die gute Nachricht zuerst: Die Mitarbeiter des Brucker Resozialisierungs- und Integrationsvereins Sprint verzeichnen für das vergangene Jahr in vielen Bereichen einen weiteren Rückgang. Das gilt für die Vermittlung Sozialer Hilfsdienste ebenso wie für den Täter-Opfer-Ausgleich - ein moderiertes Gespräch beider Parteien mit dem Ziel einer Wiedergutmachung. Ähnliche Entwicklung bei der Betreuungsweisung, einer Anordnung des Jugendgerichts für eine zeitlich begrenzte sozialpädagogische Begleitung.

Dennoch ist die Jahresbilanz von Sprint nicht als Signal für eine Reduzierung sozialer Probleme zu verstehen. Insbesondere bei jungen Menschen beobachten die Sozialpädagogen von Sprint einen steigenden Betreuungsbedarf, da die Probleme "sehr komplex" seien und im Verbund auftreten. 45 Mal - gegenüber 60 in 2014 - sind Jugendliche und junge Erwachsene im Vorjahr vom Jugendgericht zu einer Betreuungsweisung verurteilt worden. Diese sozialpädagogische Maßnahme soll jungen Menschen in schwierigen, ungeordneten Situationen helfen, ihr Leben zu strukturieren und besser in den Griff zu bekommen. Einer davon war im Vorjahr Tabea, 17 (Name geändert). Der Jugendlichen war wegen wiederholten Schwarzfahrens eine sechsmonatige Betreuung und drei Tage gemeinnützige Arbeit auferlegt worden. Zu dem Zeitpunkt hatte sie Probleme mit Drogen, keinen Schulabschluss und musste die Berufsschule wegen zu vieler Fehltage verlassen. Während der Betreuung erörterte ein Sprint-Mitarbeiter mit Tabea ihre aktuelle Lage und formulierte Ziele für die Zukunft. Es wurden Suchtberatungsgespräche bei der Caritas-Fachstelle vereinbart und eine Schule in München gefunden, an der sie extern ihren Hauptschulabschluss nachmachen konnte. Obwohl es mit den Drogen Rückfälle gab, war sie motiviert, den Abschluss zu schaffen. Tabeas Mutter und die Sprint-Betreuerin motivierten sie immer wieder durchzuhalten. Ein Drogentagebuch war dabei ebenso hilfreich wie der Besuch einer Selbsthilfegruppe in Germering. Dank der regelmäßigen Reflexion mit der Sozialpädagogin über ihr Verhalten fing Tabea an, andere Schwerpunkte zu setzen; sie brach den Kontakt zu einigen Freunden ab. Letztlich schaffte sie den Quali, schränkte ihren Drogenkonsum ein und fand einen Praktikumsplatz mit der Aussicht auf eine Ausbildung.

Auch bei den Sozialen Hilfsdiensten verzeichnet Sprint für 2015 einen weiteren Rückgang. 240 junge Menschen wurden an verschiedene Einsatzstellen zur gemeinnützigen Arbeit vermittelt. Insgesamt wurde dabei 4164 Stunden gearbeitet. Landkreisweit kann Sprint auf 97 Einsatzstellen zurückgreifen, weitere 19 Einrichtungen melden sich für Sonderaktionen wie Veranstaltungen oder Renovierungen. Bereits 2014 beauftragte Sprint die Arbeitsgruppe für Altersforschung und Sozialplanung (AfA), eine wissenschaftliche Begleitstudie der Sozialen Hilfsdienste im Jugendbereich durchzuführen. Diese im Oktober veröffentlichte wissenschaftliche Erhebung stößt laut Sprint "bei Fachleuten auf deutschlandweite Beachtung und wird weiter thematisiert werden".

Beim Pendant für Erwachsene ("Schwitzen statt Sitzen") sind die Fallzahlen gleichbleibend hoch. Für alle Altersklassen gesunken sind indes die Zahlen beim Täter-Opfer-Ausgleich. Dort blieb im Erwachsenenbereich häusliche Gewalt mit 50 Prozent das Hauptdelikt und auf dem Niveau der Vorjahre. Bei den Jugendlichen lagen, wie in der Vergangenheit, Körperverletzungsdelikte (54 Prozent) ganz vorn. Generell konnte in 96 Prozent der Fälle eine Einigung zwischen den Konfliktparteien erzielt werden.

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