Landkreis-Politik:Getragen vom Schulz-Effekt

Neue Parteibücher bei Versammlung des SPD-Ortsvereins Trostberg, 2017

Neuerdings begehrt: das rote Parteibuch der SPD.

(Foto: Johannes Simon)

Die politische Großwetterlage beeinflusst die Mitgliederzahlen der Parteien im Landkreis. Während SPD, Grüne und die Linke sich über den überwiegend jungen Zuwachs freuen, geht die CSU leer aus

Von Julia Bergmann, Fürstenfeldbruck

Brille, Halbglatze, angegrauter Vollbart: Was wenig aufregend klingt, sind die Attribute des Mannes, der Genossinnen und Genossen in Sphären höchster Verzückung schweben lässt. Sie gehören zu Martin Schulz, dem SPD-Kanzlerkandidaten, dem Mann aus Würselen, dessen Wirkung auch im Landkreis Fürstenfeldbruck dafür sorgt, dass lange politikverdrossen Geglaubte plötzlich in die SPD eintreten. Auf Schulz angesprochen, kann auch Michael Schrodi, SPD-Bundestagskandidat für den Landkreis, seine Euphorie nicht verbergen: "Die Menschen sind in einer Weise offen für die SPD, wie ich es selten erlebt habe. Auch kommunal", sagt er. In Zahlen ausgedrückt: Seit die Kanzlerkandidatur von Schulz bekannt wurde, sind in die Kreis-SPD 20 Menschen eingetreten. "Und wir hatten seitdem keine Austritte", sagt Schrodi. "Sie treten ein. Online, bei Veranstaltungen, flächendeckend in ganz Deutschland. Wir müssen gar nicht viel tun, die Leute kommen auf uns zu", ergänzt er, in einer Tonlage, in der das "Unfassbar!" permanent unausgesprochen mitschwingt.

Vor Schulz war auch in Fürstenfeldbruck alles anders. Immer mal wieder einen, höchstens mal zwei Eintritte habe es da pro Monat gegeben. Dafür aber zehn Austritte pro Jahr. Wie Schulz das schafft? Noch dazu, wo er doch mit seinem Plädoyer für soziale Gerechtigkeit, Inhalte präsentiert, die für die SPD keine neuen sind. "Mit Martin Schulz steht jemand an der Spitze der Partei, der das mit ganzem Herzen lebt", erklärt Schrodi. Er hat Schulz auch beim Politischen Aschermittwoch in Vilshofen gesehen und ihn als authentischen Politiker erlebt, der Inhalte liefert, die die Leute betreffen. Und als jemand, der den Mut hat zu reflektieren, was in der Vergangenheit gut war und was geändert werden muss. Aber die steigende Zahl der Parteieintritte, da ist er sich sicher, ist nicht nur Schulz geschuldet. "Die Leute merken, wenn sie aus Deutschland herausschauen, die Demokratie wird bröckelig", sagt er und spielt damit unter anderem auf den Trump-Effekt an, der nach der amerikanischen Präsidentschaftswahl auch in Bayern dafür sorgt, dass sich immer mehr Menschen vor allem in linken Parteien engagieren.

Auch die Kreis-FDP ist sich sicher, von dem Effekt zu profitieren. Die Menschen, meint Hendrik Grallert, der Kreisvorsitzende der FDP, werden jetzt politisch aktiver, engagierter, interessierter. "Sie sehen, wie rund um sie Chaos ausbricht und denken, wenn ich jetzt nichts tue, wann dann?", sagt er. Gedanken, die einige der sechs Landkreisbewohner, die in den vergangenen beiden Monaten in die FDP eingetreten sind, ihm gegenüber geäußert hätten. "In dieser Hinsicht macht sich der Trump-Effekt bemerkbar", sagt Grallert. Für eine kleine Partei wie die Kreis-FDP seien die sechs neuen Mitglieder ein ungewöhnlicher Zuwachs. Auch wenn die Mitgliederzahl insgesamt durch vier Todesfälle fast konstant geblieben sei. Vor allem zu diesem Zeitpunkt, wo die Bundestagswahl noch relativ weit entfernt liege. "Der Wahlkampf hat noch nicht angefangen", meint er.

Zumindest in diesem Punkt widerspricht ihm die Sprecherin der Kreis-Grünen, Lena Satzger. Auch bei den Grünen gibt es derzeit ein bis zwei Eintritte pro Monat, "gefühlt mehr als im Vorjahr", wie Satzger meint. "Aber wir sind ja gerade im Wahljahr und das politische Interesse ist generell gestiegen", sagt sie. Besonders erfreulich für Satzger: "Bei uns treten jetzt vor allem junge Menschen unter 27 ein." Über insgesamt vier Eintritte, ebenfalls von jungen Leuten, freut sich auch Renate Schiefer, die Sprecherin des Kreisverbands der Linken. Allerdings habe es auch fünf Austritte gegeben, aufgrund von Umzügen oder fehlender Beitragszahlungen. "Die Zahlen sind in Summe nicht befriedigend, aber sie nehmen uns auch nicht den Schwung", meint Schiefer.

Nur eine Partei geht leer aus: die CSU. Elf Eintritte hat es in den vergangenen drei Monaten im Landkreis gegeben, allerdings auch 29 Austritte. "Im Rahmen des üblichen", meint ein gelassener Kreisvorsitzender Thomas Karmasin dazu. Es gebe immerhin keine große Austrittwelle. "Was es in der Tat gibt, ist eine Unzufriedenheit mit der Asylpolitik, aber nicht in der breiten Front", sagt er. Dass die Leute wegen Trump oder Schulz nun generell politischer würden, glaubt Karmasin nicht. Und eine Partei will überhaupt keine Auskunft über die Entwicklung ihrer Mitgliederzahlen geben. Linda Amon, Vorsitzende des AfD-Kreisverbands Dachau/Fürstenfeldbruck, weigert sich, mit der Süddeutschen Zeitung zu sprechen und legt mitten im Telefonat einfach auf.

Nur anhand von Zahlen ist es schwierig, mit Gewissheit zu sagen, dass sich die bayernweite Entwicklung auch im Landkreis widerspiegelt. Dafür sind die absoluten Zahlen schlichtweg zu niedrig. Immerhin sind sich aber die Vorsitzenden der SPD, Grünen, Linken und der FDP sicher, dass Schulz und Trump auch im Landkreis etwas bewegt haben.

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